Konzertführer: Skandinavische Romantik und russische Bekenntnismusik

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Das nächste Abokonzert im Auditorium am kommenden Donnerstag bestreiten, zusammen mit dem OSIB, zwei Gäste: der spanische Dirigent Victor Pablo Pérez und der junge Senkrechtstarter am Klavier Martin García García führen das Klavierkonzert in a-moll von Grieg und die zehnte Sinfonie von Schostakovich auf.

Edvard Grieg weilte auf Urlaub in Dänemark, als er, gerade mal 25, beschloss, ein großes Konzert für Klavier und Orchester zu komponieren. Zehn Jahre zuvor hatte er Clara Schumann das Klavierkonzert ihres Mannes in Leipzig spielen hören und war hingerissen. Dieses Konzerterlebnis war so nachhaltig, dass sein eigenes Klavierkonzert in vielerlei Hinsicht unüberhörbare Parallelen zu dem großen Vorbild erkennen lässt. Dennoch ist es weit davon entfernt, bloßes Plagiat zu sein. Es steckt voller eigener frischer Ideen und hübscher folkloristischer Anklänge an seine norwegische Heimat. Wie Schumann beginnt er mit einem furiosen Paukenschlag, gefolgt von Akkord-Kaskaden. Auch das Hauptthema kann seine Ähnlichkeit mit Schumann nicht verleugnen.Ein tänzerisches Motiv schließt sich an. Keck virtuos spielt Grieg mit seinem Material – eine technische Herausforderung für den Pianisten. Der zweite Satz ist von lyrischer Schönheit. Hören Sie nur, wie schwelgerisch das Klavier einsetzt! Im Finale dominiert von Anfang anjugendliche Spielfreude. Die Flöte stimmt ein kontrastierendes zweites Thema an, das dann gegen Ende zu voller Power aufläuft und auch die wirkungsvolle Coda bestimmt. – Zu Ihrem Amüsement will ich wiedergeben, was Komponistenkollege und Kritiker Hugo Wolf nach der Uraufführung schrieb: das Konzert sei gerade gut genug, „Brillenschlangen in Träume zu lullen oder rhythmische Gefühle in abgerichteten Bären zu erwecken. … In den Konzertsaal taugt es nicht.„ Hugo Wolf war ein Stänkerer aus Prinzip. Auch an Brahms ließ er kein gutes Haar. Dabei brachte er selbst außer vielleicht seiner Tondichtung „Penthesilea„ nichts zustande, was heute noch auf den Podien der Welt gespielt wird. Er starb im Irrenhaus. - Es war übrigens Wilhelm Backhaus, der das Konzert erstmals auf Tonträger aufnahm, technisch bedingt damals natürlich stark gekürzt. Das und mehr erzählt Ihnen der Kabarettist Michael Lohse in seinem wdr3-Podcast „Meisterstücke„ sehr anschaulich und amüsant.

Nach der Pause wird’s dann hochaktuell: Schostakovich verarbeitete 1953, nachdem Stalin gestorben war, in seiner zehnten Sinfonie seine bitteren Erfahrungen mit dem Terror-Regime des Diktators. Schostakovichs Leben war eine Achterbahnfahrt sondersgleichen, ein Wechselbad aus Anerkennung und Ächtung seines Werkes durch die stalinistische Zensur, ein Leben zwischen Triumph und lebensbedrohender Verfolgung. Laut eigener Aussage stellt die Zehnte ein Porträt des Tyrannen dar, eine Abrechnung mit der ganzen Ära. Die Musik geriet dabei nicht zu einem optimistisch-übermütigen Triumph, die Sinfonie beginnt eher verhalten, Zweifel bleiben. Denn auch dem neuen Kreml-Chef Chrustschow gegenüber schien Misstrauen angebracht. – Was in der Sinfonie immer wieder anklingt, ist Schostakovichs persönliches Signet in Gestalt der Tonfolge d.es-c-h, den in Musik gesetzten Initialen des Komponisten. Es ist eine verschlüsselte Botschaft, wie es deren viele in seinem Werk gibt: „Ich lebe noch!„ – Angesichts des aktuellen russischen Diktators, Putin, gewinnt die Aufführung der Zehnten just in diesen Tagen eine beklemmende Aktualität. Einen guten Einblick in Form und Bedeutung des Werkes bekommen Sie – mit vielen Musikbeispielen – in dem Podcast von wdr3 mit Michael Lohse. Auch in der Reihe „Das starke Stück„ gibt es einen erhellenden Beitrag zum Stück. Karten gibt’s wie immer online auf der Webseite des Auditoriums.