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Ihr Name ist ein Rätsel, ein Geheimnis, das bislang von niemandem gelüftet werden konnte. Und dennoch ist die „Milizionärin" eine der herausragenden Persönlichkeiten des Spanischen Bürgerkrieges auf Mallorca, bekannt geworden durch ihre Tagebuchnotizen, die in einer Abschrift erhalten geblieben sind.

Der Tod der jungen Frau hat sich vor zweieinhalb Wochen zum 75. Mal gejährt. Ihre sterblichen Reste wurden, nachdem die Frau am Friedhof von Manacor hingerichtet worden war, verbrannt und mit Ätzkalk in einem Massengrab beseitigt, gemeinsam mit anderen erschossenen Menschen.

Geblieben ist von der Mitte-20-Jährigen ein Foto, das wenige Stunden vor ihrem Tod aufgenommen wurde. Es zeigt die Frau gemeinsam mit vier weiteren Kameradinnen, in groben Blaumännern, wie sie von Arbeitern getragen werden, samt dem Abzeichen des Roten Kreuzes am linken Oberarm.

Die Frauen waren als Krankenschwestern nach Mallorca gekommen, im Gefolge des republikanischen Expeditionsheeres, das im Sommer 1936 vergeblich versuchte, die Insel von den Franquisten zurückzuerobern. Die Frauen pflegten Verletzte und Verwundete, wurden selbst beschossen und gerieten am Ende - unter Bruch der Genfer Konventionen und der internationalen Vereinbarungen für Sanitätspersonal im Kriegsfall - in Gefangenschaft. Nach einer nächtlichen Gewaltorgie in Manacor, samt Folter, Misshandlungen und Massenvergewaltigungen, starben die fünf Frauen im Kugelhagel des Hinrichtungspelotons.

Das Tagebuch selbst, das Original, ist verschwunden. Es handelte sich um ein Heft, in das die Autorin ihre Erlebnisse seit Beginn der militärischen Expedition festgehalten hatte. Bei ihrer Gefangennahme wurde ihr das Manuskript weggenommen. Es gilt als sicher, dass der italienische Faschistenführer Conde Rossi es zeitweise in Besitz nahm. Rossi, der in Wirklichkeit Arconovaldo Bonacorsi hieß, spielte in jenen Kriegstagen eine unheilvolle Schlüsselrolle im Inselosten. Er war der ideologische Scharfmacher, der den spanischen Waffenbrüdern zur Seite stehen sollte und indirekt das Kommando führte.

Auch wenn der Verbleib des Tagebuchs im Dunkeln liegt, wurde in der militärischen Kommandantur sehr wohl eine maschinenschriftliche Abschrift mit drei Kohlepapier-Durchschlägen erstellt, so dass der Inhalt der Notizen bekannt ist.

Aus den Aufzeichnungen lässt sich ableiten, dass die junge Frau aus Barcelona stammte und vor dem Bürgerkrieg offenbar bei der katalanischen Telefongesellschaft arbeitete. Die Mitarbeiter, das ist bekannt, waren mehrheitlich in der anarchistischen Gewerkschaft CNT organisiert. Unter dem Eindruck der revolutionären Ereignisse in Barcelona bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges trat die Frau dem Roten Kreuz bei und wurde bald darauf nach Mallorca abkommandiert.

16. August 1936. Um sechs Uhr abends laufen wir an Bord der „Ciudad de Tarragona" mit Kurs Mahón aus. 30 Milizionärinnen und 400 Milizionäre mit dem Ziel, an den Operationen gegen die Faschisten teilzunehmen. Einmal an Bord, wurde uns ein liebevoller wie enthusiastischer Abschied bereitet, und zwischen Hochrufen auf die Republik, die Revolution und die antifaschistischen Milizen, verlassen wir Barcelona.

Nach einer Nacht auf Menorca werden die Milizionäre nach Mallorca eingeschifft. Hier werden die Frauen unmittelbar mit der Realität des Krieges konfrontiert:

Um zwölf Uhr werden wir in Kohlebarkassen ausgeschifft, um zur Insel zu gelangen, wo uns bereits andere Milizionäre empfangen, die uns deutlich machen, dass die Dinge nicht zum Besten stehen. Jedesmal wenn irgendwelche Positionen genommen waren, gingen sie von Neuem verloren, dann wurden sie (die Milizionäre, Red.) in die Enge getrieben und mussten ins Meer flüchten, wo einige ertranken.

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Die Gruppe der fünf Krankenschwestern bleibt an Land und muss sich mit chaotischen Verhältnissen auseinandersetzen. Die Frauen werden von einem provisorischen Verbandsplatz zum nächsten verlegt. Es fehlt an Gerätschaften und Material. Dennoch wissen sich die Frauen zu organisieren, besorgen Lebensmittel aus den verlassenen Häusern und von den Feldern, kochen den Verwundeten Essen, legen Verbände an, teils unter der Leitung von Ärzten. Für zwei Tage arbeiten die Frauen in Sa Torre Nova, einem stattlichen Herrenhaus bei Son Carrió, in dem die Truppen ein Feldlazarett eingerichtet hatten.

Wir stehen um Sechs auf und frühstücken Café con leche. Ich bin angewiesen, die Kranken zu versorgen, insgesamt 13, soll ihnen um 10 Uhr Milch geben. Als ich einen der Säle betrete, finde ich zu meiner Überraschung ein vorzügliches Klavier vor. Es war mir unmöglich der Versuchung zu widerstehen, und so fange ich an zu spielen.

Für die Verletzten war die Musik eine willkommene Ablenkung. Der Eintrag belegt aber auch, dass die Frau eine für die damalige Zeit durchaus gutbürgerliche Erziehung genossen hatte. Auch ihrem Sprachduktus ist zu entnehmen, dass es sich um eine gebildete, kritische Frau handelte, mutig, engagiert, emanzipiert, eine politische Idealistin. Doch sie war auch realistisch genug, zu erkennen, wie jene Ideale, für die sie freiwillig in den Krieg gezogen war, zugrunde gingen. Nach erneuten chaotischen Verlegungen notierte sie frustiert:

Das ist die Organisation und die proletarische Gleichheit!! Eine unaufhörliche Farce hat begonnen, und wenn sie zu Ende kommt, wird es ein katastrophales Finale sein. Alle Gruppen der UGT (Sozialistische Gewerkschaft), der CNT und FAI (Anarchisten) sind zerstritten. Und wenn sie sprechen, sieht man klar den Irrtum und das Absurde in ihren Ideen, was im Nachhinein aus Spanien werden wird. Bedenkt man es kalt, ernst und ohne jede Leidenschaft, fühlt man den Terror, der sich ankündigt. Es wird ein Chaos sein.

Aus ihrer eingeschränkten Sicht als Krankenschwester in einer Scheune bei Son Carrió nimmt die junge Frau durchaus die immer bedrohlicher werdende Kriegslage wahr.

Wir stehen auf mit der grandiosen Perspektive, nichts zum Frühstücken zu haben. Auf der Suche nach Kaffee (...) müssen wir nach Torre Nova, mal sehen, ob sie uns welchen abgeben. Ich bin so schwach, dass ich mich nicht halten kann. (...) Sie flößen mir ein wenig Kaffee ein, um zu sehen, ob mir wieder besser wird. Ich habe den Krug für die anderen dabei. In diesem Moment, 7 Uhr morgens, kommt das faschistische Jagdflugzeug. Seitdem die Faschisten diesen Apparat haben, sind unsere Flugzeuge unbrauchbar. Sie fliegen nicht, aus Angst, gejagt zu werden. So ist das, wie wir vorankommen.

Nach ihrer Gefangennahme am 4. September wurden die fünf Frauen in Manacor wie Trophäen öffentlich ausgestellt und von einer aufgepeitschten Menge als Huren beschimpft. Noch immer finden sich vereinzelt Stimmen, die in den Krankenschwestern und ihren Kolleginnen lediglich „Fulanas", Flittchen und Schlimmeres, sahen. Die Frauen, hieß es, seien nur nach Mallorca gekommen, um den Milizionären sexuell gefügig zu sein. Aussagen, die durch das Tagebuch klar widerlegt werden.

Auszüge aus den Notizen wurden bereits 1938, mitten im Bürgerkrieg, von franquistischen Zeitungen auf Mallorca veröffentlicht. Sah man doch in der Kritik der unbekannten Milizionärin eine Rechtfertigung dafür, die politische Linke des Landes per „Kreuzzug" mit Stumpf und Stil auszurotten.

Die Historiker Josep Massot und Antoni Tugores haben sich eingehend mit dem Tagebuch und den fünf Krankenschwestern auseinandergesetzt. Ihnen gelang es, die Namen von zumindest vier der fünf Frauen auf dem Foto zu identifizieren. Doch wer auf dem Bild die Autorin des Tagebuchs ist, bleibt unklar. Der letzte Eintrag erfolgte kurz vor dem Aufgriff durch die Franquisten am Strand von Sa Coma. Die Schiffe waren beim Rückzug ohne die Frauen und einer kleinen Gruppe von Verletzten davongefahren.

Alle wollen sich tapfer zeigen, jedoch ist ihnen die Niedergeschlagenheit anzusehen, die Furcht, die Angst, die sie beherrscht. Wir haben noch Lebensmittel für ein paar Tage, Munition auch, und wir harren der Dinge.