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Guillermo Novoa züchtet auf Mallorca Iberische Wolfshunde - eine Rasse, die er geschaffen hat. Dafür ließ er eigens zwei Wolfsjunge vom Festland importieren.

Mitten auf Mallorca heult ein Rudel Wölfe. Ihre lang gezogenen melodischen Rufe gehen unter die Haut und wecken Neugier auf die Tiere. Wölfe sind es zwar nicht, aber Iberische Wolfshunde. In Inca werden sie gezüchtet. Immerhin fließen zirka 25 Prozent Wolfsblut in ihren Adern. Bei ihrem imposanten Erscheinungsbild meint man, es seien viel mehr. Das fängt mit den Augen an. Sie sind gelb und stehen leicht schräg. Der Blick ist scheu, aber eindringlich. Sie haben lange schlanke Beine, bewegen sich kraftvoll und leicht. Ihr Brustkorb ist höher als bei Hunden und schmaler, das Fell grau meliert, der Kopf keilförmig mit dreieckigen aufrechten Ohren. Es sind ausgesprochen schöne Tiere.

Tagsüber seien die Wolfshunde in Gehegen, aber abends liefen sie frei auf dem 5000 Quadratmeter großen Gelände herum, sagt Guillermo Novoa von der Firma Mallorcan. "Sie brauchen sehr viel Bewegung." Novoa hat den Iberischen Wolfshund geschaffen und ist der Einzige weltweit, der ihn züchtet. Dazu kreuzte er einen Iberischen Wolf mit einem Deutschen Schäferhund. "Mein Ziel war ein Tier, dass äußerlich und in vielen Eigenschaften dem Wolf ähnelt. Gleichzeitig sollte es aber gut erziehbar sein und keine Gefahr für die Umgebung darstellen, sich problemlos in eine Familie integrieren lassen."

Der Spanier ist ein Veteran auf dem Gebiet. Bereits Ende der 70er Jahre trainierte er Deutsche Schäferhunde, zwanzig Jahre lang züchtete er sie. Es sei seine Lieblingsrasse, meint er. Doch Wölfe, die mythischen Raubtiere, hätten ihn schon immer fasziniert. Man könne das Vertrauen eines Wolfs gewinnen, aber es hänge an einem seidenen Faden. "Er kann dich in einem Augenblick umbringen, aber er tut es nicht. In seinen Augen siehst du, dass er das weiß." Dieses Gefühl begleite die Beziehung, und es sei ein sehr starkes Gefühl.

Erst führte Novoa Exemplare existierender Hund-Wolf-Kreuzungen ein. Das sind der Saarloos und der Tschechoslowakische Wolfhund. Doch beide Rassen litten häufig unter Erbkrankheiten, meint er. Den Tschechoslowaken fand er außerdem zu aggressiv. "Deshalb entschieden wir uns für das Experiment, einen echten Iberischen Wolf herzuholen." Viele behördliche Auflagen mussten erfüllt werden, bis das Wolfsjunge nach Mallorca kommen konnte.

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Er habe mit dem Kleinen gebadet, ihn mit ins Haus genommen, viel Zeit mit ihm verbracht. "Wir wurden wunderbare Freunde." Das könne nur mit einem ganz jungen Wolf gelingen. Später sei noch ein Wolfswelpe vom Festland geholt worden. Durch Kreuzen mit Deutschen Schäferhunden und sehr vorsichtiger Auswahl, wie er betont, habe er dann den Iberischen Wolfshund mit dem heutigen Profil gezüchtet. Er habe nicht nur die Physis, sondern auch die Intelligenz des Wolfs, seinen hervorragenden Geruchssinn und die Sehkraft, die vor allem in der Nacht der von Hunden weit überlegen sei.

Dann macht der Züchter die Tür zu einem Gehege auf. Ein Weibchen und ein Männchen leben hier. Ein großes Becken liegt in der Mitte. Bald werde es mit Wasser gefüllt. Die Tiere liebten es zu baden. "Kommen Sie nur mit." Ein mulmiges Gefühl ist es schon. Das Weibchen nähert sich bis auf ein paar Schritte und schaut dann mit diesem intensiven Blick den Gast an. Das Männchen trabt am Ende des Geheges von einer Ecke in die andere, immer hin und her. "Sie machen nichts, aber sie sind scheu Fremden gegenüber. Dieses Misstrauen haben sie auch vom Wolf." Deshalb sei es ganz wichtig, sie früh zu sozialisieren, auf die Straße mitzunehmen, mit unterschiedlichen Situationen bekannt zu machen. Einen Maulkorb müssten sie nicht tragen. Sie seien nicht als gefährlich eingestuft. "Aber es ist kein Hund für Anfänger", betont der Züchter und Hundetrainer. Sie seien sehr sensibel. Man müsse viel Geduld mit ihnen haben und sie unbedingt nur mit positiver Bestätigung erziehen, nie mit harten Methoden. Sie bräuchten auch viel Kontakt zu ihrem Menschen, der ihre vielfältige Körpersprache verstehen müsse. Kommunikation sei sehr wichtig.

Während er das Männchen krault, stupst ihn das Weibchen von hinten an, um bei der Streicheleinheit nicht vergessen zu werden. "Sie sind sehr liebevoll zu ihrer Familie. Für sie ist es ihr Rudel." Wenn man sie ankette oder länger alleine ließe, gehe es ihnen schlecht. Sie bräuchten freie Bewegung und Platz und sie liebten ausgedehnte Ausflüge, am liebsten in die Berge.

Nicht jeder, der sich für einen seiner Schützlinge interessiere, bekomme ihn, unterstreicht der Züchter. Zeit und Platz seien die Mindestvoraussetzungen. "Und es ist eine lebenslange Verpflichtung." Noch weniger als andere Hunde könne man Wolfshunde nach ein paar Jahren abgeben. Sie würden leiden und sich kaum an eine neue Familie gewöhnen. "Sie enden meist unvermittelbar im Tierheim."

Weltweit gibt es 150 bis 200 Iberische Wolfshunde. Als offizielle Rasse sind sie noch nicht registriert. Das sei ein langer Prozess, dauere etwa 40 Jahre, meint Guillermo Novoa. Er werde es nicht mehr erleben. Aber er ist sich sicher: "Es ist die Rasse der Zukunft." Immer mehr Menschen suchten nach einem authentischeren, ursprünglicheren, naturnahen Hund, der aber keine Gefahr darstelle. Auf der Heimfahrt sind viele Hunde zu sehen. Es ist Gassi-Geh-Zeit. Tatsächlich wirken sie im Vergleich fast wie Puppen.

(Aus MM 26/2017)