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Der Soundtrack aus "Spiel mir das Lied vom Tod" würde an diesem Morgen wohl am besten nach Sa Casa Blanca passen. Die noch tief stehende Sonne taucht den kleinen Weiler in der Nähe von Palmas Flughafen in ein warmes Licht. Von den Feldern steigt trockener Staub auf. Einige zerfallene Windmühlen durchbrechen mit ihren Flügeln die in der Hitze flimmernde Linie des Horizonts. Es ist Volksfest und es herrscht Western-Stimmung.

Hinter den Buden und Ständen liegt, mit direktem Blick auf die startenden und landenden Maschinen in Son Sant Joan, ein trockener Acker. Miquel Adrover zieht mit Hilfe eines Sacks Zement einen großen, weißen Kreis auf dem Brachland. Daneben steht ein Podest. Auf dem Feld sind zwei Hindernisse aufgebaut, eine Art Korridor, abgesteckt mit Holzstäben sowie eine Wand mit einer Öffnung darin. Adrover gibt ein Handzeichen in Richtung Jury. Es ist alles angerichtet für den Border-Collie-Wettbewerb, das Highlight der Feria.

Fünf Schäfer mit insgesamt acht Hunden treten gegeneinander an. Organisator Adrover alleine mit drei Collies. Ziel des Wettbewerbs: Auf dem Podest stehend mit Hilfe von Rufbefehlen und einer Pfeife die Tiere zuerst durch den Parcours zu lotsen und sie anschließend dazu zu bewegen, eine 15-köpfige Schafherde zunächst in den Zementkreis und anschließend durch die Öffnung in der Wand zu treiben.

Bevor es losgeht, werden unter den Augen der streng dreinblickenden und Strohhut tragenden Jury - allesamt ehrbare Bürger von Sa Casa Blanca - die Startnummern ausgelost. Mitorganisatorin Francisca Juan gibt letzte Anweisungen durch ein schepperndes Megafon und Schäfer Nummer eins betritt das Podest. Laut rufend und mit ausladenden Gesten versucht er seine Hündin durch den Stangenparcous zu lenken, ohne Erfolg. Immer wieder bricht sie aus und hetzt über den Acker. Es staubt und das Publikum grölt.

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Sechs Minuten haben Mensch und Tier Zeit, die drei Aufgaben zu absolvieren. Kandidat eins wird nicht einmal mit der ersten fertig und verlässt enttäuscht die sandige Arena. Dann ist Miquel Adrover dran. Jagt seinen ersten Hund in Rekordzeit durch den Hindernislauf. Nur eine Minute später steht die Schafherde in Reih und Glied inmitten des Zementkreises, nur bei der letzten Aufgabe, dem Loch in der Wand, versagt "Ganfuy". Adrover schlägt vor Wut seinen Hirtenstock auf den Boden, fast so, als habe gerade seine Lieblingsmannschaft ein Fußballspiel verloren. "Das darf doch nicht wahr sein", schimpft er laut. Aber er kann sich trösten, denn auch beim dritten Konkurrenten läuft es nur schleppend.

Die Zuschauer jubeln, als sein Hund beginnt, die Schafe zu jagen. Einige verfangen sich mit den Köpfen im Absperrzaun, können sich von alleine wieder befreien. Eine riesige Staubwolke wirbelt in Richtung der Zuschauer, die lachend davonlaufen. Eines der Tiere aber stößt gegen eine der aufgestellten Hürden und bleibt verletzt und regungslos liegen. Ein Raunen geht durchs Publikum. Ein Helfer stürmt in die Arena. Ein sanfter Tritt in die Wolle, einmal an den Ohren ziehen, und das Tier steht wieder. Mit Hund und Schaf wird nicht zimperlich umgegangen, verwöhnt wird hier niemand. Raue Schäfersitten herrschen auf dem Lande. Zur Sicherheit wird dennoch die Herde ausgetauscht. 15 Ersatzschafe stehen immer bereit. Von nun an geht es ohne beklagenswerte Verletzungen über die Bühne.

Nachdem alle fünf Schäfer ihre Hunde und diese wiederum die Schafe über das Feld gejagt haben, tagt die Jury. Und bereits während des Wettbewerbs hat sich abgezeichnet, dass wieder einmal Mitorganisator und Urgestein Miquel Adrover die besten Karten hat, den Preis in Form eines Andenkens der Gemeinde mit nach Hause zu nehmen. Und so kommt es dann auch. Die Mitstreiter nehmen es sportlich, Andreu Servera sagt: "Ich werde immer nur Dritter oder Vierter. Ich bin aber auch bestimmt der Einzige, der selbst keine Schafe hat, die leihe ich mir immer von meinem Nachbarn."

(aus MM 19/2015)