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Noch ist es zu früh für eine Bilanz des Weihnachtsgeschäfts, das in Spanien ja traditionell bis zum 5. Januar dauert. Aber die ersten Statements der Einzelhändler klingen optimistisch. In Palma herrscht deutlich mehr Weihnachtstrubel als in den Vorjahren, und in den Restaurants war zuletzt kaum ein Platz zu bekommen, denn viele Firmen haben den Brauch der Weihnachtsfeiern wieder aufleben lassen. Daran war in den letzten Jahren gar nicht zu denken. Wer die Wirtschaftskrise Spaniens hautnah erlebt hat, kann sich über solche Stimmungswandel freuen wie ein kleines Kind. Denn "la crisis" hat sehr vielen Menschen im diesem Land zugesetzt, hat sie entweder ärmer gemacht oder zumindest mit Angst erfüllt. Diese Krise hatte längst die Ausmaße einer Depression. Die Regierung Rajoy hat in ihrer Wirtschaftspolitik vieles richtig gemacht. Mit Spanien geht es wieder aufwärts. Obwohl: In den letzten Tagen hat der Ministerpräsident seine Jubel-Arien etwas feingetunt. Neuerdings vergisst er nicht mehr zu erwähnen, dass dieser Aufschwung bei vielen Menschen noch nicht angekommen, dass sein Job noch nicht erledigt ist. Die Arbeitslosigkeit liegt nach wie vor bei 25 Prozent, unter den jungen Leute gar bei 50 Prozent. Und das Lohnniveau derer, die Arbeit haben, kennt nur eine Richtung: nach unten. Rajoy nimmt endlich zur Kenntnis, dass die Schere des Wohlstandes in Spanien im Zuge seiner Krisenintervention stark auseinandergegangen ist - die Reichen wurden reicher, der Rest (nicht nur die "Armen") ärmer. Rajoy hat versäumt, die Lasten der Krise gerecht zu verteilen. Möglicherweise wird er dafür den politischen Preis zahlen müssen - die Protestpartei "Podemos" lauert schon. Warum ausgerechnet zu Weihnachten ein Leitartikel zur Wirtschaftspolitik? Weil die wirtschaftliche Entwicklung in sehr engem Verhältnis steht zum inneren Frieden vieler Menschen. Die spanischen Familien, die in den vergangen Jahren viel ertragen mussten, haben es verdient, wieder zur Ruhe zu kommen. Und das ist doch ein durch und durch weihnachtlicher Wunsch ... Autor: Bernd Jogalla