Natürlich gehörte zur 30-Jahre-Fiesta auch die passende Torte: Gerhard Schwaiger wird von Mitarbeitern und Gästen gefeiert. Links neben ihm Teilhaberin Cristina Pérez. | Patricia Lozano

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Er ruht sich nicht aus auf seinen Lorbeeren der vergangenen 30 Jahre, sondern feierte sein Inseljubiläum so, wie man es vom ihm erwartete. Gerhard Schwaiger, Mallorcas bekanntester deutscher Koch und langjähriger MM-Gastautor, bewirtete seine Gäste auf der Feier zum 30-jährigen Inseljubiläum mit einem Querschnitt aus den kulinarischen Highlights der vergangenen Jahre. Auf der Terrasse seines Restaurants "Schwaiger Xino's" servierte er unter anderem Roastbeef mit Rettich, mallorquinischen Matjes mit Boquerones, Ravioli mit Sóller-Gambas, weiße Bohnen mit Chorizo und frittierten Zwiebeln oder Milchlammbäckchen mit Couscous. Sein Geschenk an sich selbst: "Ich habe mir heute Abend viele meiner Lieblingsgerichte ausgesucht."

Freunde, Gäste und Geschäftspartner feierten den 57-Jährigen bis weit nach Mitternacht und konnten einen Schwaiger erleben, der nach einem Jahr im neuen Restaurant wahrlich angekommen wirkt. "Es liegen aufregende, teilweise wahnsinnige Jahre hinter mir. Die kann man nur überstehen, wenn man seinen Beruf wirklich liebt. So haben wir im Tristán ein Stück kulinarische Zeitgeschichte auf Mallorca geschrieben, aber ich weine dieser Zeit keine Träne hinterher. Es gibt immer verschiedene Etappen im Leben, und das, was ich jetzt mache, fühlt sich genau richtig an."

Stets an seiner Seite ist die Teilhaberin und frühere Tristán-Sommelière Cristina Pérez, ebenso wie der neue Küchenchef und Mitinhaber Stefan Brunner, der seit dem 1. Oktober Johannes Jobst ersetzt.

Weder euphorisch noch melancholisch blickt er auf seine lange Karriere im früheren Nobelrestaurant des Yachthafens Puerto Portals zurück, erzählt ruhig und besonnen. "Ich war ja erst 27 Jahre alt, als mir 1986 der Posten des Chefkochs des neu eröffneten Tristán angeboten wurde. Dass wir schon ein Jahr später mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurden, war unglaublich und natürlich der beste Antrieb, so weiterzumachen."

Das sei alles nicht einfach gewesen, erinnert sich der gebürtige Schwabe heute. "Die Mallorquiner interessierten sich damals nicht sonderlich für die Auszeichnung, in der Lokalpresse tauchte die Nachricht kaum auf. Tatsache war, dass die Einheimischen nichts anfangen konnten mit der damals noch neuen 'Nouvelle Cuisine', da mussten wir echte Pionierarbeit leisten."

Hinzu kam, dass es Ende der 80er Jahre auf Mallorca viele Produkte, die man heute in jedem Supermarkt ersteht, nicht gab. "Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass Basilikum, Oregano, gute Butter, verschiedene Essigsorten oder Olivenöle, gutes Rindfleisch oder gar exotische Früchte auf der Insel kaum zu bekommen waren", erinnert sich Schwaiger heute lachend.

Natürlich beschafften er und sein Team nach und nach alles, was sie brauchten. Und erkochten 1990 den zweiten Stern fürs Tristán, den sie dann 20 Jahre lang halten konnten.

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"Das war eine Sensation damals, und jetzt wachte auch die Presse auf, denn das hatte es ja hier auf der Insel noch nie gegeben." Das Publikum wandelte sich von überwiegend deutschen zu internationalen Inselbesuchern, unter ihnen auch ein Querschnitt internationaler VIPs, von Julio Iglesias und den spanischen Royals über Michael Douglas und Bill Clinton bis hin zu Claudia Schiffer.

"Es war die Zeit, als die Sterneküche mit allem drum und dran so richtig boomte" erinnert sich Schwaiger. "Essen wurde zum Erlebnis, aber meine Handschrift war es immer, den ursprünglichen Geschmack der Produkte im Vordergrund zu belassen. Natürlich haben wir auch viel experimentiert, wir waren ein Zwei-Sterne-Restaurant, aber den Hype der Molekularküche haben wir nie auf die Spitze getrieben."

Vielleicht war dies das Geheimnis seines Erfolges, denn 20 Jahre lang auf diesem Niveau zu kochen, ist ein Rekord, den auf Mallorca so schnell niemand brechen wird. Aber für einen eigenen Kellner pro Tisch, für 50 Angestellte und die strengen Auflagen der Michelin-Vertreter reichte es mit Einbruch der Wirtschaftskrise nicht. 2011 verlor das Tristán einen seiner zwei Sterne, ein Jahr später gab Schwaiger den anderen Stern freiwillig ab. Als das Restaurant dann 2015 an spanische Investoren verkauft werden sollte, beschloss der langjährige Chef, sich selbstständig zu machen.

Schwaigers Leidenschaft genießen jetzt die Gäste seines Restaurants in Palma, weitaus preiswerter als in Portals, aber in der bekannten Qualität. Es mache ihm großen Spaß, so zu kochen, wie er es heute könne. "Wir haben hier eine ganz neue Kundschaft erschlossen, und das hauptsächlich mit Mund-zu-Mund-Propaganda, auf die ich in Zukunft ungern wieder verzichten würde."

Damit meint er vor allem Mallorquiner und auch neue deutsche Gäste, denen das frühere Tristán einfach zu teuer gewesen sei. "Bei mir gibt es jetzt Schwaiger-Küche in zwanglosem Ambiente." Einem erneuten Stern würde dies nicht widersprechen. Längst vergangen sind die Tage, an denen Michelin ein hochelegantes Luxusrestaurant mit Christofle-Silber und Baccarat- oder Riedel-Gläsern verlangte. Was zählt, sind die Produkte, die Zubereitung, Kreativität und Kontinuität. Würde er sich gegen einen erneuten Stern wehren? "Nein, wir können ja damit umgehen, und wissen, was dann auf uns zukommt."

Auch privat ist der langjährige Sternekoch längst mit der Insel verbunden. Aus seiner früheren Ehe mit einer Mallorquinerin stammt eine inzwischen erwachsene Tochter, und Pläne, jemals wieder in seine Heimat zurückzukehren, gibt es nicht.

(aus MM 45/2016)