Jan Hendrik Lenz und Miriam Mausberg plantschen im Pool und genießen den Besuch bei Freundin Timothea Imionidou in Cala Blava (v.l.).

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Gleich werden sie kommen. Donnerstagabend, 19 Uhr. Der Staubsauger röchelt bereits wie ein alter Schornstein, die Küche glänzt und Deko-Kissen zieren Betten und Sofas so akkurat, dass sie einem stillschweigend signalisieren: "Wage es nicht, dich hierher zu setzen." Man möchte schließlich, dass alles picobello ist, wenn der Besuch aus Deutschland kommt.

Manche Inselbewohner genießen ihren Alltag lieber alleine und verweisen bei Ankündigungen wie: "Hach, ich würde Dich zu gerne mal besuchen kommen" höflich auf beliebte Hotels in der Nähe. Andere können einfach nicht Nein sagen. Timothea Imionidou ist eine davon: "Zwischen Anfang Mai und Ende Oktober haben wir eigentlich durchgehend Besuch."

Die gebürtige Griechin wohnt mit ihrem Freund in einem Haus in Cala Blava, direkt am Meer mit großem Pool. "Das lädt die Leute natürlich ein. Und wir haben Freunde und Familie einfach sehr gerne bei uns!" Aber so schön die Zeit mit den Liebsten auch ist, die eigenen vier Wände dauerhaft zu teilen, kann auch zum Störfaktor werden: "Wenn fünf oder sechs Leute gleichzeitig da sind und ich nicht frei habe, dann wird es mir schon mal zu viel."

Als Nachrichtensprecherin beim Inselradio muss Imionidou um 4.40 Uhr aufstehen. "Wenn ich nach Hause komme und fünf Jungs mit der nassen Badehose auf der Ledercouch sitzen und überall Handtücher liegen, das nervt mich auch."

Mindestens einmal im Jahr kommt ihre Freundin Miriam Mausberg zu Besuch. Die Lehrerin findet, dass das Mithelfen im Haushalt ein absolutes Muss ist: "Ich bin jetzt nicht die Erste, die den Staubsauger in die Hand nimmt, aber Spülmaschine ein- und ausräumen und Einkaufen halte ich für selbstverständlich."

Im Haushalt mithelfen, sich an den Kosten beteiligen, für die meisten ein Muss, aber nicht für alle. Da hilft nur eins: Offen reden. "Wir haben eine Urlaubskasse, da zahlt jeder pro Woche 50 Euro ein. Für Strom, Wasser, Lebensmittel. Das funktioniert super", sagt Imionidou: "Schließlich sparen sich die Leute das Hotel und wir können so die laufenden Kosten decken."

Aber nicht jeder Gast hinterlässt Bargeld. Mausberg kommt ihre Freundin seit sechs Jahren besuchen, ab und zu zahlt sie was dazu, manchmal gibt es Geschenke: "Dieses Mal habe ich ihr das Einhorn für den Pool geschenkt, da wusste ich, sie wird sich freuen."

Ähnlich sehen das Jörg und Jeanette Meier. Die Familie ist bei Martina und Andreas Sulyma zu Besuch: "Über Geld rede ich nicht, denn liebevolle Geschenke sind viel mehr wert", so die Meiers. Auch im Haushalt helfen sie gerne mit: "Ich gebe mein Bestes und räume auch sehr gerne den Tisch mit ab, denn das ist für mich auch ein Stück Gemütlichkeit mit meinen Freunden", sagt Jeanette Meier. Aber so läuft das nicht immer, wissen ihre Gastgeber: "Wir hatten Besuch, der morgens schon auf der Terrasse saß und auf das Frühstück wartete oder sich bedienen ließ."

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Gerade auf Mallorca verfallen wohl viele Gäste in den gewohnten "Urlaubsrhythmus". Das Phänomen kennt Martina Sulyma auch: "Sie sollen eine schöne Zeit hier haben, aber keinen Animations-Urlaub erwarten." Ihr Tipp: Am Anfang klare Ansagen machen, am besten noch vor der Flugbuchung: "Ihr seid gerne willkommen, aber das ist kein Hotel." Martina und Ehemann Andreas haben aber auch einen gefährlichen Beruf gewählt. Sie sind die "Mobile Massage Mallorca" und verwöhnen ihre Gäste hin und wieder: "Die fragen schon: 'Ach kannst du nicht mal...', aber wir machen das ja auch gerne."

Andere Inselbewohner haben vorgesorgt: Sie geben den Gästen ein klares Zeichen, damit keiner das Haus mit einem All-inclusive-Hotel verwechselt. Zum Beispiel Freunde von Timothea Imionidou: "Die haben eine große Tafel aufgestellt, auf der zehn Punkte stehen. So was wie 1. Wir sind nicht im Urlaub. 2. Wir müssen morgens aufstehen, 3. Wir sind keine Reiseleiter." Eine Idee, die sich die 33-Jährige im nächsten Jahr vielleicht abschaut, denn gerade die Herausforderung als Tourguide oder Animateur zu fungieren, kann den Residenten schon mal unter Druck setzen.

Fast alle sind sich einig: Wenn der Besuch schon mit gepackter Tasche im Flur wartet, bis der Gastgeber nach Hause kommt, um dann etwas Spannendes zu unternehmen, dann geht dem Hausherrn schon mal die Puste aus. Imionidou gibt sich bei Freunden, die zum ersten Mal hier sind, noch besonders viel Mühe, einzigartige Ecken zu präsentieren. Aber ab dem zweiten Mal gibt sie den Leuten auch mal ihr Auto und lässt sie auf eigene Faust über das Eiland fahren: "Dann hau ich mich auch schon mal auf die Couch und lass sie ihren Ausflug alleine machen."

Auch das ist wohl ein Phänomen, das unter Residenten häufiger vorkommt: Dem Gast etwas Besonderes bieten zu wollen. Dabei sind viele Freunde schon mit den einfachsten Dingen glücklich: "Wunderbare lange Gespräche auf der Terrasse, das Essen und Trinken genießen und die Abende lang ausschweifen lassen", so beschreibt Familie Meier den perfekten Urlaub bei den Sulymas.

"Hauptsache, viel Zeit gemeinsam! Ob Pool, Strand, Tapas-Abende oder Partys", sagt Miriam Mausberg über eine schöne Zeit bei der griechischen Freundin. Fabian Preisendörfer erwartet von seinem Gastgeber: "Nichts. Ich möchte ihm ja nicht zur Last fallen." Der 20-Jährige kommt seinen besten Freund Steve Schreiter regelmäßig besuchen.

Zum Ausgleich gibt es kleine Geschenke: "Und ich lade ihn nach Möglichkeit ein paar Mal zum Essen ein". Damit macht Preisendörfer sich zu einem beliebten Gast, denn viele Menschen nimmt Steve Schreiter im Sommer nicht auf: "Zwei, maximal drei Personen kommen vorbei, nacheinander!" Der 23-Jährige hat eine kleine Wohnung in Palma und daher nicht viel Platz für viele Menschen. Er genießt die Zeit mit Freunden, aber auch der Junggeselle kennt die Schattenseiten des Besuchs: "Bei vielen Gästen wird schnell das Geld knapp." Man gehe öfter aus und habe Ausgaben, die sonst nicht auftauchen. Oft mietet der Berliner sich ein Auto, um über die Insel zu kommen. Sind die Leute zum ersten Mal da, fährt er mit ihnen die Highlights ab: "Dann geht es zum Kloster Lluc oder mit dem roten Blitz nach Sóller."

Dem Besuch etwas Besonderes zeigen, das versucht auch Jennifer Helfers. Die Bremerin gibt sich aber auch für Nicht-Neulinge Mühe. Ihre Schwiegermutter Siglinde Morisse kommt die Kinder seit zehn Jahren besuchen und freut sich immer noch, schöne Ecken auf der Insel zu entdecken. Was sie vor allem zu schätzen weiß: "Dass die beiden ihren eigenen Urlaub opfern, um sich mit den Gästen zu beschäftigen." Als Dankeschön bringt die 61-Jährige Aufmerksamkeiten aus Deutschland mit.

Nach einem Jahrzehnt weiß Schwiegertochter Jennifer Helfers, wann das fröhliche Wiedersehen zum "Einander-auf-die-Nerven-gehen" wird: "Wenn der Aufenthalt länger als eine Woche ist. Weder mein Gast noch ich haben dann eine richtige Privatsphäre." Eine Faustregel hat die 31-Jährige auch: "Ganz offen sein mit Unannehmlichkeiten. Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden."

(aus MM 33/2017)