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Im Herzen der Altstadt von Palma, am Ende des Carrer Sant Alonso gleich rechts, führt ein Tor in eine Oase des Friedens und der Ruhe. Hier, in einer riesigen Garage, arbeitet die Bildhauerin Maria Isabel Ballester. In einem weiteren Teil des Ateliers werkelt Cándido Ballester an seinen Bildern. Die beiden Künstler arbeiten gerne zusammen. Die Türe steht meist offen. Vater und Tochter bekommen gerne Besuch.

Zunächst fallen Maria Isabels große Skulpturen ins Auge. Und Zitate von Rainer Maria Rilke, ihrem Lieblingsdichter, und von Samuel Beckett. Der irische Schriftsteller fasziniert sie nicht nur wegen seiner Denke: "Er hat ein Gesicht wie gemeißelt. Und das Man-Ray-Foto von ihm und Giacometti ist einfach wunderbar."

Auch das hängt an der Wand, ebenso ein großes Plakat zu einer Ausstellung mit Skulpturen von Marino Marini. Lauter Genies, mit denen Maria Isabel täglich umgeht. "Words are all we have", hat Samuel Beckett gesagt. Maria Isabel hat mehr als Worte. Sie hat ihre Kunst: kleine Skulpturen, oft nur Köpfe, Gesichter, manchmal Figuren. Sie scheinen vollkommen in sich selbst versunken, lassen an Buddhaköpfe oder indianische Masken denken, sind oft voller Leid.

Nie wird definiert, ob Mann oder Frau: "Das ist mir egal", sagt sie. "Mich interessieren Menschen an sich. Und jeder Mensch ist ein eigenes Universum. Das bewegt mich am meisten."

Auch bei den großen Skulpturen, von denen einige mannshoch sind, geht es um Menschen. Wie etwa bei einer Darstellung der "Mater Misericordia", einer Muttergottes mit Kind, umgeben von Aposteln. Oder bei der Skulptur "Mutter Erde", ein bewegendes Bild einer ebenso verletzlichen wie schützenden Mutter. Frauen und Mütterlichkeit sind ein häufiges Thema bei Maria Isabel. Sie stellt etwa eine Mutter mit Kind dar, die Mutter ohne Arme. Dazu sagt sie: "Mütterlichkeit ist mehr als eine Umarmung. Es geht eher um den Gegensatz von Nähe und Entfernung. Ein Gegensatz, den wir ja oft auszugleichen suchen."

Um Religiöses geht es ihr nicht, mehr um Spiritualität: "Um den Respekt vor den Gaben, die uns gegeben sind."

Einige ihrer Skulpturen befinden sich im öffentlichen Raum, wie etwa die an der Plaça Pes de la Palla zum Gedenken an Jehuda Cresques, den berühmten Kartenmaler, der im 15. Jahrhundert Karten mit katalanischen Ortsnamen fertigte. Von ihm stammt der Atlas Catalá, eine der ersten Weltkarten.

Maria Isabel arbeitet in Ton, Terrakotta, in Gips, Zement oder Glasfiber. Nur sehr selten verwendet sie Farbe, vorsichtig und zurückhaltend. Meist herrscht die natürliche Farbe des Grundstoffes vor.

"Ton", sagt Maria Isabel, "ist ein liebenswürdiges Material. Bei der Arbeit mit Ton kann ich schnell eine starke Verbindung zum Material aufbauen."

Maria Isabel wurde 1960 in Buenos Aires geboren. Cándido Ballester (1926) stammt aus Palma und ging mit seinen Eltern schon in sehr jungen Jahren nach Argentinien. Dort lebte und arbeitete er, bis es die politischen Verhältnisse in der südamerikanischen Diktatur nicht mehr erlaubten. Er kehrte nach Mallorca zurück. "Ich war aber auch neugierig zu sehen, wo meine Wurzeln sind, wo meine Vorfahren zu Hause waren", sagt er. Heute fühlt er sich auf Mallorca zu Hause.

Maria Isabel war schon als Kind von den Bildern ihres Vaters umgeben: "Immer habe ich ihn malen sehen. Und das Haus war immer voller Künstler. Aber für mich selbst habe ich die Kunst erst auf Mallorca entdeckt. Vor allem die Bildhauerei. Zu einer Zeit, als Skulpturen etwas fast Exotisches waren. Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte, in denen ich damit arbeite, geändert. Ich konnte es niemals lassen."

Cándido Ballester stellt die Welt als Bühne dar, bevölkert von Harlekins und anderen Figuren der italienischen "Commedia dell'Arte", die ihn seit Langem beschäftigen.

"Die Stücke wurden ja ursprünglich auf der Straße aufgeführt, hatten also nichts Bleibendes, waren gleichzeitig Drama und Komödie. So hat auch der Harlekin samt seiner bunten, zerschlissenen Kleidung, samt seiner fantasievollen Hüte etwas ganz Fragiles, ist gleichzeitig ernst und heiter. Eben nicht eindeutig, so wie das Leben auch. Die Figuren der ,Commedia dell'arte' sind Prototypen von Menschen, die dadurch universell werden."

Außerdem fühlt sich Cándido Ballester vom Formen- und Farbenreichtum der "Commedia" angezogen, was seiner bevorzugten Technik, der Collage, Rechnung trägt. Seine Bilder erfordern vom Betrachter Aufmerksamkeit, und lassen ihn immer wieder etwas Neues, etwas Ungewöhnliches entdecken.

Oft schon haben Vater und Tochter gemeinsam ausgestellt. "Unsere Arbeiten harmonieren, ergänzen sich", bemerkt Cándido Ballester und fügt hinzu: "Ihre Arbeiten sind tiefer, sie sind Zeugen der Zeit, Zeichen der Hoffung."

Maria Isabel wendet sich angesichts dieses Lobes etwas verlegen ab.

INFO
Maria Isabel Ballester und Cándido Ballester, Palma, Carrer Calatrava 1.
www.mariaisabelballester.com

 

(aus MM 4/2014)