TW
1

Begeistert betrachtet sich die zweijährige Mar in ihrem „Hello Kitty”-Umhang im Spiegel und sitzt dabei in einem roten Mini Cooper. Lucho Riva fährt mit einer Schere behutsam durch das Haar des kleinen Mädchens, das dabei konzentriert einen Zeichentrickfilm verfolgt. Draußen bleiben immer wieder Passanten in Palmas kleiner idyllischer Altstadtgasse an der Kirche Santa Eulália stehen und blicken interessiert durchs Schaufenster. An den Wänden sehen sie Dutzende Fotos, Aufkleber, Wandmalereien und überall kleine Farbakzente. Seinen Laden „Pelokuras” auf Mallorca hat der argentinische Kinderfriseur Riva mit Liebe eingerichtet, denn seine Kunden sind sehr jung – und anspruchsvoll.

„Im Alter zwischen einem und drei Jahren sind die Kinder noch ein bisschen misstrauisch und werden schnell unruhig”, sagt der 42-Jährige. „Da spielt die Angst vor der Schere und dem Unbekannten, der da plötzlich an ihren Kopf will, eine große Rolle.” Wie auch im Fall der kleinen Mar. „Sie hat Angst vorm Föhnen, deshalb kommen wir schon viele Monate hierher”, erzählt Vater Robert. Lucho Riva lenkt das Mädchen mit einem Ballspiel ab. Um sie daran zu gewöhnen, zeigt er ihr geduldig sein Werkzeug und lässt sie selbst die warme Luft mit ihren Händen spüren.

Seit acht Jahren führt Riva seinen Laden an Palmas Carrer Santa Eulália – in dieser Form einzigartig in der Inselhauptstadt. Der 1,65 Meter kleine Mann ist gelernter Friseur und war schon in seiner südamerikanischen Heimat in einem Laden speziell für Kinder tätig. Auch seine Mutter und Großmutter seien gelernte Friseurinnen. Ab und zu ernte er Kommentare, weil ein Mann in dem Alter mit diesem Beruf eher ungewöhnlich sei. „Das ist aber nun mal meine Leidenschaft”, entgegnet der freundliche Besitzer grinsend.

In die Baleareninsel habe er sich bereits vor zwölf Jahren verliebt. Die aufgeweckte und einfühlsame Art des jung gebliebenen Mannes eignet sich augenscheinlich, um sich auf das verspielte kindliche Wesen einzustellen. Besonders in den Abendstunden geben sich die Kunden mit ihrem Nachwuchs hier die Klinke in die Hand. Und das Energiebündel wirkt bei Ladenschluss um 20 Uhr genauso aufgeweckt wie bei Öffnung um zehn Uhr.

Ähnliche Nachrichten

Seine kreative Ader hat Lucho schon als Cine Director beim Film genutzt. In dem liebevoll eingerichteten Laden möchte er es Kindern leicht machen, sich wohlzufühlen. Nicht nur die beiden Friseur-stühle, getarnt als Mini Cooper oder Barbie-Auto, auch die verspielten Details, Kissen und Kuscheltiere lenken die kleinen Kunden mit dem meist großen Bewegungsdrang ab. Mit Erlaubnis der Eltern dürfen sie Zeichentrickfilme auf einem Playstation-Monitor sehen. Und wenn nichts hilft, zaubert der Friseur mit kleinen Showeinlagen und Überraschungen auf jedes noch so misstrauische Gesicht ein Lächeln.

Die Jungs schlüpften zur Beruhigung gerne in den Superman-Umhang, Mädchen seien etwas mutiger, weiß der argentinische Friseur. Jungen und Mädchen kämen in etwa gleicher Zahl zu ihm. 85 Prozent seiner Kunden seien Kinder, erzählt Riva. Ab und an kämen auch Erwachsene, für die er natürlich normale Stühle parat hat. Sein Kundenstamm erweitere sich aufgrund der zahlreichen Passanten in Palmas beliebter Altstadt jedes Jahr. Kleine Gäste aus Deutschland, der Schweiz, England, Frankreich und Italien habe er neben den Mallorquinern häufig.

Er spreche zwar nur ein wenig Englisch, aber Beschwerden oder Probleme wegen der Verständigung über den Haarschnitt habe es noch nie gegeben, so der 42-Jährige. „Wir verstehen uns”, sagt er mit einem breiten Lächeln und nimmt Mar den Umhang ab. Das Konzept geht auf: Der Friseurbesuch ist ohne Tränen verlaufen.

(aus MM 06/2019)