"Weder die Erde noch die Frauen sind Territorium für Eroberung": Diese junge Frau hält ein Protestschild beim Marsch gegen häusliche Gewalt in Palma hoch. | Pere Bota

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Mehr als 500 Menschen mit Fackeln, Kostümen und Parolen gingen Ende November in Palma gegen häusliche Gewalt auf die Straße. "Frauen sind kein Territorium für Eroberungen", steht auf den Protestplakaten. Zum Valentinstag startete der Inselrat Mallorcas eine Kampagne gegen die Entmystifizierung der Romantik. Das Echo in der Gesellschaft und den Medien dazu war gemischt. Die Gesellschaft Spaniens und Mallorcas gilt nach wie vor von Männern dominiert, doch die Frauen hierzulande gehen ihren Weg.

"Wir haben viel erreicht", erklärt Nina Parrón, Gleichstellungsbeauftragte des Inselrats. Der Internationale Frauentag am 8. März sei eine gute Möglichkeit, darüber zu reflektieren. Im Vergleich zu den Zeiten ihrer Großmütter lebten Frauen heute wesentlich selbstbestimmter. Früher waren Mädchen erst die Tochter von XY und als Verheiratete die Gattin von XY, heute würden Frauen auch unverheiratet wahr- und ernst genommen. "Die weibliche Revolution ist eine friedliche Revolution", sagt die Politikerin. Der Posten einer Gleichstellungsbeauftragten werde allerdings auch in einigen Jahren noch nötig sein: "Die Zeiten ändern sich nicht so schnell."

"Es gibt gute und schlechte Seiten daran, eine Frau zu sein", sagt Nina Parrón. Auch in der heutigen Zeit existierten noch viele Zustände, die Frauen zum Positiven verändern müssten und könnten. "Und ganz oben auf der Prioritätenliste steht das Thema häusliche Gewalt", sagt die Landespolitikerin. Im vergangenen Jahr wurden auf den Inseln sechs Frauen durch ihre Ehemänner, Lebensgefährten oder Ex-Partner getötet. Neben den Kanaren haben die Balearen spanienweit mit 3983 Fällen die höchste Quote von häuslicher Gewalt, die zur Anzeige gebracht werden. "Nur weil es in anderen Regionen nicht angezeigt wird, heißt es nicht, dass es diese Form der Gewalt dort nicht gibt", erklärt Nina Parrón.

Spanien gab im vergangenen Jahr 25,2 Millionen Euro für Kampagnen und Aktionen gegen häusliche Gewalt aus. Die Oppositionsparteien kritisierten, dass das Budget gesenkt wurde. Nach wie vor bestimmt das Thema die Agenda der Frauenpolitik, obwohl das Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt schon vor zehn Jahren eingeführt wurde.

"Die Arbeit für die Frauen fängt im Verhalten der Männer an", sagt die Gleichstellungsbeauftragte. Ihr ist der "Mikromachismus", der Machismus im Kleinen, ein Dorn im Auge, und damit steht sie nicht allein da. Ángeles Carmona, Leiterin des Beobachterbüros für häusliche Gewalt der spanischen Justizbehörde, sprach sich kürzlich gegen die sogenannten "Piropos" aus, also jene Komplimente oder eben lasche Sprüche, die Frauen von Männern auf der Straße zugerufen bekommen. Sie griffen in die weibliche Intimsphäre ein und gehörten abgeschafft, argumentierte Carmona.

Positiv entwickelt sich: Die Abtreibungsquote auf den Insel ist in den vergangenen Jahren gesunken. "Sie ist allerdings immer noch zu hoch", betont die Gleichstellungsbeauftragte. Sexualunterricht an den Schulen helfe, ungewollte Schwangerschaften und Abbrüche zu vermeiden. "Hier haben wir viel Nachholbedarf."

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Mädchen haben mittlerweile auf Mallorca die gleichen Bildungschancen wie Jungen. 58 Prozent aller Studenten an der Balearen-Universität sind weiblich. "Das sah vor 100 Jahren noch ganz anderes aus", erklärt Historikerin Isabel Peñarrubia, die sich mit der Geschichte der Frauen auf Mallorca auseinandersetzt. 1900 lag die Analphabetenquote in der weiblichen Bevölkerung bei 90 Prozent. Bis 1970 war es Frauen auf der Insel schwer möglich, eine wissenschaftliche Ausbildung zu absolvieren. Wer eine höhere Schule besuchte, lernte Hauswirtschaft und Religion. Mallorquinerinnen konnten bis ins 20. Jahrhundert hinein keine spanische Universität besuchen. "Die Frauen Mallorcas konnten arbeiten, doch der Großteil hatte nicht das Minimum einer kulturellen Bildung", erklärt die Historikerin.

Was Frauen auf Mallorca zum Vorteil gereichte, war die Gütertrennung von Ehepartnern wie in Katalonien und Aragón. Jaime II. führte sie um 1299 ein, was Frauen ermöglichte, ihr eigenes Geschäft zu führen. "Mallorca war im Mittelalter aktiv im Handel, viele Frauen arbeiteten beispielsweise als Kunsthandwerkerinnen, im Textil- und Schuhgewerbe."

Auch heute ist die Arbeitswirklichkeit von Frauen auf den Balearen eine andere als die der Männer. Viele Frauen - auch Mütter - arbeiten in Vollzeit, ein Viertel der Berufstätigen ist in Teilzeit beschäftigt. Doch egal ob Voll- oder Teilzeitjob, Frauen werden schlechter bezahlt als Männer. Sie verdienen laut balearischem Statistikamt im Schnitt 20 Prozent weniger, das summiert sich auf durchschnittlich 4800 Euro Euro weniger Lohn im Jahr. "Großeltern sind im Alltag von Familien unerlässlich", sagt Nina Parrón, denn sie versorgen den Nachwuchs nach Schule und Kindergarten. Das Modell der Teilzeitarbeit, wie es beispielsweise in Deutschland von Müttern in Anspruch genommen wird, kritisiert die mallorquinische Gleichstellungsbeauftragte: "Es bringt Frauen zu sehr in Abhängigkeit von ihrem Mann."

Der Inselrat hat im vergangenen Jahr eine Kampagne gestartet: "Mallorca té nom de dona" (Mallorca hat den Namen einer Frau). Dabei wird jährlich eine Persönlichkeit der Geschichte Frau des Jahres, 2016 war dies Catalina Homar, in diesem Jahr ist es Clara Hammerl. Ihre Geschichte wird aufgearbeitet. Zudem sind die Dörfer angehalten, Straßen und öffentliche Plätze nach Frauen zu benennen. "Die Hälfte unserer Geschichte wurde von Frauen gestaltet", sagt Historikerin Isabel Peñarrubia, "wir brauchen weibliche Vorbilder, an denen wir uns orientieren können." Bisher seien auf Mallorca eher Nonnen als normale Frauen zu Ehren gekommen.

"Doch wir müssen aufpassen, uns nicht zurückzuentwickeln", mahnt die Historikerin. Frauen würden derzeit zu stark auf ihr Aussehen reduziert. "Es ist schon ein Problem, wenn man nicht Größe 38 trägt", sagt auch Nina Parrón zu dieser Entwicklung, das setzt vor allem junge Mädchen einem enormen Druck aus. "Frauen sollten keine Angst davor haben, ihre Ziele zu verwirklichen", betont die Gleichstellungsbeauftragte.

"Ich mag aber auch das Bild der Superwoman nicht", so Parrón. Niemand könne Topmodel, Übermutter, Haushaltskraft und Karrierefrau in Personalunion sein.