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„Am Anfang stand die Sinnfrage” erklärt Tatjana Strobel. „Ich habe mich vor drei Jahren auf den Weg gemacht, herauszufinden, was mir wirklich wichtig ist im Leben.” Eigentlich habe sie alles gehabt, was Außenstehende einem „glücklichen Leben” zuschreiben. „Ich war erfolgreiche Autorin, verdiente viel Geld, pendelte zwischen der Schweiz und Mallorca. Und doch war da diese Leere. Je mehr ich versuchte, sie mit materiellen Dingen zu füllen, umso leerer fühlte ich mich.”

Also traf die Autorin die Entscheidung, für einige Monate mit einem Urvolk in Afrika zu leben. Auf den Weg dorthin gab ihr ein enger Vertrauter einen Pullover mit, verbunden mit dem Wunsch, was immer sie in Afrika erleben sollte, sie möge es mit dem Pulli teilen. „Der Freund sagte mir, dieser Pullover stehe ab sofort für ihn, auf diese Weise könne ich mich ihm nahe fühlen.”

Während ihrer Zeit bei einem Stamm der Mijikenda in Kenia sprach Strobel jeden Abend mit dem Pullover. „Am Anfang dachte ich, ich bin bekloppt, etwa so wie Tom Hanks, als er im Film ,Castaway’ auf einer einsamen Insel strandet und beginnt, Gespräche mit einem Volleyball zu führen”, so Strobel lachend. Aber der Pullover wurde zu einem wichtigen Teil ihres Lebens.

„Nach meiner Rückkehr saß ich mit Bekannten in Puerto Portals und der Schampus floss”, erzählt sie. „Ich fand das in dem Moment alles so absurd, ich habe die ganze Zeit ausgerechnet, wie viele Kinder man von dem Geld, das wir dort ausgaben, in die Schule schicken könnte. Als ich nach Hause kam, habe ich bitterlich geweint. Anschließend wurde ich krank, musste mehrere OPs über mich ergehen lassen. Ich wusste, so kann es nicht weitergehen.”

Und so beschloss die Autorin, dass sie Kindern etwas zurückgeben wollte und begann, „Pillou, der sprechende Pullover” zu schreiben. Dazu holte sie den Pullover, der sie nach Afrika begleitet hatte, wieder aus der Schublade. „Mein Ziel war es, ein Buch zu schreiben, das Kinder und Erwachsene gleichermaßen berührt.”

Beim Verfassen half ihr die Erfahrung als Hypnosetherapeutin. „Ich muss bei meiner Arbeit mit Erwachsenen ja sehr oft negative Erfahrungen aus der Kindheit aufarbeiten”, so Strobel. „Das sind die idealen Voraussetzungen für ein Kinderbuch.”

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„Ein Buch schreibt sich unheimlich schnell, ich hatte die Thematik ja schon lange in meinem Kopf”. In ihrem Werk hat Strobel auch die Geschichte eines ihr nahestehenden Kindes verarbeitet, das an einer Schulphobie leidet, weil es in Mathe immer wieder „versagt”. „Es reagiert schon mit körperlichen Symptomen.”

In „Pillou” geht es um ein Mädchen namens Mia, das vor Prüfungen extreme Angst entwickelt. Ein weiteres Problem ist die Ersatzlehrerin, die gehässig wird, weil sie von den Schülern keine Liebe bekommt, obwohl sie sich Mühe gibt.

„So habe ich auch das ein oder andere Problem der Erwachsenen mit eingebaut.” Ein von Mias Großmutter gestrickter Pullover wird schließlich zum engsten Vertrauten des Mädchens. Und Pillou, so der Name des Kleidungsstücks, beginnt zu sprechen.

„Im Buch befinden sich auch Herausforderungen des Elternalltags. Ängste, nicht gut genug zu sein, und zu enttäuschen, sowie Beziehungen aller Art. Der Eltern-Kind-Konflikt wird ebenso behandelt wie die Beziehung zwischen Enkeln und Großeltern. „Es soll nicht nur ein Buch bleiben, wir wollen ein ‚Pillou-versum’ schaffen”, so Strobel. Ein Projekt, das hilft, dass Traumata bei Kindern gar nicht erst entstehen. „Das Feedback, von Kindern, Eltern, Lehrern und Pädagogen ist schon super. Weitere Bände sind geplant.”

Und die eigene Leere der Autorin, ist sie gefüllt? „Ja”, sagt Strobel strahlend. „Denn ich habe mich mit mir selbst auseinandergesetzt. Das war sehr heilsam.”

(aus MM 38/2020)