Bei Dinner in Weiß im Sa-Riera-Park kamen alte Freunde zusammen und neue Bekanntschaften wurden gemacht. | Archiv

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Es ist ein Vorkommnis, das vielen Normalos Jahr für Jahr im Juni die Augen übergehen lässt: Hunderte ganz in weiße Gewänder gekleidete Menschen kommen einem Flashmob gleich auf einem öffentlichen Gelände in Palma zusammen, setzen sich an Tische und schlemmen fast wie im Rausch. Einige haben schicke Hüte auf, andere nicht, wiederum andere ergötzen die Passanten mit wohlgeformten Masken auf ihren Antlitzen.

„In diesem Jahr findet das Ganze am 15. Juni um 20 Uhr statt”, frohlockt Alejandro Macià. „Doch erst 20 Minuten davor werden die Leute gewahr, wo genau die ‚Cena en blanco’ (Abendessen in Weiß) über die Bühne geht.” Der Werbedesigner stellt diesen Überraschungsevent seit 2010 auf die Beine, er fand bereits unter anderem auf dem Gelände der San-Carlos-Festung nahe der Mole Dic de l’Oest , im Innenhof des wuchtigen Misericòrdia-Baus oder auf der Stadtmauer Baluard del Príncep statt. Im vergangenen Jahr ging das ins Auge stechende Ess-Happening im Hof Ses Voltes mit sage und schreibe 1000 Teilnehmern unterhalb der Kathedrale über die Bühne, nunmehr steigt es bereits zum zehnten Mal.

Um ein illegales Unterfangen handelt es sich dabei mitnichten, so Alejandro Macià zu MM. „Das läuft alles mit dem Segen der Stadt ab, und die ist sogar einverstanden damit, ebenfalls erst kurz davor zu erfahren, wo alles abläuft.” Drei Orte gebe man den Behörden aber vorher immer durch, auf dass sie nicht ganz kalt erwischt werden. Auch die Polizei erfährt erst kurz davor von dem magenfüllenden Ereignis.

Elitär wie viele vielleicht denken mögen sei die „Cena en blanco” nicht, so Alejandro Macià. „Neben Künstlern und Unternehmern gibt es etwa einen Tisch nur mit Krankenschwestern aus dem Son-Espases-Hospital.” Auch Ausländer seien regelmäßig dabei – Deutsche, Briten, sogar Letten. Es gehe darum, Menschen aus unterschiedlichen Schichten und unterschiedlicher Herkunft, die sich nicht kennen, zusammenzubringen. Man gehe genauso vor wie Organisatoren in Städten wie Quebec, Montreal oder New York, wo man sich als Ausnahme-Hipster fühlen kann, wenn man die Ehre hat, dabei sein zu dürfen. Ersonnen wurde das Open-Air-Abendessen 1988 in Paris, damals allerdings nur für Marineoffiziere.

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Um mitmachen zu können, muss man von einem der sogenannten Tischherren eingeladen werden. Erstmals – es ist halt das zehnte Mal – haben diesmal aber auch Menschen, die nicht herbeigebeten wurden, die Chance, sich in Weiß werfen 
zu können. „Es wird einen Spezialtisch für 100 Leute geben, man kann sich bis zum 7. Juni unter 
www.cenaenblancomallorca. com eintragen”, sagt Alejandro Macià. 19 Euro ist die Einschreibungsgebühr, das Essen muss selbst mitgebracht werden. Für die Platzierung der Tische und Stühle sorgen Macià zufolge blitzschnell agierende Helfer.

„Das Ganze passt bestens zur Inseltradition des Sopar a la fresca”, weiß Macià. Solche Essen werden in den warmen Monaten in Dörfern seit ewigen Zeiten im öffentlichen Raum veranstaltet, allerdings nicht mit weiß gekleideten Menschen.

Um den Augenschmaus zu garantieren, besteht Alejandro Macià darauf, dass nicht nur das Hemd, Kleid oder T-Shirt blütenweiß ist, sondern auch die Hose. „Dunkle Hosen sind tabu.” Bei denjenigen jedoch, die mit dunkleren Schuhen statt hellen am Ort des Geschehens auftauchen, werden beide Augen zugedrückt. Es geht halt darum, ein Gesamtkunstwerk zu kreieren.

(aus MM 23/2019)