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Jeder neue Mallorca-Resident findet früher oder später den Weg in eines der beiden Gewerbegebiete, die Palma sein Eigen nennt. Son Castelló heißt das größere, das vor den Toren der Stadt an der Autobahn nach Inca liegt, Can Valero das kleinere; es befindet sich hinter der Ringautobahn Vía de Cintura an der Landstraße nach Puigpunyent.

Geht es um Handwerksmaterialien für das neu erworbene Ferienheim, um Internet-Zugänge, Autozubehör, Maschinen und Baugeräte, Gartenmöbel, Alarmanlagen oder um den spanischen TÜV (ITV), letztlich landet der Verbraucher immer irgendwann in einem dieser "Polígonos".

Das war nicht immer so. Insbesondere die Anfänge der beiden Gewerbegebiete, die 1964 vor nunmehr 50 Jahren auf den Weg gebracht wurden, haben geradezu anekdotischen Charakter. Einblicke in die Gründungsphase gibt ein Buch, das die Unternehmervereinigung der Industriegebiete von Mallorca (Asima - so heißt auch die Hauptverkehrsachse in Son Castelló) jetzt zum Jubiläum veröffentlicht hat.

Kaum zu glauben, dass damals, 1966, Spaniens Staatschef, der Diktator General Franco, höchstpersönlich angegangen werden musste, damit die beiden Gewerbegebiete - die ersten zwei in ganz Spanien, die auf unternehmerische Privatinitiative zurückgehen - letztlich die Zustimmung von höchster Stelle erhielten. Denn der Zusammenschluss der Inselunternehmer als eigenständige Vereinigung war dem Regime zunächst suspekt, stammte die Idee einer solchen "Kooperative" doch aus ursprünglich sozialistischem Gedankengut.

Der Hintergrund: Das franquistische Spanien betrieb seit Mitte der 1950er Jahre eine vorsichtige Öffnung. Auf Mallorca deutete sich dies in einer ersten Zunahme der Tourismus an. Das Regime nahm sich forciert die Industrialisierung des Landes vor, Madrid entwarf zentral Pläne für das ganze Land, bestimmte, wo welche Betriebe und Fabrikanlagen anzusiedeln seien, um Spanien zu modernisieren und Arbeitsplätze für die Landbevölkerung zu schaffen.

Mallorca blieb von diesen Plänen ausgenommen. Die Insel sollte vor allen als Urlaubs-Eiland der direkten Einnahme von ausländischen Devisen dienen.

Die angestammten Industriellen, die auf der Insel seit den 1920/30er Jahren sehr wohl existierten, sahen sich im Hintertreffen. Vor allem die junge Nachfolgergeneration machte sich stark für eine Erneuerung des produzierenden Gewerbes. Doch die traditionellen Industriegebiete in Palma wie etwa La Soledat, Son Gotleu, S'Arenal, Santa Catalina, waren veraltet und durch den städtischen Bevölkerungsdruck zu teuer. Was nottat, waren günstige Grundstücke, um Fabrikhallen und Straßen zu errichten, auf denen etwa Lastwagen problemlos wenden konnten.

Ein Dutzend Unternehmer schlossen sich 1964 zusammen, bald waren es 200. Sie einigten sich, gemeinsam ein Grundstück zu kaufen und unter sich aufzuteilen, ohne dass um die Bodenpreise spekuliert werden konnte. Es war ein solidarischer Akt unter innovativen Betriebsinhabern, die sich neben dem Familiengeschäft auch der Inselgesellschaft insgesamt verpflichtet fühlten.

Neben den beiden Gewerbegebieten auf den ehemaligen Agrarfincas Son Castelló und Can Valero schufen sie die erste Unternehmerschule in Spanien (IBEDE), das Wohnviertel für die Arbeiterschaft S'Indioteria, die Schule Son Pacs. Ihr Ziel war es, Mallorcas Wirtschaft auf zwei Säulen zu stellen: Neben dem Tourismus sollte auch die Industrie ihre Existenzberechtigung haben. Dass dies den Unternehmern gelang, wird in Fachkreisen gerne als "Mallorcas Wirtschaftswunder" gewürdigt.

(aus MM 22/2014)