Luxusvillen und Drogenhandel: Dieses Trend-Viertel in Palma hat zwei Gesichter

Palmas aufstrebendes Barrio El Terreno ist der klassische Inbegriff von 
urbanem Wohnen mit Meerblick. An kaum einer anderen Stelle der Stadt ist die Gentrifizierung mit allen Facetten so deutlich sichtbar.

Urbanes Wohnen mit Meerblick: El Terreno, das Trendviertel in Palma de Mallorca, liegt zwischen dem Hafen und dem Schloss Bellver | Foto: Thor Schoof Lifemoments Photography Instagram @thor_schoof

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Wer Ruhe sucht, ist hier falsch. Stattdessen bietet das El-Terreno-Viertel in Palma de Mallorca eine fast zermürbende Geräuschkulisse: Busse, die im Minutentakt an der Plaça Gomila halten, Schulkinder, die nach dem Gong den Nachhauseweg antreten, das Tuten der Kreuzfahrtschiffe und Lieferwagen, wenn letztere die umliegenden Geschäfte mit frischen Lebensmitteln versorgen. Doch wie kaum ein anderes Geräusch ist es der Baulärm, der hervorsticht.

Der morgendliche Rundgang der MM-Redakteurin wird begleitet von knatternden Presslufthämmern, surrenden Bohrern und Bauarbeitern, die sich lautstark Kommandos zurufen. Wenigstens hört man zwischendurch mal das Kreischen einer Möwe. Denn das aufstrebende Viertel liegt zwischen dem Hafen der Inselhauptstadt und der beliebten Sehenswürdigkeit Schloss Bellver. Es ist die Nähe und Erreichbarkeit, die immer mehr Bewohner anzieht. In nur zehn Minuten liegt man schon am Strand, in der gleichen Zeit erreicht man die Altstadt. Wer sich in die Natur flüchten will, läuft fünf Minuten in den Park Bellver, die grüne Lunge der Stadt.

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Dieses aufwendig sanierte Luxusanwesen liegt direkt gegenüber der staatlichen Schule von El Terreno. Wenige Meter weiter ist ein bekannter Drogenumschlagplatz. Alle Fotos: Thor Schoof Lifemoments Photography Instagram @thor_schoof

Einst war El Terreno das Villenviertel der Stadt und später das Epizentrum des Nachtlebens, dann wandelte es sich im Laufe der 90er Jahre und geriet zunehmend in Vergessenheit. Heute ist das Barrio im Kommen wie kaum ein anderer Teil Palmas. Gleichwohl gibt es Diskrepanzen: Im unteren Teil des Viertels stapeln sich Berge von Unrat und Sperrmüll, der obere Teil hingegen beherbergt zahlreiche Luxusvillen mit Meerblick.

In den vergangenen Jahren sind aber auch im unteren Teil mehrere Anwesen aufwendig saniert und danach verkauft oder vermietet worden. So passiert es, dass gut situierte Anwohner in ihren Pool springen, während nur 50 Meter entfernt die nächste Drogenparty eines illegalen Einwanderers aufgelöst wird.

Eine dieser hochwertigen Immobilien liegt direkt gegenüber der öffentlichen Schule des Barrios. Einige Klassen so bunt gemischt, dass sich bei fünfzehn Kindern keine Nationalität wiederholt. Im Gegensatz dazu gibt es direkt um die Ecke die schwedische Privatschule. Wenn nachmittags die Elterntaxis vorfahren, um ihre blonden, hochgewachsenen Sprösslinge direkt vor der Tür einzusammeln, stauen sich die SUVs fast täglich bis auf die Hauptstraße zurück. An der unteren Straßenecke, wo die Eltern aus Edelkarossen aussteigen und auf ihre Kinder warten, wohnen zumeist Latinos und Filipinos.

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Ruinen, enge Gassen und luxuriöse Neubauten prägen das El-Terreno-Viertel in Palma de Mallorca.
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Wie beliebt El Terreno trotz dieser Gegensätze mittlerweile ist, lässt sich auch am Mietspiegel ablesen: Laut der Immobilienplattform Idealista beträgt der Quadratmeterpreis durchschnittlich 18,41 Euro, zum Vergleich kostet das Wohnen in den edlen Meeresvierteln El Molinar und Portixol aktuell nur rund einen Euro mehr. Für den durchschnittlichen Balearen-Bewohner wird das Leben im Viertel immer unerschwinglicher. Eine Anwohnerin erzählt: „Ich bezahle 550 Euro im Monat für meine Wohnung mit zwei Schlafzimmern. Umziehen können wir nicht, die neuen Preise können wir uns nicht leisten.”

Ähnlich geht es María, einer Madrilenin, die El Terreno seit zehn Jahren durch ihren Partner kennt und vor drei Jahren zugezogen ist. Aktuell ist sie auf der Suche nach einem neuen Zuhause, aber nicht vor Ort. „Ich wünschte, wir könnten im Viertel wohnen bleiben, aber die Preise sind nicht mehr für Einheimische gemacht.” Die Gentrifizierung des Viertels sieht sie jeden Tag: „Einerseits ist es eine Chance für das Viertel, wenn die Ruinen renoviert werden und Wohnraum entsteht”. Andererseits seien die Preise aber so gestiegen, und auch die neue Infrastruktur richte sich mehr an Urlauber als an Anwohner: Denn anstatt kleiner Läden und Dienstleister für die Bewohner sind mehr Hotels und sogar ein Coworking-Space entstanden, so die 40-Jährige.

Es gibt aber auch Menschen, die den Wandel in El Terreno positiv bewerten. Silvio Florean betreibt seit 2018 einen kleinen Supermarkt an der Plaça Gomila. Das grelle Licht und die engen Regale hat er vor anderthalb Jahren gegen teure Produkte in Bio-Qualität und Retro-Postkarten ausgetauscht. „Mit der Renovierung wollte ich eine andere Klientel anlocken”, sagt der 47-Jährige. „Wenige, aber bessere Kunden” will er so anziehen. Auf der Theke liegen Flyer von Luxus-Immobilienagenturen aus. „Und es wird sich noch viel mehr tun in El Terreno”, so der Rumäne.

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El Terreno Club vereint Gastronomie und Sport in einer Stätte an der Joan-Miró-Straße.

An der Joan-Miro-Straße ist vor einigen Monaten ein neues Etablissement entstanden: El Terreno Club vereint Gastronomie und Sport. Die Mitglieder des Vereins können den Padel-Court nutzen, in den Pool springen und sich von Frühstück bis Abendessen Mahlzeiten servieren lassen. Auf der Terrasse sitzen an diesem Morgen ausschließlich Schweden und Briten – bewaffnet mit Yogamatten und Padel-Schlägern – in der Sonne und stärken sich vor dem Training mit Smoothies und Porridgebowls. Der monatliche Beitrag für den El Terreno Club beträgt in der Nebensaison rund 80 Euro pro Person.

Doch auch für Otto-Normal-Verbraucher tut sich einiges im Viertel. Die Nachbarschaftsvereinigung hat den Flohmarkt reaktiviert und richtet ihn alle paar Wochen auf der Aussichtsplattform Mirador mit Meerblick aus. Im Casal del Barri, einer Mischung aus Kulturzentrum und VHS, kann man Yoga, Pilates und Taekwondo machen oder Sprachen lernen. Auf dem Nachhauseweg sticht der MM-Redakteurin ein Zitat ins Auge, das aktuell wahrer nicht sein könnte. Die amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein sagte eins: „Mallorca is paradise, if you can stand it.”