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Mallorca Magazin: Frau Christiansen, 2011 waren Sie Ehrengast bei der 40-Jahr-Feier des Mallorca Magazins. Sie hielten damals den Vortrag: "Mallorca auf dem (richtigen?) Weg in die Zukunft". Jetzt sind Sie wieder einmal zum Arbeiten nach Mallorca gekommen: Beim European Accounting Steuerkongress moderieren Sie eine Diskussion zum Thema "Leben und Arbeiten auf Mallorca". Wäre das auch eine Option für Sie persönlich?

Sabine Christiansen: Nein, das ist leider noch nicht möglich. Meine Tätigkeiten als Geschäftsführerin der TV21 GmbH, als Aufsichtsrätin sowie in Consulting- und Wirtschaftsgremien lassen das nicht zu. Die Vielfalt der Aufgaben ist so interessant, da werde ich noch viele Jahre in Deutschland arbeiten.

MM: Gearbeitet "für" die Balearen haben Sie bereits an anderer Stelle: 2008 wurden Sie von der Regionalregierung zur "Botschafterin der Kommunikation" ernannt. Auf der Internationalen Tourismusbörse ITB rührten Sie die Werbetrommel für mehr Umweltschutz und Qualitätstourismus auf Mallorca. Wie sehen Sie das heute?

Christiansen: Damals lag der Fokus auf dem seinerzeit noch sperrigen Wort "Nachhaltigkeit" und der Frage, worin kann sich Mallorca unterscheiden von anderen Destinationen. Wir sagten, Mallorca muss sich schützen und seine Vielfältigkeit und Natur bewahren, statt zu einer zweiten hippen Partyinsel wie Ibiza werden zu wollen. Und somit mehr auf Qualität als auf Quantität setzen. Auf diesem Weg ist Mallorca ein ganzes Stück vorangekommen. Aber der Weg ist noch lange nicht zu Ende gegangen.

MM: Inwiefern?

Christiansen: Nehmen wir den Straßenverkehr. Diese vielen Staus, der Kollaps, wie wir ihn erleben, war abzusehen. Dass hier nicht etwa in eine Flughafenbahn investiert wurde, die in die Zentren fährt, verstehe ich nicht. Damit ließen sich viele Busse und sehr viele Mietwagen einsparen.

MM: Wie und wo lebt Sabine Christiansen aktuell?

Christiansen: Ich bin mit meinem Mann (dem französischen Unternehmer Norbert Médus, Anmerkung der Red.) jetzt etwas weniger in Paris, lebe und arbeite viel in Berlin und Hamburg. Wir bewegen uns in dieser Triangel, wenn wir nicht auf Mallorca sind.

MM: Wie viel Zeit im Jahr verbringen Sie in Ihrem Haus in Port d Andratx?

Christiansen: Drei bis vier Monaten kommen da zusammen, häufig auch im Winter. Eine Woche Mallorca reicht ja schon, um aus dem Grau herauszukommen.

MM: Vor fünf Jahren sorgten Sie mit Kritik an Port d Andratx für Aufsehen. Der Ort sei zu stark verbaut, die Gastronomie zu einseitig. Sehen Sie das nach wie vor so?

Christiansen: Es gibt leider zu wenig Veränderungen. Die Hafenpromenade könnte in Teilen gepflegter und hochwertiger angelegt sein, mit mehr Bäumen und Bänken. In Portals, Santa Ponça, Calvià et cetera sehe ich nur schön begrünte und geschnittene Grünzonen. In Port d Andratx begrüßen riesige Werbeplakate, Unkraut und verrottete Boote die Besucher. Aber im Ort hält offenbar manche Uneinigkeit zwischen Rathaus und Hafenbehörde, die für die erste Meereslinie zuständig ist, an. Ich bin aber froh, dass der Port nach wie vor ein Hafen ist, in dem Fischer ihrer Arbeit nachgehen, wenn auch nicht mehr so viele wie früher. Wie auch immer, ich bleibe Port d Andratx treu.

MM: Sie kennen nicht nur Ihren Hafenort, sondern die gesamte touristische Destination Mallorca seit 28 Jahren. Wie bewerten Sie das Image der Insel derzeit?

Christiansen: Das Image ist gut. Die Insel hat eine Aufwertung erfahren. Das lag zum einen am notwendigen Durchgreifen bei Sauftouristen und "Bikini-Urlaubern", die in Badebekleidung durch das Zentrum von Palma flanieren. Zum anderen, dass man aus dem Billigtourismus – sprich: 400 Euro inklusive Flug und Hotel für zehn Tage – etwas herauswächst. Das ist eine Entwicklung hin zu einem hochwertigeren Tourismus. Was nicht heißt, dass man die Familien vertreiben und nur noch auf Fünf-Sterne-Luxus setzen möchte.

MM: 2019 werden weniger Urlauber auf der Insel gezählt als vor einem Jahr. Und am Horizont droht der Brexit.

Christiansen: Nach den vergangenen Rekordjahren und der Rückkehr anderer Wettbewerber am Mittelmeer wie der Türkei mit attraktiven Inklusiv-Angeboten verteilt sich das Besucheraufkommen wieder auf Normalniveau. Was die Briten betrifft, glaube ich, dass viele von ihnen, die sich hier wohlgefühlt haben, weiterhin nach Mallorca kommen werden.

MM: In Palma gab es im vergangenen Jahr tourismuskritische Diskussionen um Massifizierung. Der Einlauf der Kreuzfahrtschiffe soll zudem gestaffelt und gedeckelt werden, um Luftverschmutzung zu vermeiden. Ist das eine Tendenz, wie sie in vielen Kreuzfahrthäfen vorzufinden ist?

Christiansen: Da sind zwei Dinge zu unterscheiden: Massifizierung oder "Overtourism" ist, wenn wie im Rekordjahr 2018 sich ohnehin sehr viele Urlauber auf Mallorca aufhalten, und dann bei drei Wolken am Himmel alle entscheiden, einen Shopping-Tag in Palma einzulegen. Bei den Schiffen stellt sich, wie in Venedig, die Frage, wie viele lässt die Verwaltung von vornherein zu? Wenn man über Jahre auf Wachstum setzte und Umweltaspekte bislang keine Rolle spielten, dann kommt es zu Situationen, wie wir sie heute kennen.

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MM: Sollte man also den Einlauf der Schiffe deckeln?

Christiansen: Venedig, Dubrovnik, Rom, das sind alles Overtourism-Plätze, da muss etwas passieren. In Palma wiederum ist es davon abhängig, was für Schiffe man zulassen möchte. Es gibt ja nicht nur solche, die mit Schweröl fahren, sondern mit dem deutlich umweltfreundlicheren Flüssiggas. Hapag Lloyd zum Beispiel hat gerade diese Woche angekündigt, künftig auf Schweröl zu verzichten. Drei saubere Schiffe im Hafen, was spricht dagegen? Andererseits entsteht die Umweltverschmutzung ja nicht nur durch Kreuzfahrtschiffe, sondern auch durch Fähren und Frachter. Da besteht ebenfalls Handlungsbedarf.

MM: Ist Mallorca für Sie Massentourismus, Qualitätstourismus oder gar beides?

Christiansen: Beides. Das eine gibt es nur durch das andere. Erst der Massentourismus ermöglicht die guten Fluganbindungen der Insel. Diese erlauben es, die Qualität Mallorcas ganzjährig zu genießen. Beide Tourismusarten können nebeneinander gut auf der Insel leben. Und gefühlt, würde ich sagen, hat sich das Verhältnis in Richtung Qualität entwickelt, wenn man die Zunahme an Finca- und Boutique-Hotels im Inselinnern betrachtet. Das hat zu einem Anstieg des Qualitäts- und Familientourismus geführt.

MM: Braucht die Altstadt von Palma mehr Boutique-Hotels? Oder gibt es schon zu viele?

Christiansen: Ich kenne die genaue Anzahl nicht, aber was man so sieht, da glaube ich, in der Altstadt gibt es wirklich genug. Auch ein Viertel wie Santa Catalina braucht keine weiteren Hotels. Aber wenn sich andere Viertel wie etwa El Terreno weiterentwickeln, dann könnte dort vielleicht das eine oder andere Hotel noch entstehen.

MM: Wie empfinden Sie die Preise in der Gastronomie? Stimmt das Preis-Leistungsverhältnis?

Christiansen: Nein, nicht immer. Aber es stimmt noch weniger an der Côte d Azur, Sardinien und an anderen Orten, wo ein Teller Nudeln weit überteuert ist. Im Vergleich dazu geht es auf Mallorca noch. Manches ist übertrieben, meist in Tourismuszentren. Nicht so hingegen in Palma. Man bekommt zum Teil sehr gute Qualität. Insbesondere Mittagsmenüs von tollen Restaurants und Köchen bieten mitunter ein fantastisches Preis-Leistungs-Verhältnis.

MM: Was sind die größten Herausforderungen für die Insel?

Christiansen: Ganz klar: Overtourism vermeiden. Wenn Gäste auf Kreuzfahrtschiffen alles inklusive gebucht haben, lassen sie relativ wenig Geld auf der Insel. Die Umstrukturierung des Verkehrs ist zudem bisher unterblieben. Hier fehlen Angebote im öffentlichen Nahverkehr per Bahn und E-Bus. Aber man spürt, dass die Insel mehr und mehr in Richtung Nachhaltigkeit drängt. Wichtig ist zudem die Müllvermeidung. Es gibt viele kommunale Angebote, wo man seinen Sperrmüll gratis abgeben kann. Doch das ist noch nicht in den Köpfen angekommen. Mülltrennung findet nicht ausreichend statt, obgleich die unterschiedlichen Abfallbehälter vorhanden sind.

MM: Frau Christiansen, Sie waren als Wirtschafts- und Politikredakteurin im Fernsehen jahrzehntelang stets am Puls der Zeit. Gibt es da so etwas wie einen Suchtfaktor, alles immer so frühzeitig und so genau wie möglich wissen zu wollen?

Christiansen: Ja, den gibt es. Und der lässt einen auch nur schwer wieder los. Das Erste und das Letzte, was ich am Tag mache, ist, mir die Nachrichten anzusehen. Die Neugier bleibt, doch mit den Jahren nimmt der Wunsch nach Tiefe zu, eben den Dingen auf den Grund zu gehen. Der sogenannte konstruktive Journalismus ist mehr und mehr im Kommen. Es gilt, nicht einfach nur negative Zustände anzuprangern, sondern in Zusammenarbeit mit Experten Lösungsansätze zu suchen, zu beschreiben, anzubieten.

MM: Mit welchen Projekten sind Sie aktuell beschäftigt?

Christiansen: Ich übe die unternehmerische Leitung meiner Medien-, Produktions- und Beratungsfirma aus. Die Herausforderungen in den Aufsichtsräten werden bei dieser angespannten Wirtschaftslage auch größer. Sozial bin ich seit über 30 Jahren bei Unicef engagiert, hinzu kommen die Große Laureus Sport-Stiftung und meine eigene Kinder-Stiftung.

MM: Das heißt, die Memoiren müssen warten?

Christiansen: Dazu ist es noch viel zu früh (lacht). Da kommen noch ein paar Kapitel.

Mit Sabine Christiansen sprach Alexander Sepasgosarian

(aus MM 40/2019)