Mit einem doppelten Debüt ging gestern Abend die Temporada 2024/25 im Auditorium zu Ende: beide, die Geigerin Alena Baeva und der Dirigent Antonio Méndez, waren zum ersten Mal bei den Balearen-Sinfonikern zu Gast. Und beide ließen das Konzert zu einem finalen Saison-Highlight werden. Dazu bedurfte es nicht einmal der großen Repertoire-Knaller: beide Werke des Abends assoziiert das Publikum nicht an erster Stelle mit dem jeweiligen Genre. Zur Gattung Violinkonzert fällt den Meisten Sibelius erst lang nach Beethoven, Tschaikowsky oder Mendelssohn ein. Und die vierte Sinfonie von Brahms stand von Anfang an im Schatten der liebenswürdigen Zweiten und der Wunschkonzert-verdächtigen Dritten.
Im ersten Teil des Abends gelang es der jungen Virtuosin aus Russland, den eher unterkühlten Charme des Sibelius-Konzerts, von dem eine Kollegin einmal gesagt hat, man höre ihm an, dass es es am Polarkreis entstanden sei, zu mitreißender Vitalität zu erwecken. Tonschön kristallisierte sie die melodischen Momente vor allem im zweiten Satz heraus, ließ die fast gassenhauerischen Motive des Finales mit rhythmischer Verve erstrahlen. Ihre Performance bestach durch eine „magnetische Präsenz«, und eine „faszinierende Klangtechnik« wie es die New York Classical Review einst formuliert hat. Und man darf die „magnetische« Anziehungskraft getrost auch auf das rein Optische beziehen. Das Auge hört ja bekanntlich immer mit. Solange visuelle Eindrücke das auditive Element nicht in den Hintergrund drängen, ist das auch durchaus in Ordnung. – Baeva bedankte sich für den euphorischen Applaus mit einer hochvirtuosen, neckischen „Polnischen Caprice«.
Auch für den Mann am Pult gibt es so etwas wie eine Ästhetik des Dirigierens. Die Typologie des Dirigenten umfasst eine breite Skala der optischen Präsentation. Von Otto Klemperer, der mit geballten Fäusten den Takt schlug, über Karl Böhm, dessen mikroskopisch kleine Bewegungen ein Fernglas nötig machten, über Leonard Bernstein, dessen Zeichengebung zum Ausdruckstanz geriet, über Sergiu Celibidache, der seine Zeichengebung durch guttural ins Orchestergebrüllte Kommandos ergänzte, bis hin zu Richard Strauss, der die Linke in der Tasche behielt und dessen Rechte nur in sparsamen Zuckungen dem Orchester zeigte, wo’s lang gehen sollte: der Dirigent ist immer auch ein wenig Schauspieler. Wenn das Orchester seinen Impulsen nicht folgt, war’s eben nur Show. Gute Musiker erkennen so etwas schon beim ersten Takt.
Antonio Méndez nun, um wieder zum gestrigen Konzert zurückzukehren, gehört jenem charismatischen, dynamischen und suggestiven Dirigententyp an, dessen ausladende Bewegungslinien, nicht ohne Grazie, dem Orchester (und dem Publikum!) seine Auffassung vermitteln. Dabei wirkt er umsichtig, detailversessen, ohne die große Linie aus dem Blick zu verlieren, und vermittelt den Einduck, das Geschehen zu jedem Zeitpunkt unter Kontrolle zu haben. Seine Interpretation der Vierten von Brahms war für die Zuschauer auch visuell erlebbar: eine hochemotionale Wiedergabe mit clever aufgebauten Steigerungen und einer mitreißenden Dynamik. Die Musik lebte. Der Schlussapplaus wollte nicht enden. – Nach einer wohlverdienten Pause kehren die Sinfoniker am 26. Juni zum Festival de Bellver zurück. Das Programm gibt’s auf der Website des Orchesters. Ich werde Sie in Kürze ausführlich über die einzelnen Konzert informieren.
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