Das Landgut Comassema: Seine Geschichte reicht bis in die islamsiche Epoche Mallorcas zurück. | Patricia Lozano

TW
0

Drei Kilometer geht die Fahrt durch das Bergtal zwischen Orient und Bunyola, dann taucht der Hof von Comassema auf. Die Fahrt führt zugleich in die Geschichte Mallorcas. Denn Comassema ist ein historisches Landgut, dessen Wurzeln in der islamischen Epoche Mallorcas liegen. Oder sogar weit davor. Steinreste auf dem Gebiet der Possesió beweisen: Hier siedelten schon in der frühgeschichtlichen Talaiot-Epoche Menschen.

Am Sonntag, 14. Januar, findet erstmals eine deutschsprachige Führung durch das Gehöft des Gutes statt. Veranstaltet wird sie von der Asociación Cultural Patrimonio Histórico del Mediterraneo. Dessen Präsident ist Diego Zaforteza. Mit "Itinerem" hat er ein Projekt ins Leben gerufen, das sich zum Ziel gesetzt hat, kulturelle Aktivitäten rund um die historischen Landgüter der Insel zu fördern. "Diese Güter bestimmten die Lebensweise der Mallorquiner, über sie lässt sich die mallorquinische Gesellschaft erklären", sagt er.

Zum Beispiel Comassema. Nach der Eroberung Mallorcas verteilte der aragonesische König Jaume I. einen großen Teil der Insel an seine Mitstreiter. Comassema erhielt sein Onkel und Sekretär Nunyo Sanç. Danach ging das Gut durch mehrere Hände, bis es 1354 in den Besitz des Bürgermeisters von Bunyola, Guillem Palou, kam.

Weil Palou ein recht verbreiteter Nachname ist, hieß die Familie nach ihrem Sitz fortan Palou de Comassema. Damit dies so blieb, verfügte Mitte des 17. Jahrhunderts einer von Guillem Palous Nachfahren: Sollte das Gut einst als Erbe in den Besitz einer weiblichen Nachfahrin gehen, müsse sich ihr Gatte und ihre Erben Palou de Comassema nennen.

Bis heute gibt es auf Mallorca den Namen Palou de Comassema. Das Landgut gehört der Familie jedoch nicht mehr. 1889 erwarb Joaquín Coll i Castanyer das Anwesen. Er war der Urgroßvater des heutigen Besitzers Fernando Fortuny, der bei der Führung dabei sein wird.

Das Erste, was der heutige Gutsherr von seinem Gehöft zeigt, ist der Innenhof, auf Mallorquinisch "Clastra". Eigentlich müsste er nach allen Seiten geschlossen sein. Denn in der Einsamkeit boten die dicken Mauern der Gehöfte ihren Bewohnern auch Schutz. Doch weil das alte Gutshaus an einem steilen Hang steht, kann man nach Süden den Blick weit über das Land schweifen lassen. "Deshalb hat der Innenhof ein Licht, das andere Clastras nicht haben", erklärt Fortuny.

Dass ausgerechnet die Sonnenuhr am äußeren Pfeiler des Hofeingangs morgens im Schatten liegt, konnte sich der Hausherr lange nicht erklären. Des Rätsels Lösung ist in der Abhandlung "Die Balearen" von Ludwig Salvator abgebildet. Der Erzherzog hatte das Gut 1860 besucht. Damals endete der Ostflügel des Gebäudes noch mit einer großen Terrasse. Erst Fortunys Urgroßvater zog ihre Mauern höher und überdachte sie. Weil das Fundament jedoch die zusätzliche Last nicht trug, mussten die neuen Wände durch Stützmauern vor dem Einsturz bewahrt werden.

Ähnliche Nachrichten

Über die Jahrhunderte war das Landgut autark. Fleisch, Getreide, Gemüse, Milch und Öl, alles, was zum Leben benötigt wurde, war da. Doch dieses Leben war mit harter Arbeit verbunden. Bis zu 100 Frauen nahmen an der Olivenernte teil. Die Erntehelferinnen waren gewöhnlich zwischen 15 und 19 Jahren alt. Dass sie aus Consell, Llubí, Maria de la Salut, Alaró und Sant Joan kamen, hatte für die 25 Taglöhner und das Dutzend Angestellte den Vorteil, dass sie auf diese Weise junge Frauen aus anderen Orten kennenlernten.

Ein Schmuckstück des Guts ist die Ölmühle, die immer noch funktioniert. Einst wurden die Oliven auch in harter Handarbeit gepresst. Seit rund 100 Jahren geschieht dies maschinell, durch eine motorisierten Vorrichtung mit Museumswert. Wenn Fortuny den Motor in Gang setzt und Riemen und Räder die schweren Mühlsteine bewegen, zieht ein Lächeln über sein Gesicht: "Das ist mein Spielzeug", sagt er.

Der Verkauf von Olivenöl und von Holzkohle waren bedeutende Einkommensquellen für Comassema. Bis das Butangas die Holzkohle verdrängte und moderne Pflanzungen den Anbau in den Bergen unrentabel machten. Heute dienen die Oliven und das Öl nur noch für den Eigenbedarf und als Geschenk für Freunde. "Früher unterhielt die Finca die Familie, jetzt erhält die Familie die Finca", schildert Fortuny den Wandel der Zeiten.

Seit er 30 Jahre alt ist, bestand sein Leben aus zwei Tätigkeiten: Seine Arbeit beim Energieversorger Gesa und der ständigen Instandhaltung von Comassema. "Etwas anderes in meinem Leben habe ich nicht gemacht", sagt er und fügt hinzu: "Hier sind meine Reisen begraben."

Statt Landwirtschaft bieten nun Events, vor allem Hochzeitsfeiern, zusätzliche Einkommensquellen. Wo einst Vieh und Bedienstete untergebracht waren, bietet heute ein Saal mit festlich eingedeckten Tischen Raum für 250 Personen. Zudem hat Fortuny sein Anwesen für Besichtigungen geöffnet. Der Gutsherr sieht das ganz pragmatisch. Für ihn gibt es nur zwei Optionen, und die lauten so: "Sich renovieren oder sterben."

FÜHRUNGEN AUF DEUTSCH

AUSGEBUCHT: Sonntag, 14. Januar, 10.30 Uhr: Führung auf Deutsch durch das Landgut Comassema zwischen Orient und Bunyola, mit anschließendem Vesper.

Sonntag, 28. Januar, 10.30 Uhr: Führung auf Deutsch durch das Landgut Sollerich, eines der größten Besitztümer Mallorcas zwischen Alaró und Orient, mit anschließendem Vesper.

Dauer: Jeweils 2 bis 3 Stunden.
Eintritt: Jeweils 25 Euro.
Anmeldung: Bis vier Tage vor Besichtigung, also bis 24. Januar): galeriaflohr@gmx.net oder 690-218709 (Ingrid Flohr).
Treffpunkt: Wird bei Anmeldung bekannt gegeben.
Hinweis: Die Besichtigungen sind nur für Erwachsene. Die Zahl der Teilnehmer ist begrenzt.