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Wenn es auf Mallorca eine richtungsweisende Entscheidung zu treffen gilt, dann wollen sie alle mitreden: Politiker, selbst ernannte und echte Experten, Interessensverbände und Lobbygruppen, Gewerkschaften, Anwohner, Nachbarschaftsvereine und Umweltschützer. Meist - eigentlich fast immer - gehen die Meinungen weit auseinander und die Entscheidungsfindung zieht sich dementsprechend zäh in die Länge. Sobald ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegt, gibt es üblicherweise zu allererst einen lauten Aufschrei. Dann zählen Kritiker all die Dinge auf, die gegen das Vorhaben sprechen und deretwegen es auf gar keinen Fall umgesetzt werden kann. Wie so etwas auf dieser Insel abläuft, das lässt sich in diesen Tagen vortrefflich am Beispiel des noch immer nicht beschlossenen Generalplans für den Hafen in Palma beobachten. Eigentlich hätte schon vor 20 Jahren die Frage beantwortet werden müssen, in welche Richtung sich die Stadt und eine ihrer wichtigsten Einrichtungen entwickeln soll. Dass die erste Meereslinie eine Aufwertung verdient, liegt auf der Hand - und das nicht erst seit gestern: Es ist einfach widersinnig, direkt unterhalb der Kathedrale und fußläufig zur Altstadt einen Industriehafen zu unterhalten und gleichzeitig den Kreuzfahrtverkehr ans andere Ende der Stadt zu verbannen. Umgekehrt würde es Sinn machen. Auch dass eine sechsspurige Schnellstraße Palma vom Meer trennt, ist einer Stadt unwürdig, die sich am liebsten als touristische Hauptstadt am Mittelmeer begreifen möchte. Strategische, langfristige Planung ist auf Mallorca eine Seltenheit. Das zeigt nicht nur die Debatte um den Hafenausbau, sondern lässt sich auch in vielen anderen Bereichen beobachten. Der Grund dafür ist die Unmöglichkeit, einen tragfähigen Konsens zu erzielen. Um vorwärts zu kommen, braucht Mallorca dringend eine neue Kultur des Kompromisses. Autor: Jonas Martiny