Konzertkritik: Pianistische und orchestrale Virtuosität in Höchstform

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Mit Rachmaninoffs zweitem Klavierkonzert und Musik von Manuel des Falla gab’s gestern Abend ganz großes Kino für die Ohren im Auditorium. Für das Klavierkonzert konnte man den hochvirtuosen jungen russischen Pianisten Dmitry Shishkin gewinnen, und beim de Falla ließen es die Sinfoniker, ganz im Sinne des Werkes, mal so richtig krachen. Pianist und Orchester liefen zu virtuoser Bestform auf, was mit frenetischem Applaus belohnt wurde.

Das zweite Klavierkonzert von Rachmaninoff vereint atemberaubende Fingerakrobatik, suggestive Rhythmik, schwelgerische Kantilenen in einem hollywoodesken Arrangement zu einem opulenten Wohlfühl-Vollbad, das weniger auf den Intellekt als vielmehr auf die emotionelle Rezeption abzielt. War zu Beginn noch nicht so recht klar, in welche Richtung der Pianist gehen wollte, so wurde es spätestens im Mittelteil des ersten Satzes mit seinen grandiosen Steigerungen deutlich, als Shishkin seinen Ton gefunden hatte: akrobatisch auftrumpfend, wo es die Partitur hergab, melodienselig in den schwärmerischen Kantilenen, facettenreich artikulierend im Mittelsatz und geradezu explosiv aufgeladen in der atemberaubenden Coda des Finales. Mielgo zog alle Register klanglicher Prachtentfaltung, ließ die Streicher, allen voran die Bratschen ,üppig-wollüstig vibrieren. Großartig die Flöten, wenn sie die melodischen Bögen über den gebrochenen Akkorden des Klaviers im zweiten Satz spannten, zum Niederknien schön das Fagott im Dialog mit dem Solisten. Strahlendes Blech, voluminöse Kontrabässe und ein präzise Akzente setzendes Schlagwerk vervollständigten das raumfüllende Klangerlebnis. Bereits nach dem ersten Satz war das Publikum nicht zu halten und applaudierte. Für den Schlussapplaus bedankte sich der Pianist mit einer Zugabe, in der er noch einmal die ganze Bandbreite seines virtuosen Könnens vorführte. –

Manuel d Falla war den Spaniern 28 Jahre lang täglich präsent als bereits gebrechlich wirkender alter Mann mit fast depressivem Blick hinter der Nickelbrille, als der er auf den 100-Pesetn-Scheinen dargestellt wurde und bis zur Einführung des Euro im Jahr 2002 in den Portemonnaies kursierte. Wer seine Musik nicht kannte, konnte angesichts dieses Porträts unmöglich ahnen, dass auch er einmal jung gewesen war und vitale, kraftvolle Musik geschaffen hatte. Sein Ballett „El sombrero de tres picos«, aus dem gestern Abend Ausschnitte erklangen, hatte er mit 41 Jahren komponiert, für den Impressario Sergei Djagilew, dessen „Ballets russes« im ersten Drittel des 20.Jahrhunderts in Europa revolutionär und stilprägend die Ballett-Szene veränderten. Wer damals etwas auf sich hielt, komponierte für ihn: Strawinsky, Debussy, Ravel, Satie, Poulenc – und eben auch de Falla. Nicht alle Aufführungen waren so skandalträchtig wie Strawinskys ‚Sacre du Printemps‘ 1913 in Paris, aber innovativ, kraftvoll und vital waren sie alle. De Fallas Musik zeichnet sich durch eine raffinierte Kombination aus klassischer Form, archaischen Rhythmen und Melodien der spanischen Folklore aus, das Ganze fantasie- und effektvoll orchestriert. Die Sinfoniker spielten sie, als sei die Tinte auf den Notenblättern noch nicht trocken, frisch und neu, als sei sie eben erst komponiert worden. Dabei ließ es Mielgo tüchtig krachen und zog das Publikum in einen Taumel der Begeisterung. Entsprechend orgiastisch war der Beifall. – Dieser Klangvulkan bricht heute Abend noch einmal im Auditorium von Manacor aus. Karten gibt’s hier.