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Wem Michaela Amler einmal verraten hat, was sie beruflich macht, und vor allem welchen Charakter sie verkörpert, der kommt sehr oft mit dem gleichen Satz um die Ecke: „Kannst du mal den Milhouse machen?” Dann lächelt Amler meistens und tut dem Simpsons Fan den Gefallen. Die gebürtige Münchnerin ist ausgebildete Schauspielerin und Werbe- sowie Synchronsprecherin. Ihre wohl bekannteste Rolle ist der kleine Schlaumeier mit der gelben Haut, den dicken Brillengläsern und den blauen Haaren. Sie ist die Stimme von Milhouse van Houten, dem besten Freund, der Comicfigur Bart Simpson.

Seit dem 13. September 1991 gibt es die Simpsons im deutschen Fernsehen. Michaela Amler denkt gerne an die Anfänge zurück. „Für uns Sprecher war damals Disney der Goldstandard für Zeichentrick, und bei den Gelben, anfangs schlecht gezeichneten Figuren, dachten wir uns damals, was ist das denn?”

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Für das Casting der deutschen Synchronstimmen im Jahr 1990 mussten alle Casting-Teilnehmer sämtliche Rollen einmal sprechen. Das Material wurde dann in die USA geschickt, und dort entschieden die Macher der Serie, welche Stimme am besten zu welcher Rolle passt. „Niemand von uns hätte ahnen können, welche Eigendynamik diese Show entwickelt”, erinnert sich Amler, „und ich schätze, die Kollegen, die damals eine Rolle abgelehnt haben, ärgern sich noch heute darüber.”

Gerüchten zu Folge bekommen die amerikanischen Original-Stimmen der Hauptcharaktere 500.000 Dollar pro Folge. „Davon sind wir deutschen Sprecher Lichtjahre entfernt”, lacht die Werbestimme, „aber klar, die Rolle von Milhouse ist für mich seit vielen Jahren eine verlässliche Einnahmequelle. Außerdem macht sie mir immer noch Spaß. Er ist ein liebenswerter und niedlicher Nerd, der in jedes Fettnäpfchen tritt. Er ist altklug und unglücklich in Barts Schwester Lisa verliebt. Er ist extrem kurzsichtig und hat ein verkorkstes Elternhaus. Die eine oder andere seiner Eigenschaften entdecken die Zuschauer in sich selbst wieder, und das macht ihn zu einer so beliebten Figur bei den Fans der Serie.”

Die Rolle des kleinen Besserwissers ist nicht die einzige große Figur in ihrem Werdegang als Synchronsprecherin. Über die Jahre hat Amler mehr als 350 Charakteren ihre Stimme geschenkt. So war sie zum Beispiel Darla Einstein aus der Serie „Reich und Schön”. Sie hatte Rollen in Kult-Serien wie Alf, die Muppets, Dallas, Denver oder auch „Die Dornenvögel”. Als Werbestimme hat sie für die größten Unternehmen Deutschlands gearbeitet und außerdem unzählige Projekte wie Hörbücher, Voiceover, Kommentare und E-Learnings realisiert. Als Schauspielerin war ihr letzter Kinoauftritt in dem Film „Das Leben der Hildegard von Bingen”. Und sie stand mit Stars wie Mario Adorf im Studio. Des Weiteren ist Michaela Amler Regisseurin für Synchronrollen, Traurednerin und zertifizierte Yogalehrerin.

Die Leidenschaft für Mallorca entwickelte sich bei der Münchnerin aus der Sprecherkabine heraus. „Wenn du den ganzen Tag in der Kabine stehst, ins künstliche Licht schaust und klimatisierte Luft atmest, dann brauchst du einen Ausgleich. Für mich war es das Leben auf Mallorca, mit 300 Tagen Sonne, viel Natur und immer etwas salziger Meeresluft in der Nase. Allerdings muss ich gestehen”, schmunzelt die Frau aus Port de Sóller, „ich war früher Ibiza-Fan und erst 1982 das erste Mal auf Mallorca. Dann aber auch nach und nach hoffnungslos verliebt in die Insel.”

Ein paar Jahre später verlagerte sie, zusammen mit ihrem Ehemann aus New York, ihren Lebensmittelpunkt auf die Insel. Seitdem pendelt Amler regelmäßig zwischen Deutschland und Mallorca. Besonders, wenn die neuen Drehbücher der Simpsons in München eintreffen, freut sie sich auf ein paar Wochen in Deutschland.

„Was mich und Milhouse persönlich verbindet ist zwar lediglich die rote Brille, aber ich erwische mich immer wieder, wie ich nach einem Tag als gelbe Comic-Figur in der Sprecherkabine am Abend noch über den einen oder anderen Witz lachen muss.” Milhouse und somit auch Michaela Amler hatten ihren ersten Auftritt 1991 in der Weihnachtsepisode der ersten Staffel der Simpsons. Die Serie läuft seit fast 30 Jahren auf verschiedenen Sendern im deutschen Fernsehen, und es ist kein Ende in Sicht. Oder doch? In der Tat gab es 2019 Gerüchte über ein Ende der Simpsons: „Ich weiß es nicht sicher, aber ich habe gehört, es geht dem Ende entgegen. 30 Staffeln sind doch auch eine runde Sache”, spekulierte damals Danny Elfman, der Erfinder der markanten Titelmelodie in einem Podcast. Zwei Jahre und zwei Staffeln später gibt es die Serie immer noch. Michaela Amler sieht das so: „Ich glaube, die Simpsons hören niemals auf. Sie sind so sehr Kult geworden, dass sie nicht aufhören dürfen. Das würde die riesige Fangemeinde einfach nicht zulassen.”

Der Wiedererkennungswert eines Synchronsprechers, ist natürlich nicht derselbe wie der eines Schauspielers, aber hin und wieder passiert es eben doch, dass Amler erkannt wird.

„Die Leute sagen oft, dass sie meine Stimme kennen, aber meistens nicht wissen, woher. Simpsons Fans erkennen mich meistens an meinem Lachen, denn ich passe meine Stimme zwar meiner Rolle an, mein Lachen ist aber echt. Ich hatte mal eine Situation in einem Restaurant, als ich laut loslachen musst weil mein Mann etwas Witziges gesagt hat und plötzlich stand ein junges Mädchen neben mir und fragt ,Sag mal, bist du nicht der Milhouse?’”