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Wer mit einem Bus der Linie 7 von Palmas Problemviertel Son Gotleu ins stille, grüne und vornehme Son Vida fährt , sieht ungeschminkt, dass die sozialen Gegensätze auf Mallorca nicht viel weniger krass als in riesigen Millionenstädten sind. Der Unterschied ist, dass hier auf diesem betont internationalen Eiland alles viel kleiner und übersichtlicher ist: Kaum ist ein schlechtes Viertel durchfahren, kommt auch schon nach wenigen Minuten ein etwas besseres. Und in weniger als einer Stunde ist man im Paradies der Wohlhabenden.

Und es gibt noch einen Unterschied: Hält man sich in einer Gegend wie Son Gotleu längere Zeit auf, läuft man nicht wie in einigen Molochen Gefahr, entführt, beraubt oder gleich erschossen zu werden. Klar, eine teure Uhr sollte man auch hier abnehmen, aber Mallorca ist halt eine Insel mit einem allgemein vernehmbaren Sicherheitsgefühl, das fast überall gilt. Und das ist geradezu mehr als sympathisch. Davon kann in riesigen Städten wie Johannesburg, Buenos Aires oder Mexico-City nicht die Rede sein. Dort wird man in ein schlechtes Viertel hineingeboren, wächst dort auf und stirbt dort im Regelfall, manchmal mit einer Kugel im Herzen. Für Angehörige höherer Schichten sind das halt abgekapselte No-Go-Areas, die zu meiden sind. Auf Mallorca sind die Abgrenzungen fließender: Wer in Palma einen halbwegs guten Job ergattert, kann aus „Barrios” wie Son Gotleu oder Son Roca durchaus herauskommen. Dennoch: Auch hier bleiben die Menschen in der Regel in den betroffenen Vierteln.

Wer die sozial so unterschiedlichen Ecken bereist, dem wird einmal mehr klar, dass Mallorca die Welt im Kleinen ist. Wie unter einem Brennglas wird hier der Erdball unverfälscht erfahrbar – mit Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen und mit unterschiedlichster sozialer Herkunft. Diese leben im Großen und Ganzen friedlich zusammen, zwar eher nebeneinander als miteinander, aber immerhin. Und das trägt nunmal entscheidend dazu bei, dass diese Insel so lebens- und liebenswert ist.

Autor: Ingo Thor