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Der japanische Dirigent Joji Hattori wird am kommenden Donnerstag das Auftaktkonzert der Wintersaison im Trui Teatre leiten. Ich habe ihn zum Interview im Probenraum des OSIB, der Sonoteque im Gebäude der Nova Televisó in Palma, nach einer Probe getroffen, in der das Triplekonzert von Beethoven den letzten Schliff erhielt. Wir sprachen über das Programm, den Orchesterklang und Tradition. Aus dem geplanten kurzen Interview wurde eine halbe Stunde. Deshalb habe ich es in der Niederschrift aufgeteilt. Lesen Sie hier den ersten Teil, der zweite folgt morgen.

Martin H. Müller: Maestro Hattori, Sie haben gerade das Finale aus dem Tripelkonzert von Beethoven geprobt, das im Mittelpunkt des bevorstehenden Konzerts steht. Lassen Sie uns deshalb damit beginnen. Das Tripelkonzert steht ja sehr im Schatten der fünf Klavierkonzerte und des Violinkonzerts. Würden Sie trotzdem sagen, es ist gleichwertig mit den großen Solokonzerten Beethovens?

Joji Hattori: Sagen wir so: für mich ist das Tripelkonzert das Cellokonzert, das Beethoven nie geschrieben hat. Man kann es natürlich nicht mit den Klavierkonzerten vergleichen, denn der Klavierpart ist zwar nicht leicht, aber trotzdem nicht so anspruchsvoll wie in den Klavierkonzerten. Es ist wirklich ein Konzert für Streichinstrumente, in dem das Klavier eine eher spielerische Rolle einnimmt. Im Mittelsatz spielt das Cello eine tragende Rolle. Übrigens hat auch Brahms, von dem es ebenfalls kein Cellokonzert gibt, im langsamen Satz seines zweiten Klavierkonzerts ein großes Cellosolo geschrieben. Und auch im Tripelkonzert können sich die Cellisten austoben.

MHM: Und trotzdem haben immer wieder auch namhafte Pianisten im Tripelkonzert mitgewirkt. Ich denke da an Svjatoslav Richter oder den kürzlich verstorbenen Lars Vogt. Also ist für Pianisten dann doch was dabei…

JH: Auf jeden Fall. Die andere Sache ist die, dass es dabei um das Trio geht. Es gibt einige Stellen, wo nur zu dritt musiziert wird, und da ist natürlich auch die Qualität des Pianisten ausschlaggebend.

MHM: Ich freue mich auf jeden Fall, das übermorgen unter Ihrer Leitung zu erleben. – Meine Kritik über Ihr letztes Konzert hier – Sie spielten Mozart, Haydn und Beethoven auf Schloss Bellver – habe ich mit den Worten „Kulinarisches aus der Sterneküche“ überschrieben, weil ich glaubte, dass der Restaurantchef und der Orchesterchef etwas miteinander zu tun haben. (Anmerkung: Joji Hattori betreibt in Wien ein japanisches Feinschmeckerlokal.) Ich fand den Klang in diesem Konzert sehr „kulinarisch“, im Gegensatz zu so manchem, was man in der „historisch informierten“ Aufführungspraxis zu hören kriegt. Sehen Sie denn selbst auch einen Zusammenhang zwischen Küche und Konzertpodium?

JH: Insofern ja, als ich sowohl im Restaurant als auch im Konzert etwas für meine Gäste und Besucher tun will, etwas, das sie auch wirklich mögen. Es gibt so viele Künstler, die in ihrem Perfektionismus und Purismus einer abstrakten Idee dienen, die etwas anderes ist als das, was die Menschen mögen. Und die Musikwissenschaftler analysieren diesen Purismus im Hinblick darauf, wie es früher bei Bach und Mozart geklungen haben könnte. Heute haben wir moderne Instrumente, und vielleicht hätte sich Mozart ja gefreut über diese Entwicklung.

MHM: Das denke ich manchmal auch…

JH: Wir haben heute andere Möglichkeiten, wie können zum Beispiel mehr Vibrato machen. – Ich möchte meinem Publikum einfach das schönste, das bekömmlichste Erlebnis bieten, und da geht es überhaupt nicht darum, wie das vor 200 Jahren gemacht wurde. Die Menschen ändern sich und erwarten heute etwas Anderes, und diese Erwartungen möchte ich mit meiner Musik erfüllen. Ich bin zwar ein Perfektionist, aber überhaupt kein Purist.

MHM: Ich bin richtig glücklich, dass Sie das so sehen. - Das Konzert am Donnerstag folgt dem bewährten Aufbau „kurzes Orchesterstück – Solistenkonzert – große Sinfonie“. Sie haben ein Spätwerk ihres Landsmannes Toru Takemitsu an den Anfang gestellt, ein Stück Filmmusik, „Music for Training and Rest“. Warum gerade dieses Stück?

JH: Eigentlich wollte ich gar keine Ouvertüre haben, aber der künstlerische Leiter…

MHM: …Pablo Mielgo…

JH: …genau, er hat mich gebeten, zu Beginn ein kurzes, interessantes Stück, möglichst aus meiner Heimat, zu spielen. Und da fiel meine Wahl auf eines meiner Lieblingsstücke von Takemitsu, der sich zunächst ja als Filmkomponist profiliert hat, nur fünf Minuten und nur für Streicher. Überhaupt entspricht die Filmmusik in der heutigen Zeit viel mehr meinen künstlerischen Vorstellungen: etwas, das gebraucht wird und das die Leute mögen. Und, seien wir doch mal ehrlich: die Filmkomponisten unserer Zeit haben ihr Handwerk viel besser drauf als die meisten Avantgardisten.

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MHM: Den Eindruck teile ich mit Ihnen, wenn ich da nur an Morricone und die ganzen Großen denke. Ich glaube, das ist eigentlich die moderne Musik, die das Publikum heute hören möchte.

JH: Exakt. Und trotzdem ist es eine hochwertige Musik. Takemitsus Musik hat unglaublich schöne Farben, mit denen er „malt“.

MHM: Das zweite große Werk des Abends ist die erste Sinfonie von Brahms. Die haben Sie sicher nicht nur aufs Programm gesetzt, weil gerade der 125. Todestag von Brahms begangen wird?

JH: Das hat damit überhaupt nichts zu tun, solche Zahlen interessieren mich nicht. Nebenbei: ich finde es auch nicht nett, wenn Todestage „gefeiert“ werden, wenn schon, dann Geburtstage! Nein, die Erste von Brahms ist einfach meine Lieblingssinfonie unter seinen vieren, obwohl es seine erste ist…

MHM: ....die 14 Jahre Schwangerschaft hinter sich hatte, bis sie geboren wurde…

JH: …von der ersten Idee an sogar fast 20 Jahre. Aber er hat wirklich 14 Jahre daran geschrieben. Unglaublich. Mozart konnte in vier Tage eine Sinfonie schreiben. Brahms hat 40 Jahre seines Lebens gewartet, bis er überhaupt eine Sinfonie komponierte.

MHM: Und außerdem musste er noch den Misserfolg seines ersten Klavierkonzerts „verdauen“…

JH: …wobei dieser Misserfolg sehr unfair war! – Unerhört finde ich das Finale, wie sich alles in diese himmlische Melodie auflöst, die sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit der Freudenmelodie in Beethovens Neunter hat!

MHM: Da habe ich etwas Nettes gelesen. Als er auf diese Ähnlichkeit angesprochen wurde, soll er gesagt haben „Komisch, dass das jeder Esel gleich merkt!“

JH: (lacht) Und es passt auch zu meiner Philosophie, sowohl in meinem Restaurant als auch in meinem musikalischen Tun: wenn ich etwas entdecke, das mich beeindruckt, eine Sauce vielleicht, dann versuche ich sie nachzukochen. Und wenn ich bei einem meiner Dirigentenkollegen beispielsweise auf ein Crescendo stoße, das so nicht in der Partitur von Brahms steht, aber seine Intention emotional unterstützt, dann „stehle“ ich die Idee und mach das auch so. Das ist nicht Imitieren von anderen Künstlern, sondern das Sammeln von guten Ideen, aus denen ich etwas Eigenes mache. Das ist doch in der Architektur genauso. Wenn ich einen Konzertsaal mit der perfekten Akustik habe, warum soll ich dann die Maße nicht übernehmen? Ich finde, es ist ein völlig falscher Stolz, immer etwas Neues machen zu wollen, nur um originell zu sein…

MHM: …also immer wieder das Rad neu erfinden zu wollen…

JH: Genau! Oder die Form einer Geige! Die hat sich in Jahrhunderten bewährt, warum sollte man sie auf einmal viereckig oder dreieckig machen?

MHM: Tradition ist eben nicht nur „Schlamperei“, wie Mahler das ausgedrückt hat!

(Fortsetzung folgt.)