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In den kommenden Winterwochen lassen auch andere Reedereien Kreuzfahrten in Palma beginnen und enden: Die Italiener von MSC setzen die „Fantasia” ein, der deutsche Tui-Konzern ist mit „Mein Schiff 5” vertreten. Aida lässt neben der „Stella” auch die „Blu” fahren. Es werden klassische Mittelmeertouren mit Häfen in Spanien, Italien, Frankreich und Portugal angeboten, wobei wie seit Jahren schon Destinationen in nordafrikanischen Staaten wie Marokko, Algerien oder Tunesien ausgespart werden.

Es ist nicht einfach, auf dieses Schiff zu kommen: Bis man im schmucklosen Abfertigungsgebäude an der Westmole des Hafens von Palma die fast auf Knien herbeigesehnte Key-Card für die Traumreise in den Händen halten und die Augen vor der auffallend hohen Bordwand des 
Kussmund-Potts „Aida Stella” aufreißen darf, sind allerlei Hürden zu überwinden. Zunächst einmal muss man vollständig gegen Corona geimpft sein. Dann ist einen Tag vor Antritt der Reise ein Antigentest zu überstehen. Nach der Überprüfung der Nachweise folgt dann ein zweiter Test.

Ist dies über die Bühne gebracht und der Koffer abgegeben, beginnt das Eintauchen in ein durch und durch deutschsprachiges Wohlfühlareal, und das im Fall des Verfassers am 12. November in Form eines weiblichen blonden Haarschopfs hinter einem Tresen. Ja, die ersehnte Key-Card für die Westmittelmeerreise wird einem fast feierlich überreicht. Mit diesem Utensil kann man Cocktails bezahlen, kommt durch Kontrollen in Häfen und durch die Tür in die Kabine mit Großbildschirm, wo im TV nur deutsche Programme laufen. Wer in den Selbstbedienungsrestaurants einkehrt, wo der Tischwein literweise inklusive ist, muss auch dort die Karte vorzeigen.

Aufgeregt auf den Decks umherirrend und sich immer wieder verlaufend, dämmert es dem Verfasser in Sichtweite der weit oberhalb liegenden, zwischen Wolkenfetzen ab und zu aufleuchtenden Bellver-Burg, dass es bald losgeht. Cádiz, Lissabon, Cartagena, Valencia und Barcelona, und zwischendurch die Straße von Gibraltar, und dann wieder zurück in den Heimathafen Palma. Doch noch schneien die Passagiere ein, fast alle werden in Bussen vom Flughafen zur Mole gebracht. Angeflogen aus dem kalten Deutschland und Österreich, wollen sie im Mittelmeer noch einmal ein paar Sonnenstrahlen genießen, bevor in der Heimat ein schockgefrostetes Winterdasein in grauer Umgebung anbricht.

Es sind Menschen aller Altersstrukturen und unterschiedlicher sozialer Schichten, die hier hingefunden haben. Menschen wie der Lkw-Fahrer Lothar aus dem Berliner Raum, der mit einem Kumpel auf die „Aida Stella” steigt. „Das ist schon gut hier, waa?”, freut er sich. Selbst das Regentief, das am Abfahrtstag Mallorca heimsucht, lässt ihn lächeln. Der fröhliche Passagier und viele andere wissen: Es geht nach Südwesten, immer der Sonne nach und der Wärme über 20 Grad entgegen. Und hin zu den Säulen des Herkules, wie die alten Griechen die Straße von Gibraltar nannten, dem Ende der antiken Welt.

Und tatsächlich. Nach der Abfahrt um 22 Uhr klart es bereits am nächsten Morgen, einem Seetag, auf, die Novembersonne brennt zeitweise spürbar. In Bademäntel gehüllt, begeben sich weißhäutige Bundesbürger in die 
Whirlpools, an der Pool-Bar werden die ersten Mojitos und Piña Coladas lustvoll goutiert. Eine Stimme aus dem Off – es ist Laura Biermann, die umtriebige Eventmanagerin – kündigt an, was man auf dem 2013 auf der Meyer-Werft in Papenburg fertiggestellten Oceanliner alles erleben kann. Das Angebot reicht von Show-einlagen von Zauberern und Sängern, Podiumsgesprächen mit Crewmitgliedern im Showbereich „Theatrium” sowie Volleyball, Gemälde-Versteigerungen und geführten Rundgängen bis hin zu profunden und geschliffen vorgetragenen geschichtlich-geographisch-kulinarischen Einstimmungs-events der auf Mallorca heimischen Lektorin Astrid Prinzessin zu Stolberg, die über die anstehenden Ziele informiert. Wobei all die Veranstaltungen nur mit Mund-Nasen-Schutz besucht werden können. Doch draußen kann dieser abgezogen werden, und so macht das Ruhen auf den Liegestühlen vielen um so mehr Spaß.

Mittendrin in der wuseligen Arbeitnehmer- und Rentnerblase „Aida Stella”, wo man alle möglichen auch bislang ungekannten deutschen und österreichischen Dialekte zu hören bekommt, ist die Hauptbeschäftigung ungeachtet aller sonstigen Vergnügungen das Essen: Der Verfasser gewöhnt sich daran, morgens einen Spiegelei-, Wurst- und Käseteller nebst einem Früchteteller, Corn Flakes und einem Joghurt neben Orangensaft und Kaffee zu sich zu nehmen. Ist man halb satt, ist auch schon Mittag. Im Bella-Donna- oder Markt-Selbstbedienungsrestaurant, wo Speisen und Getränke im Reisepreis enthalten sind, füllen sich die Reisenden die Mägen mit Nachdruck. Nur wenige Stunden später folgt das gleiche Ritual beim Abendessen. Die meist aus Indonesien und von den Philippinen stammenden Kellner überbieten sich an Freundlichkeit. Man gewöhnt sich an die Anrede „Sir”, die einen dazu verleitet, noch gerader auf dem Stuhl zu sitzen.

Während viele Passagiere an geführten Ausflügen teilnehmen, sind neuerdings auch wieder individuelle Gänge durch die Städte erlaubt. Und so füllt sich Cádiz, der erste Halt, rasch mit Aida-Gästen. Die blonde Celina, die immer schon Südspanien sehen wollte, kommt während ihres Rundgangs durch die schmalen Gassen aus dem Staunen nicht heraus: „Das ist alles so schön authentisch hier," perlt es aus ihr heraus, während sie einen mit farbenfrohen Kacheln ausgelegten Brunnen betrachtet.

Und dann Lissabon mit der laut klingenden Hängebrücke und dem Blick auf die propere Stadt! Die Retro-Straßenbahnen, der Aufzug zwischen der Ober- und Unterstadt, der Odem von Jahrhunderten Seefahrergeschichte. Es folgen noch eine weitere Durchfahrt am Affenfelsen, Delfinen und Mondfischen vorbei, Cartagena mit der spektakulären Hafeneinfahrt, Valencia und das ehrwürdige Barcelona.

Aufgeladen mit Eindrücken ist man dann nach etwas mehr als einer Woche wieder in Palma, von wo aus auch andere Reedereien regelmäßig Mittelmeerreisen anbieten. Hier spült einen die Wohlfühlkapsel „Aida Stella” wohlgenährt und entspannt wieder an Land. Der Alltag nach der Traumreise – er hat einen wieder.