Ein mit Dampfkraft betriebener Kran in Port de Pollença hebt einen Motorblock aus einem deutschen Flugzeug. Die historische Fotos stammen aus dem Buch von Walter Waiss (siehe Info im Text). | Legion Condor – Berichte, Dokumente, Fotos, Fakten (Band 5), von Walter Waiss

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Von ihren Schlafzimmern und Mannschaftsräumen aus hörten sie das Meeresrauschen, und mitunter auch das Brummen der Motoren ihrer Wasserflugzeuge. Die Rede ist von den Soldaten der Legion Condor, Hitlers Truppen im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939), genauer gesagt von der Einheit der Wasserflugzeuge, der Aufklärungsstaffel See (AS/88). Sie war mit ihren bis zu 16 Flugmaschinen und rund 110 Angehörigen in Pollença im Nordwesten von Mallorca stationiert.

pollença legion condor
Vergleicht man die Linie des Berges auf dem historischen Foto mit einer Aufnahme aus der Gegenwart, ist der identische Standort gut ersichtlich. Der Berg im Hintergrund ist heute jedoch durch die Gebäude in Port de Pollença zum Teil verdeckt. Foto: as

Von hier aus bombardierten die Flieger in ihren schwimmfähigen Doppeldecker- und Propellermaschinen vom Typ Heinkel 59 und 60 die spanische Ostküste, zerstörten Eisenbahnanlagen, Häfen, Brücken und Tanklager - heute würde man von kritischer Infrastruktur sprechen - sowie mitunter die Wohngebiete von Barcelona, Tarragona oder Cartagena, wo die „rotspanische” Flotte ihre Basis hatte.

Das sind allesamt bekannte Tatsachen, aber jetzt hat der passionierte Freizeit-Historiker Walter Waiss einen neuen Band - den fünften dieser Art - vorgelegt. Unter dem Titel „Legion Condor. Berichte, Dokumente, Fotos, Fakten” geht es auf 380 Seiten vor allem um die sogenannten Seeflieger der AS/88. Waiss behandelt die Gründung dieser Einheit im Oktober 1936 im südspanischen Cádiz sowie deren Verlegung nach Melilla, wo die Flugmannschaften in die Kämpfe um die Stadt Málaga eingriffen, bis diese im Februar 1937 von den Truppen des aufständischen Generals Franco eingenommen wurde.

Von Juli 1937 an wurde die AS/88 nach Mallorca verlegt, um von dort aus Bomben auf Menorca und das spanische Festland zu werfen.

Bereits im Juni hatte der General Hugo Sperrle als Befehlshaber der Legion Condor an den Kommandeur der national-spanischen Luftwaffe, General Alfredo Kindelán, telegrafiert: „Denken Sie noch über die Verlegung der Aufklärungsstaffel nach Palma nach? Die Staffel wird mit weiteren sechs Wasserflugzeugen verstärkt.”

Kindelán antwortete noch am Abend desselben Tages: „Ich bin in der Tat sehr daran interessiert, die Seeflugzeuge allesamt auf der Insel Mallorca zu konzentrieren, und es freut mich darüber hinaus zu hören, dass die Staffel um sechs weitere Flugzeuge verstärkt wird.”

Statt nach Palma wurde die Einheit nach Pollença beordert. Der Grund: Die strategisch bedeutsame Bucht verkürzte den Weg zur spanischen Ostküste. In Port de Pollença befand sich zudem bereits die Einheit der spanischen Wasserflugzeuge. Kommandant der sogenannten „Hidros” war Ramón Franco, der jüngere Bruder des „Generalísimo” Franco, der mit seinem Militärputsch Spanien in den Bürgerkrieg gerissen hatte. Unweit davon, in Alcúdia waren zudem italienische Flugeinheiten des faschistischen Diktators Mussolini stationiert.

Wie Walter Waiss in seinem Band eindrucksvoll dokumentiert, waren die Wasserflugzeuge der Legion Condor zunächst mit einem Totenkopf bemalt. Später wurde das Symbol durch ein weniger auffälliges Spielkarten-Pik-Ass ersetzt. Auch wurden die Bordnummern der Maschinen häufig übermalt und gewechselt. Ungeachtet seiner Unterstützung für Franco wollte Hitler lange so tun, als würde Deutschland der internationalen Nichteinmischungspolitik Rechnung tragen. Inoffiziell wurden die Angehörigen der Legion Condor demnach auch lediglich als „Freiwillige” bezeichnet, die aufseiten des spanischen Militärs kämpften.

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In Port de Pollença waren die Einheiten dennoch räumlich getrennt. Während die spanischen Truppen auf dem Gelände der heute noch existierenden Militärbasis stationiert waren, hatten die AS/88 ihren Standort an der sogenannten „deutschen Mole”. Das ist heute der nördliche Rand des Sporthafens von Pollença, der später dort nach Süden hin angelegt wurde. Somit befanden sich die deutschen Flieger direkt im Zentrum von Port de Pollença auf der Höhe des heutigen Gran Café 1919 am Beginn der Promenade. Untergebracht waren die Soldaten in den Hotels, die es damals schon gab, und die seinerzeit vom Militärregime requiriert worden waren. So bezogen insbesondere die Offiziere der Legion Condor das Hotel Miramar. In ihrer Freizeit genossen sie - so wie heute ganz gewöhnliche Urlauber - das Meer und die bergige Landschaft der Umgebung rund um die Bucht sowie üppig gedeckte Mittagstafeln in den Speisesälen ihrer Unterkünfte.

Der Kommandeur der Legion Condor, Freiherr Wolfram von Richthofen, notierte Ende November 1938 anlässlich einer Inspektionsvisite in Pollença in seinem Tagebuch: „Gutes, jetzt geschlossenes Luxushotel. Flugzeuge, Liegeplätze, technische Einrichtungen AS/88. Sehr gut!” Und am Folgetag hielt er unter dem 1. Dezember fest: „8 Uhr Frühstück. Mannschaftsunterkünfte der AS/88 angesehen. Sehr gute Hotelzimmer für Mannschaften und Unteroffiziere. Leute werden sehr verwöhnt.”

Walter Waiss hat sich in dieser Dokumentation besonders auf Flugzeugaufnahmen fokussiert. Die Berichte und Aufnahmen vom Soldatenleben der Seeflieger der AS/88 abseits des Kriegsgeschehens und der Kampfeinsätze sind für einen künftigen Band VI vorgesehen, der Ende 2023 erscheinen soll. Man darf also gespannt sein.

Nicht wenige dieser Soldaten werden ihren Aufenthalt in Form von sonnigen Tagen in Erinnerung behalten haben. In ihren Tagebüchern vermerkten sie unter anderem Ausflüge in die Umgebung, etwa zum Kloster Lluc, oder in die Drachenhöhlen bei Porto Cristo. Für einige wenige endete der Einsatz auf Mallorca aber auch tödlich. Mitte Dezember 1938 starb der Leutnant Wilhelm Fritsch, Bordbeobachter der AS/88, an eitriger Hals- und Nierenentzündung im Militär-Lazarett von Palma. Waiss hat dazu ein Foto von seiner Totenwache aufgetrieben. Andere Flieger wurden abgeschossen oder stürzten bei Flugzeugunglücken in den Tod. Ihre Namen wurden auf einem Gedenkstein eingemeißelt, der sich noch bis 2010 auf der Basis der Hidros befunden hatte. Der Text begann mit: „Es fielen für die Freiheit Spaniens im Kampfe gegen den Bolschewismus die Seeflieger ...”. Bis Ende des Spanischen Bürgerkrieges wurden dort 13 deutsche Namen in Stein gehauen.

Die AS/88 war die kleinste Kampfeinheit der Legion Condor, die ihrerseits zeitweise bis zu 26.000 deutsche Soldaten in ganz Spanien zum Kampfeinsatz befehligte. Doch die militärische Kraft der Seeflieger, die Tod und Verderben über weite Teile der spanischen Ostküste brachten, hatte einen gehörigen Anteil am Sieg der Franquisten über die spanische Republik. So schrieb etwa der Luftwaffen-Attaché an der deutschen Botschaft, Alexander von Scheele, Anfang Februar 1938 nach einem Besuch in Barcelona, das kurz zuvor kapituliert hatte:

„Am eindrucksvollsten war für mich am folgenden Morgen eine genaue Besichtigung des Hafens. Die Trümmerhaufen sämtlicher Schuppen und sonstiger Hafengebäude, die Steinmassen früherer Kais, die zahllosen Wracks innerhalb und außerhalb der Hafenbecken bieten den Anblick eines ,Sodom und Gomorrha’. Diese planmäßige und systematische Zerstörung des größten und schönsten Hafens von Spanien ist in erster Linie der eineinhalbjährigen Tätigkeit der deutschen Wasserflugzeuge zuzuschreiben ...”

INFOS ZUM BUCH:

legion condorLegion Condor - Berichte, Dokumente, Fotos, Fakten (Band 5) heißt das von Walter Waiss im Selbstverlag herausgegebene Werk (ISBN: 978-3-9821313-1-3). Es enthält auf 380 Seiten 270 Fotos und 41 Farbabbildungen. Der Preis beträgt 49,50 Euro plus 8 Euro Porto in Deutschland. Das Auslandsporto nach Spanien beträgt 17 Euro. Kontakt zum Autoren: walterwaiss@t-online.de