Talia Christa Oberbacher (r.), hier im Gespräch mit einer Klientin. | Patricia Lozano

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Mallorca Magazin: Frau Oberbacher, Ihre Kolumne „Unter vier Augen” in MM hatte sich bereits im September gejährt. Sie sind Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic. Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?

Talia Christa Oberbacher: Ich habe mit Mitte 40 meine Passion entdeckt, mit Menschen zu arbeiten. Nach jahrelanger Vertriebsarbeit im IT-Bereich hatte ich das Gefühl, etwas Sinnvolles tun zu wollen, das mich erfüllt. Durch private Krisen habe ich neue Perspektiven auf das Leben entwickelt und gemerkt, wie schwer es ist, einen Therapeuten zu finden, der der eigentlichen Bedeutung des Wortes folgt, nämlich „dienend” auf dem Weg zu begleiten. Das ist mein Anspruch. Dabei sehe ich in jedem Symptom nicht ein Problem, sondern einen Lösungsversuch für ein Problem.

MM: Bei welcher Art von Problemen ist Ihre Hilfe besonders gefragt?

Oberbacher: Viele meiner Klienten wollen etwas verändern. Entweder innerhalb der Beziehung oder Ehe, oder im Umgang mit sich selbst. Manche zwingt das Leben in eine neue Situation. Ich begleite Menschen in Trauerprozessen, nach einem Verlust durch Tod oder Trennung. Auch nach traumatischen Erfahrungen, beispielsweise Unfällen, kommen Menschen zu mir. Aktuell sehe ich viele Klienten mit Angststörungen, Panikattacken, Phobien.

MM: Welche Bedeutung hat Hypnose, wenn Sie versuchen, den Betroffenen zu helfen?

Oberbacher: Es gibt gewiss viele Therapeuten, die einen sehr guten Job machen, ohne Hypnose einzusetzen. Aber warum sollte man diese wunderbare Möglichkeit nicht nutzen, um es den Patienten so leicht wie möglich zu machen, neue Wege zu entdecken? Es ist viel einfacher, sich mit belastenden Gefühlen und Situationen zu befassen im Zustand einer leichten Trance. Gemeinsam schauen wir, was dazu geführt hat, dass der Klient sich heute mit diesen Herausforderungen konfrontiert sieht. Das geschieht durch die Hypnose in einem entspannten Zustand, und der Klient kann einen gewissen Abstand zu seiner Situation wahren. Dadurch werden Lösungsansätze möglich, die der Verstand oftmals gar nicht für möglich halten und damit gleich ablehnen würde.

MM: Was passiert eigentlich genau, wenn Sie Ihre Klienten hypnotisieren?

Oberbacher: Einer meiner Ausbilder sagte einmal, dass Hypnose eine der wirksamsten und dabei am wenigsten erforschte Therapiemethode sei. Durch Konzentration auf Körper, Atem und meine Worte erreicht der Klient eine angenehme Entspannung, ähnlich dem Zustand kurz vor dem Einschlafen, den jeder kennt. Dann beginnt die therapeutische Arbeit. Jetzt können traumatische Erfahrungen betrachtet und neu bewertet werden. Wir können Ereignisse aus der Kindheit beleuchten oder zukünftige, herausfordernde Situationen trainieren. Der Klient ist jederzeit in der Lage, die Hypnose bei Bedarf selbstständig zu beenden. Und natürlich gehört die Vorstellung, dass der Therapeut den Klienten dazu bringt, seltsame Dinge zu tun, ins Reich der Showhypnose, und hat mit dem therapeutischen Setting nichts zu tun.

MM: Sie haben lange in Lindau am Bodensee gelebt, bevor Sie 2021 nach Mallorca zogen. Wie beurteilen Sie die mentale Gesundheit der Mallorca-Deutschen?

Oberbacher: Die hier lebenden Deutschen haben sicher den Vorteil, dass das mediterrane Klima ein anderes Lebensgefühl ermöglicht und Situationen anders bewertet werden können. Ebenso spielen die vielen Sonnenstunden eine zentrale Rolle. Aber überall gibt es mentale Herausforderungen. Seien es der Wunsch nach Bindung und Zugehörigkeit oder Ängste vor Verlust, Krankheit und Tod.

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MM: Gibt es gravierende Unterschiede zu Deutschland?

Oberbacher: Die Menschen hier wie dort haben oft ähnliche Anforderungen. Allerdings wandern viele nach Mallorca aus, ohne vorher alles gut durchdacht zu haben. Dann sind Existenzsorgen vorprogrammiert. Wenn (ältere) Paare gemeinsam auswandern und sich später trennen oder einer verstirbt, wird auch Einsamkeit häufig ein Thema. Kommt dann noch die Sprachbarriere dazu, wird es oft schwer, Kontakte zu finden, und die Gefahr, an einer Depression oder Angststörung zu erkranken, steigt.

MM: Haben die Corona-Pandemie und jetzt der Ukraine-Krieg mit all seinen Folgen für die Wirtschaft den Bedarf an psychologischer Betreuung erhöht?

Oberbacher: Ja. Es gibt eine deutliche Zunahme der Fehltage durch psychische Krankheiten, wie Berichte der Krankenkassen zeigen. Besonders häufig wird über fehlende Energie, Mut- und Kraftlosigkeit geklagt. Es ist ja auch kein Wunder, wenn zu den persönlichen Themen noch die gesellschaftlichen Schwierigkeiten kommen und ganz neue Formen von existentieller Bedrohung spürbar werden. Zuversicht in die Zukunft zu haben, fällt schwer. Das macht nicht nur Angst, sondern lässt uns oft auch schlechter schlafen, was sich dann wieder negativ auf die Psyche auswirken kann.

MM: Wie wichtig ist es, für das eigene Problemempfinden Ansprechpartner in der Muttersprache vorzufinden?

Oberbacher: Sehr wichtig. Sowohl die Darstellung der Situation und der Beschwerden, als auch die Formulierung der Ziele und Wünsche sollten zwischen Klient und Therapeut absolut verständlich sein. Das ist sehr schwer, wenn die Herausforderungen nicht nur vom Gefühl ins Denken (um es überhaupt ausdrücken zu können) übertragen, sondern auch noch in eine andere Sprache übersetzt werden müssen.

MM: In Ihren Kolumnen erfährt man auch viel über Sie selbst: Sie verloren einen Ziehsohn an den Krebs, Ihre Ehe scheiterte filmreif. Warum fällt es Ihnen nicht schwer, sich so zu outen?

Oberbacher: Dazu möchte ich meine „Trennungs”-Kolumne zitieren: „Ich schreibe darüber, um anderen Menschen, die jederzeit, überall auf der Welt Ähnliches erleben und durchleben müssen, Mut zu machen und zuzurufen: Du kannst es schaffen! Es ist nicht leicht, es kostet viel Kraft und Nerven, es braucht Durchhaltevermögen und Geduld, aber es ist zu schaffen.” Meine persönlichen Erfahrungen haben oft auch Einfluss auf meine Arbeit. Mein Verständnis für andere Sichtweisen wächst dabei stetig. Ich versuche durch meine „Outings” schwierige Themen, die manchmal auch schambesetzt sind, ans Licht zu holen und aufzuzeigen: Das ist das Leben, es kann jeden treffen. Wir müssen uns damit nicht verstecken.

MM: Welchen Tipp haben Sie für Zeitgenossen, die versuchen ungeachtet aller Stressfaktoren ihren Alltag ohne Krise und Traumata zu meistern?

Oberbacher: Niemand ist vor Schicksalsschlägen, weder persönlich noch gesellschaftlich, gefeit. Ich glaube, dass die einzige Möglichkeit darin besteht, zu versuchen, das Beste aus dem zu machen, was das Leben uns bietet. Dabei ist es wichtig, alle Ressourcen zu nutzen und sich bei Bedarf frühzeitig Unterstützung zu suchen.

Talia Christa Oberbacher ist Hypnose-Therapeutin und Coach in der Palma Clinic. Seit gut einem Jahr schreibt sie zudem in MM ihre Ratgeberkolumne „Unter vier Augen” . Oberbacher stammt aus Dortmund, lebte lange am Bodensee und hat sich 2021 auf Mallorca niedergelassen.