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Die Nacht auf den 1. November bildete für die Kelten die Grenze zwischen dem Winter- und dem Sommerhalbjahr. Laut ihrem heidnischen Glauben öffneten sich zu diesem Zeitpunkt vorübergehend auch die Schleier zum Jenseits. Die alten Iren fürchteten sich deswegen vor Geistern und Untoten, die ihren Vorstellungen zufolge eine Nacht lang die Welt heimsuchten.

Das ist laut Kulturhistorikern die Wurzel von Halloween und auch des christlichen Fests Allerheiligen: Da die Kirche die heidnischen Bräuche nicht komplett ausrotten konnte, vereinnahmte sie kurzerhand den Termin und übernahm einzelne Elemente wie das Totengedenken in ihre eigene Tradition. Selbst die Wortwurzel von Allerheiligen und Halloween ist die gleiche: „All Hallows Eve” – auf Englisch der Abend, an dem alle Heiligen gefeiert werden. Bei den Kelten hieß das Fest zwischen den Jahreszeiten allerdings „Samhain”.

Wie überall auf der Welt wird dieser Hintergrund auch auf Mallorca esoterisch und kommerziell verbrämt. Mit gruseligen Verkleidungen und Masken bietet er Anlass zu einer Art Karneval im Herbst. Während immer mehr Kinder und Jugendliche durch die Dörfer ziehen und an der Tür gemäß angelsächsischem Brauch „Süßes oder Saures” fordern, wird in manchen Ausgehlokalen an Palmas Paseo Marítimo das gruseligste Outfit prämiert. „Die mexikanischen Masken sind dieses Jahr besonders gefragt”, sagt Adrián Blanco vom Kostümladen „Carnaval Palma” im Carrer Jesús, der in diesen Tagen so viel zu tun hat wie sonst nur zu Fasching im Februar. Die Accessoires und Verkleidungen in einer Preisspanne zwischen 1,50 und 80 Euro werden ihm nur so aus den Händen gerissen.

Die wahrscheinlich schönste Halloween-Party in Palma findet unterdessen jedes Jahr im Hostal Corona im Carrer Josep Villalonga im El-Terreno-Viertel statt. Unter der Regie der Pensionsinhaber Tofol und Diego – die beiden sind Brüder und betreiben im Sommerhalbjahr vor Ort auch einen beliebten Gastgarten – wird die Nacht auf den 1. November schon seit etwa 25 Jahren von einem internationalen Publikum gefeiert. Anders als unten am Paseo Marítimo liegt das Durchschnittsalter am Abend übrigens deutlich oberhalb der Pubertät. Eines hat sich in den letzten Jahren allerdings geändert: „Rein kommt man in der Regel nur noch mit Verkleidung”, so die Betreiber.

Bei allem Klamauk und Vergnügen ist Allerheiligen jedoch auch für die Spanier ein Anlass, zu dem das Totengedenken als Pflichtprogramm gilt, wenn vielleicht auch nicht so bitterernst wie in nördlicheren Gefilden. Rund um die Friedhöfe stauen sich die Fahrzeugschlangen dann manchmal kilometerweit, die Blumenhändler haben Hochkonjunktur. Insbesondere auf der Rambla (Vía Roma) in Palma wird viel farbenfroher Grabschmuck verkauft, dieses Jahr aber auch anderswo: Da der 1. November auf einen Samstag fällt, wurde inselweit ein verkaufsoffener Tag anberaumt, an dem sich alle Händler beteiligen können, die es wünschen. In erster Linie sind das erfahrungsgemäß die Einkaufszentren, Kaufhäuser und großflächigen Supermärkte, während der kleine Laden um die Ecke oftmals geschlossen bleibt.

Ein Alternativprogramm bietet dagegen die evangelische Kirche, die in Deutschland mit Events unter dem Titel „ChurchNight” einen Kontrapunkt zu Halloween setzen will. Die größten davon werden auch im Radio und Fernsehen übertragen. Inselpfarrerin Heike Stijohann will nach eigenen Worten niemandem den Spaß vermiesen, appelliert allerdings zur Nachdenklichkeit: „Beim ökumenischen Gottesdienst zu Allerheiligen gedenken wir gemeinsam der auf Mallorca verstorbenen Deutschen und lesen dabei auch alle Namen vor. Jedes Jahr gibt es leider viele Fälle, in denen der Tote völlig vereinsamt ist und sich nicht einmal jemand um die Beerdigung kümmert.”