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Fünf junge, unverbrauchte Stimmen – sie gehörten Sängerinnen und Sängern von der Hamburger Staatsoper, allesamt dem Elevenalter entwachsen und am Beginn einer möglicherweise großen Karriere – zauberten im Abschlusskonzert des diesjährigen Festival de Bellver gestern Abend noch einmal Belkanto-Magie in den nachtschwarzen Himmel und in die Herzen des zahlreich erschienenen Publikums. Das Konzert war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Der Zauberstab lag in den Händen von Chefdirigent Pablo Mielgo. Das ist nicht wörtlich zu nehmen, denn Mielgo verzichtet seit Jahren auf den Taktstock, weil diese Dompteurpeitsche längst nicht mehr nötig ist, um den Musikerinnen und Musikern des Balearen-Sinfonieorchesters jenen luxuriösen Klang zu entlocken, der mittlerweile zu seinem Markenzeichen geworden ist.

Arien und Duette aus Opern von Bizet, Donizetti, Bellini, Gounod, Verdi und Rossini standen auf dem Programm, emotionsgeladene Grande Opéra und heiter-beschwingte Opéra buffa also, Ohrwürmer aus dem reichen Repertoire der Opernliteratur des 19. Jahrhunderts. – Den Anfang machte die Carmen-Suite von Bizet – die Oper rückwärts, beginnend mit dem Todesmotiv und endend mit der Ouvertüre. In der großartigen Akustik des Schlosshofs wurde die Klangpracht der Partitur, mit großer Spielfreude und feinem Fingerspitzengefühl entfaltet, zu einem wahren Ohrenschmaus. Der an sich unübliche Applaus zwischen den einzelnen Sätzen der Suite war nicht zu bremsen. – Mit Bizet ging’s weiter. Der Bass-Bariton Liam James Karai gestaltete die berühmte Toredor-Arie mit stählernem Timbre und großer Präzision. Mit „Una furtive lagrima« aus Donizettis „Liebestrank« ließ der Tenor Aaron Godfrey Mayes aufhorchen: der lyrische Schmelz und die unverkrampfte Leichtigkeit seiner Tongebung prädestinieren ihn zu einer großen Karriere. Im nachfolgenden Duett „Chiedi all’aura«, ebenfalls aus dem „Liebestrank«, ging er eine stimmlich beglückende Liaison mit der Sopranistin Y.K.Jang ein. Mit zwei Arien von Bellini entführten die Mezzosopranistin Claaire Gascoin und der Bariton Grzegorz Pelutis das Publikum in das Gefühlskino der Grande Opéra. – Mit einem Ohrwurm aus Donizettis „Don Pasquale«, dessen Melodie dem Opernkenner bereits aus der Ouvertüre bekannt ist, entließ Y.K.Jang ein hochgestimmtes Publikum in die Pause.

Danach ging’s mit Gounod weiter. Erst die klanggewaltige Ouvertüre zu „Faust«, dann die beschwingte Arie „Je te yeux« aus „Roméo et Juliette«. Mit einer Arie aus Verdis „Falstaff«, der letzten Oper des 80-Jährigen, in der er sich noch einmal der Komischen Oper zugewandt hatte, ließ Pelutis erahnen, dass seine Stimme durchaus auch zum Heldenbariton taugt. Ein Ausflug in die große russische Oper – hier von Rachmaninow – leitete zu Rossini (eine Bravour-Arie aus „La Cenerentola«) und noch einmal zu Bizet (das hinreißend belkantische Duett „Au fond du Temple Saint« aus den „Perlenfischern« über. Für die standing ovations gab’s als Dankeschön noch was zum Mitsingen und für einen unvergesslichen Nachklang auf dem Nachhauseweg: das Trinklied aus der „Traviata« versüßte den Abschied von einem großartigen Festival. Und wohl kaum ein Opernfreund verließ das Schloss ohne das Gefühl, reich beschenkt worden zu sein. Und auch nicht ohne Vorfreude auf die Wintersaison (deren Programm leider noch nicht raus ist). Denn, wie wir Mielgo kennen, wird’s auch da sicher wieder die eine oder andere Gala lirica geben.