Im „Vino y más” gibt es Kleinigkeiten wie Würstchen und Frikadellen zu essen. Freitags macht Erna Reibekuchen. | nimü

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Der Winter verabschiedet sich. Auch in Peguera im Südwesten von Mallorca wird überall geschraubt und gehämmert. Wirte machen ihre Lokale fit für die bevorstehende Saison. Erna Hepp hat das nicht nötig. In ihrem „Vino y más” gab es keine Winterpause. Die Wirtin: „Wo sollen die Leute denn sonst hingehen?”

Die 67-Jährige ist ein Urgestein des Tourismus in Peguera. Schon vor 35 Jahren machte sie eine Kneipe auf Mallorca auf. Damals wagte sie die ersten Schritte auf der Insel in Can Pastilla an der Playa de Palma. Wenige Wochen nach der Geburt ihrer jüngsten Tochter übernahm sie ein Lokal hinter der heutigen Filiale von Kentucky Fried Chicken. Klein, aber mit einer großen Terrasse. „Das war damals schon Mut”, erinnert sich die Gastronomin. „Man könnte auch sagen, ein bisschen verrückt ...” Mallorcas legendärer Mietwagenkönig Hasso Schützendorf gehörte zu den Stammkunden im „Kieler Jung” (den Namen hatte die Wirtin vom Vorgänger übernommen), holte Erna auch schon mal im Rolls Royce ab. Die Mutter des späteren Promi-Immobilienunternehmers Matthias Kühn schaute ebenfalls häufiger vorbei. Damals ahnte Erna Hepp noch nicht, dass Peguera im Südwesten der Insel einmal so etwas wie ihre Heimat werden sollte.

Apropos Heimat. Erna wurde im rumänischen Timisoara geboren, wuchs dort auch auf als Tochter von sogenannten Banater-Schwaben. Der Akzent klingt heute noch, wenn sie erzählt. Erna war in Timisoara bis zum 17. Lebensjahr zu Hause, besuchte eine deutsche Schule, dann siedelte die Familie nach Freiburg im Breisgau über. Zwar hatte Erna etwas Kaufmännisches gelernt, aber schon früh in der Gastronomie gejobbt. „Das war irgendwie mein Ding.” Mit 20 das erste Lokal, später ein kleines Hotel mit Restaurant und Kegelbahn. „Wie das damals so war.” Der erste Mann, zwei Kinder, Scheidung. „So ist das halt im Leben ...”

Mit dem zweiten Ehemann dann der Umzug nach Mallorca. Ein Jahr Can Pastilla, gefolgt von Peguera. Warum ist es dort besonders schön? „Für mich, weil ich es kenne. Ansonsten kann ich das wirklich nicht sagen”, meint sie heute. „Zum Fässchen“ hieß das erste Lokal, das sie in Peguera übernommen hat. Es folgten unter anderem ein Musik-Café nebenan, wo ihr Bruder aufspielte. „Ich komme aus einer Musikerfamilie. Meine Eltern waren Musiklehrer. Wir sind drei Geschwister, ich bin immer die Ausnahme gewesen.” Sprich: Der Bruder besuchte das Konservatorium, wurde Multi-Instrumentalist, Spezialität der Schwester wurde die Geige. Und Erna? „Ich musste mal Klavier lernen.” Ihre Begeisterung für die Musik lebt bis heute. Sie hört aber lieber zu. Im „Vino y más” treten regelmäßig Künstler auf.

Als in den 90ern der Eiserne Vorhang gefallen war, folgte Erna ihrem aus Rumänien stammenden Mann nach Timisoara. Sie hatte eine Pizzeria, er baute eine Brennerei auf. Dann kam wieder eine Wende. Erna kehrte zurück nach Freiburg und trennte sich vom Ehemann. Der hatte später Probleme mit dem aufgebauten Imperium, das zerbrach. „Mittlerweile war ich schon 56 und stand wieder vor einem Neuanfang”, erinnert sich Erna. „Ich arbeite gern. Ich arbeite viel. Ich habe in Freiburg eine Wohnung gefunden, die Gastronomie eines Fußballclubs übernommen. Es war zunächst ganz schlimm, aber ich habe mich berappelt”, meint die Kämpfernatur. „Ich bekam wieder Boden unter den Füßen.”

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Die Erinnerung an Mallorca ließ Erna nie ganz los. Sie wollte es noch einmal versuchen, zunächst als Angestellte, dann ab 2007 in ihrem „Vino y más”. Ihr ursprüngliches Konzept für das Lokal ging nicht auf. „Jeder in Peguera wusste, Erna ist wieder da”, schmunzelt die Wirtin. Aber Erna wollte den Gästen nicht das Gleiche bieten wie ein paar Jahre zuvor. „Es gibt ja auch Deutsche, die gerne mal spanischen Wein trinken oder spanische Tapas essen. Ich hatte vor, eine Art Bodega aufzumachen.” Doch die „alten” Gäste, die Stammurlauber, wollten nicht an Tischen sitzen, sondern stehen. Und das Essen spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Heute ist Erna überzeugt von ihrem Lokal, das sich zu einem der Top-Treffpunkte Pegueras entwickelt hat. „Ich bestehe auf dem Wort Kneipe. Es ist ein Kommunikationszentrum. Hier sitzt der Arbeiter neben dem Golfspieler und sie reden zusammen.”

Peguera hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Vor allem im Winter. Erna Hepp kennt die alten Zeiten und weiß, wie es heute ist. Früher war der Ort auch in den kälteren Monaten bei deutschen Senioren-Urlaubern angesagt. Besseres Wetter als in Deutschland bei günstigeren Preisen. „Die Überwinterer gibt es gar nicht mehr. Es ist zu teuer geworden”, meint Erna. „In diesem Winter hatten nur zwei Hotels geöffnet, das muss man sich mal vorstellen. Es kann doch nicht sein, dass Leute herkommen wollen und kein Bett finden. Aber es geht nur noch um Zahlen. Hier sind ausschließlich Hotelketten vertreten, die brauchen die kleinen Lokale nicht. Die wollen, dass die Gäste an der Bar bleiben. Es wird immer propagiert, dass der Tourismus im Winter gefördert werden soll. Ich verstehe nicht, dass die Gemeinde Calvià keine Vorschrift erlässt, dass eine Mindestanzahl von Hotelbetten vorhanden sein muss.”

Immer noch kommen in der Nebensaison viele vor allem ältere Urlauber nach Peguera, zum Beispiel zum Wandern, und wohnen in Apartments. „Aber die gehen abends kein Bier trinken.”

In Erna Hepps „Kommunikationszentrum” wurde in den vergangenen Tagen mit viel Spaß Karneval gefeiert. Wenn es nach der Wirtin geht, soll das auch in Zukunft so sein. „Ich bin 67, aber fit. Zwei oder drei Jahre will ich noch machen.” Und sollte dann tatsächlich Schluss sein mit der Kneipe, dann hätte Peguera ein Original weniger.

(aus MM 10/2019)