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„Lieben Sie Brahms?“ – diese Frage ist, seit Françoise Sagan einen Romantitel daraus gemacht hat, fast schon so etwas wie ein geflügeltes Wort. Gegenfrage: wer liebt ihn nicht? – Es gibt in der Tat nur wenige, die sich nicht für seine Ungarischen Tänze, die Walzer op. 39, die Akademische Festouvertüre, die Haydn-Variationen, die 2. Sinfonie oder das 2. Klavierkonzert begeistern können. Und auch die etwas „sperrigeren“ Werke – die 4. Sinfonie etwa, oder eben das Doppelkonzert, das am 30. Juni im Innenhof von Schloss Bellver zu hören sein wird – sind längst allgemeines Kulturgut, aufgeführt von den Großen der Klassikszene, geliebt von Millionen.

Dieses Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester, op. 102 und damit ein Spätwerk (um das hässliche Wort „Alterswerk“ zu vermeiden), hatte es zunächst schwer, seinen Weg in die Herzen des Publikums zu finden. Selbst Clara Schumann, weiß Gott über jeden Verdacht der Böswilligkeit gegen ihren Freund Brahm erhaben, bemängelte, ihm fehle „ein so frischer, warmer Zug als in vielen seiner anderen Sachen“; Theodor Bilroth gar fand es „trostlos, langweilig, die reine Greisenproduktion“! Allerdings war dieser Herr kein Musiker, sondern Chirurg (was nicht heißen soll, dass Chirurgen in musikalischen Fragen nicht hin und wieder Recht haben können), und seine Äußerung hat sich nur in den Konzertführern gehalten, weil er sie gegenüber Hans von Bülow, dem Dirigenten der Berliner Erstaufführung, getan hatte. Der allerdings sah die Sache anders: „famose Komposition!“ Und Joseph Joachim, für den das Werk geschrieben war und der den Violinpart bei der Uraufführung gespielt hat, zog das Doppelkonzert sogar dem (populären) Violinkonzert vor.

Was erwartet den Hörer? Am Anfang steht ein großangelegter Sonatensatz, dem vier Takte des ganzen Orchesters wie ein Motto vorangestellt sind: zwei Takte mit punktierten Vierteln in fallender Sequenz, gefolgt von einer Steigenden Sequenz in Vierteltriolen. Eine musikalische Tatsache, ein „Faktum“, ähnlich wie das berühmte „Ta-ta-ta-taaa“ zu Beginn von Beethovens fünfter Sinfonie. Und wie Beethoven verarbeitet Brahms dieses einprägsame Grundmotiv nach allen Regeln der Kunst. Bereits in der Orchesterexposition erfährt es eine Vielzahl von sinfonischen Entwicklungen. Zuvor aber zeigen die beiden Solisten in einer Art Doppelkadenz, wer hier das Sagen hat: Geige und Cello! Sie treten, wie es sich für ein Konzert gehört, in Dialog mit dem Orchester: dieses ist mit 2 Flöten, 2 Oboen, zwei Klarinetten, 2 Fagotten, 4(!) Hörnern und zwei Trompeten nebst dem üblichen Streicherapparat typisch romantisch besetzt. Hörner und Klarinetten sorgen für den „warmen“, anheimelnden Ton. Das Ganze ist, typisch für Brahms, sehr differenziert und geistvoll gearbeitet.

Der zweite Satz ist dreiteilig und beginnt in D-dur.Auf zwei aufsteigende Quarten in Holzbläsern und Hörnern folgt ein kantables Hauptthema. Überhaupt ist Sanglichkeit, auch bei den beiden Soloinstrumenten, die oft in parallelen Oktaven geführt werden, ein wesentliches Merkmal des Satzes. Ein choralartiges Holzbläserthema im Mittelsatz (F-dur) verstärkt den Eindruck des ungetrübt Harmonischen.

Im Finale (Vivace non troppo), einem Sonatenrondo, kommt mit einem einprägsamen, tänzerischen Thema, das zunächst vom Solocello angestimmt wird, echte Spielfreude auf. Dramatische Episoden wirken mit ihren Terzen und Sextgängen fast ein wenig „ungarisierend“. Eine wirkungsvolle Coda schließt das Werk in A-dur ab.

Als zweites Werk des Abends steht Mozarts „Jupitersinfonie“ auf dem Programm. Darüber erzähle ich Ihnen in meinem nächsten Beitrag in Kürze mehr.

Bis dahin können Sie sich mit Julia Fischer und Daniel Müller-Schott bei YouTube in das Konzert „einhören“, wenn Sie mögen:

https://www.youtube.com/watch?v=xdRZaruVQU0