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Der 1971 in Palma de Mallorca geborene Javier Bonet besitzt im Szeneviertel Santa Catalina das Restaurant "Patrón Lunares" und hat sein Handwerk bei Gerhard Schwaiger gelernt. Außerdem führt er in Madrid die innovativen Lokale "Muta", "Sala de Despiece" und "Academia de Despiece". Wie auf dem Markt kann man in den beiden Letzteren Lebensmittel kaufen und vor Ort verzehrfertig machen oder auch im Stil eines Show-Cookings zubereiten lassen. Im Gespräch erklärt er, warum das Publikum ihm die Bude einrennt.

Frage: Köche scheinen so etwas wie die Idole der heutigen Zeit zu sein.

Javier Bonet: Es gibt schon eine gewisse Medienwirksamkeit, aber letzten Endes sprechen wir da nur über einen Beruf.

Frage: Sie werden als "Küchenrevolutionär von der Basis" bezeichnet. Was heißt das?

Bonet: Die Leute machen die Revolution mit ihrem Verhalten. Wenn sie etwas sehen, was ihnen gefällt, erzählen sie es weiter. Wenn es ihnen sehr gefällt, reagieren sie mit Enthusiasmus, und die Medien greifen es auf.

Frage: Worin besteht das Konzept der "Sala de Despiece"?

Bonet: Es handelt sich um eine Bar mit Produktverkostung. Die Nutzung des Raums liegt in den Händen des Gasts. Das ist natürlich anarchischer als ein Restaurant. Vor Ort gibt es jemanden, der die Besucher empfängt und behilflich ist. Unser Ziel ist es, dass die Leute Spaß und eine gute Zeit haben.

Frage: So wie auf dem Markt?

Bonet: Unsere visuellen Vorbilder sind die Großmärkte von Madrid und Palma. Wir wollen, dass die Leute das Produkt direkt und unverschnörkelt wahrnehmen. Kahle Wände und Decken unterstreichen dieses Ambiente. 90 Prozent der Produkte sind im Naturzustand. Was wir machen, ist weitgehend manipulationsfrei, eigentlich kochen wir so gut wie nicht. Wir schneiden und zerlegen die Stücke, geben vielleicht ein paar Kleinigkeiten dazu, und manches wird auf der Bratfläche oder in der Pfanne gegart.

Frage: Arbeiten Sie in Madrid mit Mallorca-Produkten?

Bonet: Seit dem 6. Mai haben wir für sechs Monate das "Muta Balear" eröffnet, in dem die repräsentativsten Gerichten der Inseln serviert werden. Es wird eine kleine Hommage an Wintergerichte wie "Arrós Brut" und "Sopes Mallorquines" geben. Konzentrieren werden wir uns aber auf die Tapas-Karte, wie wir das seit fünf Jahren praktizieren. Zum Beispiel bieten wir mit Foie gefüllte Ensaimada oder Gerichte mit Sobrassada. In Madrid gibt es wenige Vertreter von den Balearen. Das Mittelmeer muss dort erst noch explodieren.

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Frage: Wie soll das gehen?

Bonet: Nicht nur mit dem Essen, sondern auch mit Getränken. Wir bieten einen Kräuterlikör mit zwölf Zutaten, die ich direkt von einer Bäuerin auf Ibiza gekauft habe. Palo-Schnaps mischen wir mit Maracuja, und natürlich bieten wir menorquinischen Xoriguer-Gin in der Pomada (gehaltvolle Zitronenlimonade, Anm. d.Red.). Außerdem gibt es Sobrassada von Son Dalabau, Teigschnecken von der Bäckerei Coll de Sant Jordi oder Pa-amb-oli-Brot. Außerdem haben wir ein riesiges Bild von Es Trenc und Cabrera aufgehängt.

Frage: Derzeit gibt es auf Mallorca ja einen Sterne-Boom.

Bonet: Aktuell schlägt Andreu Genestra besonders gut ein. Wirklich ein bemerkenswerter Junge, der tolle Sachen macht.

Frage: Wie erklären Sie sich diese kreative Welle?

Bonet: Ich hatte das Glück, im ersten wirklich wichtigen Restaurant der Insel anzufangen, und zwar im Tristán in Puerto Portals. Der Eigentümer holte mit Gerhard Schwaiger den damals in Deutschland führenden Küchenchef, der mit seinem Ansatz auf Mallorca zwei Michelin-Sterne holte. Alle die dort waren, haben gesehen, wie wichtig internationale Erfahrung ist. Und jetzt kommen die Leute, die ins Ausland gegangen sind, nach Mallorca zurück und bringen großartige kulinarische Kenntnisse mit.

Frage: Kochshows en masse und Küchenchefs als Helden. Ist das eine Mode?

Bonet: Das ist keine Mode, sondern ein besonderer Moment. Vom Umgang damit wird abhängen, wie lange er dauert. Spanien war weltweit Fahnenträger des Neuen. Und das bestand darin, anders zu arbeiten als Franzosen oder Italiener. Wir waren transparent, wir haben es geschafft, dass die Leute anders denken. Ferrán Adrià müssen wir noch 100 Jahre dafür dankbar sein, dass er seine Küche geöffnet und die Leute zum Nachdenken gebracht hat, statt einfach nur Rezepte zu variieren. Die großen spanischen Köche haben gelehrt, individuell zu denken.

Frage: Auch die Sobrassada scheint in der Haute Cuisine salonfähig zu werden.

Bonet: Die Sobrassada ist eine Bereicherung an Geschmack und Farbe. Statt Gerichte mit Paprika zu würzen, eignet sich auch Sobrassada. Wir machen zum Beispiel Sepia-Tintenfisch mit Sobrassada und Honig, und das ist überhaupt nicht seltsam. Es ist sehr mediterran, Meer und Berge zu mischen, zum Beispiel Kaninchen mit Gambas oder Languste. Wir haben auch schon ein chinesisches Dampfbrot mit Sobrassada serviert.

Die Fragen stellte José Sevilla.

(aus MM 23/2015)