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Mit Glück wird man im Internet fündig, auf Seiten, die für Mallorca-Sammler und Schnäppchenjäger interessant sind. Dort gibt es Exemplare einer Aktie, die den Anteil einer Papierfabrik darstellte, wie sie einst mitten in der Albufera existierte. Ein solches Wertpapier von 1929 weist aus, dass das Unternehmen "Celulosas La Albufera S.A.", (später "Celulosa Hispania") mit einem Grundkapital von zwei Millionen Pesetas firmierte. Besonders eindruckvoll: das kunstvoll gestaltete Ornament des Aktienpapiers, mit den Betriebsgebäuden und einer allegorischen Glücksgöttin. Nicht schlecht für 1929, jenem Jahr des Schwarzen Freitags, mit dem die damalige Weltwirtschaftskrise ihren unheilvollen Lauf nahm.

Die Papierfabrik ist eine jener in Vergessenheit geratenen Historien rund um das Feuchtgebiet. Und dabei war das Unternehmen seinerzeit durchaus erfolgreich. Gegründet 1922 mit spanischem und italienischem Kapital, überstand die Papierfabrik die ökonomische Depression der 1930er Jahre samt Bürgerkrieg und produzierte bis zu Beginn der 1960er Jahre vor allem Packpapier. Den Hauptrohstoff lieferte die Albufera in Form vom Schilf. Bis zu 90 Prozent der Waren wurden auf das spanische Festland exportiert.

"Heute ist vom einstigen Betriebsgebäude nichts mehr übrig. Aber es befand sich vor dem heutigen Infozentrum des Naturschutzgebietes", sagt Manuel Espinosa. Der Geograf im Ruhestand widmet sich seit Jahren der Erforschung der Vergangenheit der Albufera.

Das Feuchtgebiet hat sich im vergangenen Jahrhundert deutlich verkleinert. Heute umfasst die Naturschutzzone mit ihren Gewässern, Schilfgürteln und Auwaldbereichen rund 1600 Hektar. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war das Gebiet mit 2700 Hektar gut ein Drittel größer. Die Albufera begann direkt hinter dem Friedhof von Alcúdia, reichte viel näher an Sa Pobla und Muro heran als heute und endete direkt am Ortseingang von Can Picafort.

Die "Albufera Gran", wie sie jahrhundertelang genannt - zur Unterscheidung von der kleinen Al-bufera ("Petita") bei Pollença - hatte in ihren nassesten Zeiten einen Umfang von 32 Kilometern. Davon bildete allein ein Sanddünenstreifen acht Kilometer, der das Feuchtgebiet vom Meer nahezu vollständig abschloss. "Es gab nur einen natürlichen Abfluss ins Meer, und der war etwa 200 Meter breit", sagt Espinosa. Der Mündungsbereich lag dort, wo sich heute an der Playa de Alcúdia das Hotel Orquidea befindet. An der Stelle fließen zwei Wasserläufe aus dem Lago de Esperanza ins Meer, die sich unmittelbar vor dem Strand vereinen. Die gesamte Fläche zwischen den beiden Wasserläufen war einst Flussbett. Es wurde in den 1960er Jahren aufgefüllt, mit Stein und Schlacke aus dem ersten Kohlekraftwerk von Alcúdia, das in Alcanada errichtet wurde.

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Die gesamte Tourismuszone von Alcúdia mit ihren Hotels, Chalets und Ladengeschäften ist im ehemaligen Feuchtgebiet errichtet worden. Wer die Zone durchstreift, trifft auf viele kanalisierte Wasserläufe, Teiche und Seen. Im damaligen Feuchtgebiet wurde 1934 auch der erste Golfplatz der Insel errichtet. 1936 im Bürgerkrieg diente die Rasenfläche den italienischen Kampfpiloten als Flugplatz. Jene Projekte waren möglich, weil die Albufera zu dem Zeitpunkt bereits deutlich an Fläche und Feuchtigkeit eingebüßt hatte.

Das Projekt zur Trockenlegung des Sumpfes war eines der vielen Modernisierungsvorhaben gewesen, die in der Zeit der spanischen Königin Isbella II. (1843-1868) in Angriff genommen wurden. In ihrem Reich wurden Straßen, Eisenbahnen und Leuchttürme gebaut und eben Sümpfe entwässert. Ziel war nicht nur die Bekämpfung der Malaria und anderer Fiebererkrankungen, sondern auch die Gewinnung von neuen Agrarflächen. Die fette Erde der Sümpfe galt ohnehin als besonders fruchtbar. Nicht wenige der Kartoffeln, die heute in Sa Pobla geerntet werden, wachsen dort, wo sich einst Aale durch Algen schlängelten.

Den spanienweit ausgeschriebenen Zuschlag für die Trockenlegung der Albufera erhielten im Jahre 1863 die britischen Ingenieure John Frederick Bateman und William Hope. Sie ließen unter anderem einen 2,5 Kilometer langen und 50 Meter breiten Kanal an der Grenze zwischen Alcúdia und Muro anlegen. Mehr noch: Für den "Canal Gran" wurde eigens per Durchstich der Dünengürtel zum Meer aufgebrochen. Seitdem bildet die Baumaßnahme den künstlich geschaffenen Abfluss der Albufera-Gewässer in die Bucht von Alcúdia.

Bateman und Hope erwarben mit dem Projekt auch die Rechte am Landbesitz ihrer "New Majorca Land Co". Auf den neuen Schollen wurde Agrarwirtschaft betrieben. Letztlich aber ging die Rechnung nicht so recht auf. Bateman erwarb die Anteile von Hope und vererbte sie 1886 seinem Sohn Louis. Dieser musste 1896, völlig verschuldet, Land und Feuchtgebiet seinem Gläubiger, einem mallorquinischen Adeligen, abtreten. Heute erinnert die "Brücke der Engländer", die den Kanal überquert, an die Briten. Auch das Gebäude für das Infozentrum geht auf Bateman zurück. Der Rest ist wisperndes Schilf, wenn darin der Wind weht.

(aus MM 6/2015)