"Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus", sagte schon der US-Philosoph Elbert Hubbard. | tco

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Der folgende Text ist der MM-Kolumne "Unter vier Augen" von Talia Christa Oberbacher entnommen. Die Autorin ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic auf Mallorca.

Eine Kolumne wie heute kann man vermutlich am besten schweren Herzens schreiben. Jeder von uns durchlebt sowohl gute und schöne, als auch traurige Zeiten. Für manches Unglück gibt es keine passenden Worte, weder für die Beschreibung, noch zum Trost. Bei einigen Menschen scheint das Schicksal ganz besonders hart zuzuschlagen. Andere haben vielleicht das Glück, die längste Zeit ihres Lebens unbeschadet zu bleiben, bis sie dann eine Katastrophe nach der anderen ereilt. So viele Menschen es auf der Welt gibt, so unterschiedlich sind ihre Erlebnisse und Erfahrungen, ebenso ihre Möglichkeiten, damit umzugehen. Einige scheinen alles ertragen zu können, andere nicht. In meiner Praxis höre ich Geschichten, die manchmal an Qual, Trauer und Schmerz kaum zu überbieten sind. Und auch mein eigenes Leben hat mir nicht immer nur Gutes gebracht, zumindest nicht auf den ersten Blick. Manchen Erfahrungen konnte ich erst viele Jahre später etwas Positives abgewinnen. Andere Erlebnisse bleiben wohl für immer in der Erinnerungskiste mit der Aufschrift: "Hätte man auch gut weglassen können." Ich bin sicher, Sie wissen, was ich meine.

Wie kann man es schaffen, den Lebensmut nicht zu verlieren oder wiederzufinden? In den Medien gibt es viele Beispiele von Menschen wie Du und ich, aber auch Prominente, die nach Unfällen, Todesfällen, Naturkatastrophen, körperlicher Versehrtheit wieder auf die Füße gekommen sind. Nehmen wir nur Nelson Mandela. Nach 27 Jahren Gefängnis wären wohl die meisten gebrochen – er hingegen behielt auch in der Zelle seine Hoffnung und den Glauben an seine politische Mission. Er überwand die Apartheid und wurde später zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas. Oder Wolfgang Schäuble, Mitglied des Deutschen Bundestages seit 1972. 1990 schoss ein geistig verwirrter Täter auf ihn, seitdem sitzt er querschnittsgelähmt im Rollstuhl – ist aber politisch weiter hochaktiv, strahlt Witz und Zuversicht aus. Oder schauen wir auf Barbara Pachl-Eberhart. Sie verlor von einem Moment auf den anderen ihre Familie. Im März 2008 starben ihr Mann und ihre beiden kleinen Kinder durch einen Verkehrsunfall. Heute ist sie erfolgreiche Autorin und Schreibpädagogin und darf wieder Familienglück erleben.

Gerne werden Menschen, die es geschafft haben, ihr Leben weiterzuleben, als leuchtende Beispiele dafür genannt, dass man doch alles irgendwie überstehen kann. Ich möchte mir hier nicht anmaßen, zu bewerten oder zu beurteilen, wie Menschen reagieren, wenn das Schicksal mit aller Härte zuschlägt. Niemand hat genau das erlebt, was dieser Mensch ertragen muss, niemand fühlt den Schmerz so wie er. Selbst mit der besten Absicht und der größten Empathie, dem liebevollsten Mitgefühl können wir immer nur von außen auf das Erlebte schauen.

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Es gibt aber etwas, über das beinahe jeder von uns verfügt: Resilienz (von lateinisch resilire: zurückspringen, abprallen, nicht anhaften). Der Begriff bezeichnet die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung psychischer Gesundheit während oder nach stressvollen Lebensereignissen. Dieser verhältnismäßig junge Ausdruck wurde zunächst in der Verhaltens- und Bindungsforschung geprägt. In Studien wurde nachgewiesen, dass auch Kinder von schizophrenen Eltern sich zu glücklichen, erfolgreichen (was immer das heißen mag) Erwachsenen entwickeln können, obwohl diese Kinder dauerhaftem Stress ausgeliefert waren. Seitdem über Resilienz geforscht wird, gibt es regelmäßig neue Erkenntnisse, die sich auch nicht selten widersprechen. Dazu schrieb das "Deutsche Ärzteblatt" 2018: […] Allerdings galt Resilienz lange als angeboren – man war resilient oder nicht. Das schränkte die Möglichkeiten, Resilienz in irgendeiner Weise anzuwenden, stark ein. Dann wandelte sich jedoch das Konzept und Resilienz wurde als erlern- und trainierbar betrachtet. In der Folge wurden zahlreiche sogenannte Resilienz-Trainings entwickelt, mit denen zum Beispiel Selbstvertrauen und Problemlösefähigkeiten gefördert werden. In jüngster Zeit gilt Resilienz als Ergebnis beziehungsweise Produkt am Ende eines Anpassungsprozesses an Stressoren (also Stressfaktoren, Anm. der Red.) . „Aktuell wird Resilienz als dynamischer und lebenslanger Prozess verstanden, der im Wechselspiel zwischen Person und Umwelt erfolgt und über verschiedene Lebensbereiche und -phasen variiert“, erläutern Angela Kunzler und Kollegen vom Deutschen Resilienz Zentrum in Mainz.

Das sind gute Nachrichten. Schließlich geht man jetzt davon aus, dass uns Resilienz eben nicht in die Wiege gelegt wird, sondern, dass wir auch später noch in der Lage sind, diese Fähigkeit zu erlernen. Leider ist es schwierig, Resilienz in guten Zeiten zu trainieren, wie auch…? Trotzdem können wir auch bei kleineren Herausforderungen, Stresssituationen und Ärgernissen üben. Was gibt uns persönlich Kraft, was tut unserer Seele gut? Natürlich geben Freunde und Familie Halt, aber auch die Zugehörigkeit zu einem Verein, einer Gemeinde oder einer politischen Partei kann helfen. Manche Menschen können ihre seelische Widerstandskraft auch aus einer anderen Form von Resonanz ziehen, etwa aus einer starken Naturverbundenheit, aus der Liebe zu Musik, Kunst oder Wissenschaft oder aus einem tiefen religiösen Glauben. Auch Achtsamkeitsübungen und Meditation sind nachweisbar hilfreich, um die Fähigkeit zur Resilienz zu stärken.

Ganz wichtig ist aber anzuerkennen, dass es sowohl Lebensumstände als auch Schicksalsschläge gibt, die nur sehr schwer oder fast gar nicht zu bewältigen sind. Wie schon gesagt, ist jeder Mensch anders und erlebt sein Leben individuell. Es kann nicht an uns sein, sein Vermögen oder Unvermögen zu bewerten oder gar zu kritisieren. Wenn Sie einen solchen Menschen kennen und für ihn oder sie da sein wollen, sind manchmal Wertschätzung für dessen Schicksal und das gemeinsame Verbringen von Zeit das Einzige, was möglich ist. Und vielleicht ist das auch schon eine sehr hilfreiche Unterstützung, um diesem Menschen weiter ein wenig Vertrauen ins Leben zu schenken. Schließlich sind und bleiben soziale Beziehungen die wichtigste Ressource seelischer Widerstandskraft.

Talia Christa Oberbacher ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic.
E-Mail: coaching@palma-clinic.com

(aus MM 37/2022)