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Gestern Abend (06.08.) eröffneten die Balearensinfoniker unter dem Gastdirigenten Sergio Alapont das diesjährige Festival de Pollença im Claustre Santo Domingo mit Beethoven, Mozart und Dvorak. Solist im Klavierkonzert KV482 war der Pianist Kristian Bezuidenhout.

Die „Egmont“-Ouvertüre, die der Goethe-Fan Beethoven zu dessen heroischem Trauerspiel geschrieben hatte, versprach mit ihrem siegreichen, triumphalen Finale, von Alapont mit Verve und Bravour dirigiert, einen großen Abend. Die etwas trockene Akustik im Innenhof des Klosters verstärkte den Eindruck der Schärfe der Violinen, die in diesem Stück in hoher Tonlage (und lange Zeit für „unspielbar“ gehalten) wie in keinem Werk davor von Beethoven eingesetzt wurden. Dass der Abend dann doch nicht ganz so groß wurde, hatte mehrere Ursachen.

Manchmal ist es hilfreich, einen Blick ins Profil eines Künstlers zu werfen, um in etwa erahnen zu können, was einen erwartet. Im Fall des Pianisten Kristian Bezuidenhout erfährt man dabei, dass er der „historisch informierten“ Aufführungspraxis nahesteht: er ist seit 2018 Chef des Freiburger Barockorchesters und arbeitet eng mit Künstlerpersönlichkeiten wie Philippe Herreweghe, Frans Brüggen und Trevor Pinnock zusammen. Man konnte also erwarten, dass er aus dieser (Nischen-)Ecke einiges in das Konzert mit einbringen würde, Tugenden der historischen Sichtweise ebenso wie ihre „Untugenden“. Zu ersteren gehört sicher das Streben nach größtmöglicher Transparenz, nach kammermusikalischer Durchhörbarkeit. Als Untugend wird von vielen hingegen die Absage an jede Art von klanglicher „Wolllust“ empfunden. So wirkte der (Klavier-)Ton in Mozarts 22.Konzert (KV482) stellenweise merkwürdig fahl, viele Passagen schienen una corda gespielt, non legato beherrschte den Vortrag durchgehend. Bezuidenhout kommt ursprünglich vom Hammerflügel, und es schien, als wolle er das Ausschöpfen der Möglichkeiten eines modernen Konzertflügels hinsichtlich Volumen und Farbigkeit des Klanges fast ängstlich vermeiden. Sicher: Geläufigkeit und technische Beherrschung konnte man dem Pianisten schwerlich absprechen. Er ist zweifellos ein Meister seines Instruments. - Die Originalpartitur Mozarts zu KV482 enthält keinen ausgeschriebenen Klavierpart, der Pianist ist auf Improvisation angewiesen. Dass Bezuidenhout dabei absolut stilsicher vorging, konnte man bei einem Spezialisten seines Kalibers erwarten. Aber er beschränkte sich auf das Repertoire barocker Auszierungen. Andere Pianisten (die nicht aus der historisch informierten Praxis kommen) sind da mutiger – und kreativer. Allen voran beispielsweise Francesco Nicolosi (der übrigens am 17.August, mit einem Schubert-Programm, ebenfalls in Pollença zu hören sein wird). – Auch die Wahl der Solokadenz (von Mozart ist zu diesem Konzert keine überliefert) wirft ein Licht auf die Beziehung des Pianisten zum Komponisten. Dass Bezuidenhout nicht die stilistisch gewagte Britten-Kadenz spielen würde, war zu erwarten. Was er dann schließlich bot, war sicher im Geiste Mozarts, aber erschöpfte sich in barocken Fugati und dem Triller- und Läufe-Fundus einer schon zu Mozarts Zeit vergangenen Epoche. So ging man mit ziemlich gemischten Gefühlen in die Pause. ---

Dvoraks 8.Sinfonie gilt als seine Pastorale. Und das nicht ohne Grund: Vogelgesang, das Gefühl von Entspannung und Glück sind genauso enthalten wie die Inspiration durch Lieder und Tänze seiner tschechischen Heimat und poetische Eindrücke aus seinem Garten, den er „wie göttliche Kunst selbst“ liebte. Sergio Alapont legte das Werk auf den Seziertisch und beleuchtete es mit dem harten Licht eines Operationssaals (Für Synästheten: im oberen Bereich der Kelvin-Skala, ab 5000K aufwärts!). So kam die verführerische und originelle Melodik Dvoraks nicht so richtig zum Blühen. Und wieder war es die trockene Akustik, die einem warmen, geschmeidig-vollen Sound entgegenwirkte. Der Bläser-Apparat, vor allem das Blech, kam recht scharfkantig über die Rampe.

Alapont verfügt über ein beträchtliches Charisma, sein Dirigat – sehr akkurate, präzise Zeichengebung – hatte „Schmackes“. Der Drive, mit dem er den Paukisten befeuerte, führte allerdings in die Nähe der Effekthascherei. Aber die kam beim Publikum an, so sehr, dass der Dirigent die Coda des Finales als Zugabe noch einmal spielen ließ, mit noch einmal gesteigertem Furor. Und der war ein sicheres Mittel, standing ovations zu provozieren.