Angie Heiss bei der Lesung in der Kulturfinca Son Bauló in der vergangenen Woche. | mh

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Bis ihr toter Mann anfing, mit ihr zu sprechen, habe sie nie an Übersinnliches geglaubt. Das betont Angie Heiss immer wieder. „Ich hatte mit Gott und alldem nichts am Hut. Heute gehört es dazu, ein lebendiges Gespräch mit Verstorbenen zu führen.”

Angie Heiss sitzt am Kopf der langen Tafel in der Kulturfinca Son Bauló. Auch sie erscheint regelmäßig beim Autorentreff, der hier stattfindet, nur präsentiert sie heute zum ersten Mal ein eigenes Werk. Die dunklen, wallenden Locken umrahmen ihr rundliches Gesicht, beide Handflächen liegen gerade auf dem Tisch. Zehn Zuhörer haben links und rechts von der Autorin Platz genommen und lassen sich berieseln. Während die einen aufmerksam an ihren Lippen hängen, verschränken andere mit skeptischem Blick die Arme vor der Brust. Kein Wunder, ein Buch, diktiert von einem Toten – das ist nichts für Anfänger. Angie Heiss liest an diesem Donnerstagabend Passagen aus: „Unfassbar, bitte glaube doch, dass ich mental mit Dir spreche”. 272 Seiten, die durch sogenanntes „mediales Schreiben” entstanden sind, wie Heiss sagt. Diktiert von ihrem Ehemann, der im August 2015 verstorben ist.

21 Jahre lang war Andrea, alias Angie Heiss, mit ihrem Ehemann Wendell zusammen, seit 2006 lebten sie auf Mallorca, tourten als Musikduo Firenight durch Clubs und Bars der Insel, bis Angie Heiss einen Anruf aus dem Krankenhaus von Inca erhielt: „Sie sagten, er habe Löcher im Darm und sie müssten ihn notoperieren. Da wusste ich bereits, ich sehe ihn nicht wieder.” Wendell Heiss verstarb und seine Frau fiel in ein tiefes Loch aus Trauer und Verzweiflung: „Ich habe drei Wochen lang nur geweint. ,Schreib es auf, Angie’, sagte dann eine Freundin zu mir. Und das habe ich gemacht.”

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Erst wusste die 58-Jährige nicht, wie sie anfangen sollte und saß lange vor einem leeren Blatt: „Irgendwann habe ich einfach drauflos geschrieben und auf einmal hat sich meine Hand von selbst bewegt.” Während sie das sagt, ist ihre Anspannung im ganzen Raum zu spüren, die Augen weit aufgerissen, erzählt sie von diesem Moment, als könne sie selbst noch immer nicht glauben, was da geschah. Doch statt den Stift beiseite zu legen, schrieb sie weiter, über zwei Jahre lang. Immer wieder, so die Autorin, kam es in der Zeit zu „Wundern” – zu übersinnlichen Phänomenen, die sie sich nicht erklären könne. Sie erzählt dem Publikum, wie sie der verstorbenen Mutter einer Freundin plötzlich auf dem Marktplatz von Lloseta begegnete, oder wie eine junge fremde Katze auf ihrem Grundstück saß, die ihr Mann schon Jahre zuvor gezeichnet hatte. Einige Zuhörer zeigen Zuspruch, manche schütteln den Kopf. Fragen tun sich auf, eine Diskussion beginnt. Sie reden über das Leben nach dem Tod, über Religion und Glaube, über Vorstellung, Realität und Wahrnehmung. Es fallen Begriffe wie Jenseits, geistige Verbindung, Medium, Nachtoderfahrung oder Seelensprache und während einige aus der Gruppe von eigenen, übernatürlichen Erfahrungen berichten, argumentieren andere, dass doch das Unterbewusstsein und die eigene Psyche für solche „Hirngespinste” verantwortlich seien.

Nicht selten stößt Heiss mit ihrer Geschichte auf Gegenwind, hat auf ihrem Weg auch schon Weggefährten verloren, die sich mit dieser Seite der Spiritualität nicht anfreunden können, die ihr nicht glauben, auch ihr Sohn gehört dazu. „Hätte man mich vor einigen Jahren gefragt, dann hätte ich der Lesung wahrscheinlich nicht zugestimmt. Dann hätte ich das für Humbug gehalten”, so Will Kauffmann. „Doch mittlerweile hatte ich so viele besondere Erlebnisse, dass ich dachte, ,why not?!’”. Der Gastgeber, Mitbegründer und Leiter des Literaturabends, erzählt von einer Heilerin, die einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterließ: „Sie war korpulent, behauptete aber, dass sie nichts essen würde und sich nur von Luft und Energie ernähre. Das wollte ich mir genauer anschauen. Sie bat mich, Leute mit Schmerzen zu ihrer Sitzung auf Son Bauló einzuladen. Sie traten einer nach dem anderen zu ihr vor und ich weiß nicht, was sie gemacht hat, aber die Leute hatten danach keine Schmerzen mehr! Und das auch Wochen später.” Heute hat Kauffmann keine Vorurteile mehr. Wer beim Literaturabend ein Buch vorstellen möchte, kann das tun, wenn der gut gefüllte Veranstaltungskalender es zulässt und wenn es sich dabei nicht um eine erotische Lesung handelt: „Die sind gar nicht so spannend, wie man glauben möchte.”

13 Verlagen habe Angie Heiss ihr Buch zugeschickt, Zusagen gab es von elf und der zweite Teil sei auch schon in Planung: „Wendell hat schon angekündigt, dass er mich mitnehmen und mir die andere Seite zeigen möchte”, erzählt die Autorin. Ihre Eindrücke und Erlebnisse möchte sie dann festhalten und veröffentlichen. „Das wird ein spezielles Buch. Also eher eins für Fortgeschrittene.”