Charakterfehler oder Persönlichkeitsstörung? Was dahinter stecken kann ...
Heute möchte ich Ihnen von Menschen erzählen. Menschen, die Erfahrungen machen mit anderen Menschen. Sei es in Liebes- oder Geschäftsbeziehungen, in Freundschaften oder innerhalb der Familie. Ich möchte Ihnen auch von den Menschen erzählen, die aufgrund ihres Verhaltens in die eine oder andere Ecke gestellt werden. „Mein Ex ist ein waschechter Narzisst», „Deine Kollegin ist ein hoffnungsloser Gutmensch». Moderne Ausdrücke wie „People Pleaser» kommen heute noch dazu. Es gibt Menschen, die extrem perfektionistisch sind oder gar zwanghaft in ihrem Verhalten. Das alles kann so weit gehen, dass eine psychische Erkrankung, eine sogenannte Persönlichkeitsstörung definiert wird.
Den meisten Persönlichkeitsstörungen gleich ist die Tatsache, dass die Betroffenen nicht das Gefühl haben, dass sie „gestört» sind, sprich sie werten ihr Verhalten als normal. Im Gegenteil kann es sogar vorkommen, dass sie ihre Mitmenschen für „gestört» halten. Dabei soll der Ausdruck „gestört» lediglich zur Unterscheidung zwischen gesellschaftlich anerkanntem Verhalten und Abweichungen davon dienen und ist keinesfalls als Bewertung gemeint. Da sie sich und ihr Verhalten als normal empfinden, haben sie natürlich auch wenig bis keine Motivation, ihr Verhalten zu reflektieren oder gar ändern zu wollen. Psychologische Hilfe wird nur äußerst selten in Anspruch genommen. Im Grunde nur dann, wenn das nähere Umfeld, Eltern, Partner oder Chefs es anregen oder verlangen. Betroffene Menschen werden auch in Therapie und Beratung häufig Schwierigkeiten haben, sich zu reflektieren oder zu verstehen, dass und warum sie mit den gewohnten Verhaltensmustern anecken.
Eine, aus meiner Sicht, gute Möglichkeit ist, zunächst zu lernen, sich und sein Verhalten zu akzeptieren und dann in ganz kleinen Schritten Veränderungen auszuprobieren. Um das überhaupt zu ermöglichen, braucht es viel Sicherheit und Stabilität, auch vom Umfeld. Das wiederum bedeutet oft eine große Herausforderung und Belastung für alle Beteiligten. Übrigens tragen die meisten Menschen mehr oder weniger stark ausgeprägte Züge von fast allen Persönlichkeitsstörungen in sich. Meistens kommen diese nur in besonders herausfordernden Zeiten und Stresssituationen zutage. Auch schwere Schicksalsschläge können dazu beitragen, dass Menschen zum Beispiel große Ängste entwickeln oder extrem misstrauisch oder zwanghaft werden. Dann handelt es sich aber eher nicht um klassische Persönlichkeitsstörungen. Diese zeigen sich oft schon in der Kindheit. Dabei wird in Fachkreisen heute stark diskutiert, ob Persönlichkeitsstörungen schon vor dem 16. Lebensjahr diagnostiziert werden können und sollten.
„Erste Symptome einer schwerwiegenden Störung der Persönlichkeit, wie zum Beispiel das ,Vermeiden von Alleinsein’, ,chronische Leere’, ‚starke Gefühlsschwankungen’, ,hohe Impulsivität’ oder ‚intensiver Ärger’ treten schon vor dem 16. Lebensjahr auf. Persönlichkeitsstörungen sollten daher bereits bei Jugendlichen und nicht erst bei Erwachsenen diagnostiziert werden, um möglichst frühzeitig mit einer entsprechenden Therapie zu beginnen. Damit kann man eine Chronifizierung verhindern«, erklärt Professor Dr. Kathrin Sevecke, Direktorin der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Dabei muss unterschieden werden zwischen einer Persönlichkeitsstörung und einer temporären Entwicklungskrise, die insbesondere im Rahmen der Pubertät vorkommen kann. „Entgegen früherer Einschätzungen, dass Persönlichkeitsstörungen nur sehr schwer oder kaum therapierbar sind, gibt es inzwischen ausreichend Belege dafür, dass diese Störungsbilder gut zu behandeln sind, wenn spezifische psychotherapeutische Behandlungsverfahren eingesetzt werden.» Persönlichkeitsstörungen stellen somit sowohl unbehandelt, vor allem aber unter Behandlung, kein lebenslanges und unveränderbares Schicksal dar. An der Innsbrucker Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie ermöglicht eine zeitgemäße multimodale Behandlung der psychisch erkrankten Kinder und Jugendlichen eine optimale Therapie und Behandlung. Das umfasst Psychotherapie sowie additive Fachtherapien, wie beispielsweise Ergo-, Sport- oder Kunsttherapien. „Eine medikamentöse Behandlung von Kindern und Jugendlichen steht nicht im Vordergrund, kann aber zum langfristigen Therapieerfolg unter Umständen notwendig sein,» sagt Sevecke.
Es gibt zehn Persönlichkeitsstörungen, von denen die folgenden am häufigsten auftreten:
Borderline-Typus: Innere Leere, Angst davor, in Beziehungen verlassen zu werden, instabile Beziehungen, Probleme, Gefühle zu kontrollieren und impulsives Verhalten.
Ängstlich-vermeidender Typus: Vermeidung von zwischenmenschlichem Kontakt aufgrund der Angst vor Zurückweisungen.
Histrionischer Typus: Nach Aufmerksamkeit heischendes und dramatisches Verhalten.
Abhängiger Typus: Unterwerfung und Abhängigkeit (aufgrund des Bedürfnisses, umsorgt zu werden).
Da Betroffene mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung aufgrund des Störungsbildes „tiefgreifendes Überlegenheitsgefühl (Größenwahn), Drang nach Bewunderung und fehlendes Mitgefühl» eher selten statistisch erfasst werden, zählen sie möglicherweise auch zu den häufig vorkommenden Persönlichkeitsstörungen. Es wird geschätzt, dass fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an einer Persönlichkeitsstörung erkranken.
Während Geborgenheit und Fürsorge der Eltern eine Schutzfunktion vor Störungen der Persönlichkeit haben, können Heimaufenthalte, Trennungs- und Verlusterlebnisse, Vernachlässigung, Gewalt, körperliche und sexuelle Misshandlungen die Persönlichkeitsentwicklung belasten. Entsprechende Erfahrungen in der Kindheit können sogar zu Veränderungen bestimmter Gehirnstrukturen führen. Das kann dauerhaft beeinflussen, wie Gefühle erlebt werden, wie der Umgang mit anderen Menschen gestaltet wird. Positive und negative Vorbilder in der Familie können ebenfalls Einfluss nehmen, etwa in Bezug auf das Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen, aber auch Ängstlichkeit und Vermeidung und das Rollenverhalten, also die Geschlechterrollen in der Familie.
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