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Palma de Mallorca war eine der ersten Städte Spaniens, in der die Begeisterung für das neue Medium Kino entflammte. 1897 zeigte das Teatre Principal erstmalig bewegte Bilder. Die Palmesanos waren entzückt von den Szenen, die ein handbetriebener Projektor auf einen weißen Vorhang warf: Reitübungen, Schwäne auf einem Teich und ein Auto, das über eine Straße fuhr.

Das erste richtige Kino eröffnete 1903 der Fotograf Josep Truyol. Er zählt zu den Pionieren der spanischen Kinogeschichte. "Ein Besuch auf der Weltausstellung 1900 in Paris hatte sein Feuer entfacht", erzählt sein Enkel Pep Truyol. Der Fotograf filmte selbst: kirchliche Prozessionen, das Panorama von Palma oder den Sonnenuntergang bei Deià. Mit einem Grammofon oder Sängern fügte er Tonelemente hinzu. Das Kino stand im heutigen Park unterhalb des Almudaina-Palastes und bot Platz für 150 Personen. 50 Centimos habe der Eintritt gekostet, sagt Pep Truyol. Doch bald sei harte Konkurrenz aufgekommen. Das Teatro Lírico gleich nebenan habe einen größeren Kinosaal eingerichtet und nur 15 Centimos Eintritt genommen. "1910 schloss mein Großvater das Kino und verbrannte aus Frust fast alle Filme im Garten."

1908 gab es bereits sechs Filmhäuser in Palma und 35 in den Inselorten. Ein Kinobesuch war damals eine riskante Sache. In den mit Gasöfen beheizten Sälen brach durch die hochbrennbaren Filme immer wieder Feuer aus. Um die Kinos rentabel zu halten, boten die Betreiber neben Filmen bald auch Tanzveranstaltungen, Boxkämpfe und Magievorführungen an. In den 20er Jahren stieg die Zahl der Filmhäuser auf Mallorca auf 120. Ungeachtet der Warnung von Augenärzten, dass Filmeschauen die Netzhaut ablöse, boomte das Kinoleben auf der Insel.

Kino war Unterhaltung für jedermann, meint Biel Thomás, dessen Urgroßvater Gabriel Thomàs das Teatre Recreatiu in Llucmajor gründete. "Es erlaubte der armen Bevölkerung, einen Moment lang ihre Misere zu vergessen." Kino habe zur Bildung der Massen beigetragen und den Inselorten Kultur von einem gewissen Niveau geboten. Nach der Vorstellung sei man gemeinsam ins Café gegangen. Das habe die Wirtschaft belebt, sagt Thomás.

Mallorquinische, spanische und internationale Filme wurden gezeigt. Der erste Film mit Ton, Trafalgar (1930), kam bei den Mallorquinern nicht gut an. Sie vermissten die Musik und die Komik der Stummfilme. In den 40er Jahren führte das Franco-Regime Nachrichten und Berichte ein, genannt "No-Do" (Noticiarios y Documentales), welche die Diktatur in ein positives Licht rückten und vor dem eigentlichen Kinofilm gezeigt werden mussten. Die Unterhaltungsfilme wurden zensiert.

Zum Glück für das Kino hielt Fernsehen in Spanien erst spät Einzug. Nach dem Übergang zur Demokratie, in den 80er Jahren, aber weitete sich das TV-Programm rasch aus, Videofilme kamen auf den Markt und Mallorcas Häuser wurden zunehmend komfortabel: Jetzt blieb man daheim. Ein Kino nach dem anderen schloss. 1991 gab es auf den ganzen Balearen nur noch 38 Kinosäle. Das verbleibende Publikum wurde wählerischer. Pep Truyol, der Enkel des Kino-Pioniers, öffnete Multicines Chaplin mit drei Sälen. "Ich liebe gutes Kino und dachte, in Palma gebe es genügend Publikum für ein Kino mit Filmen in Originalversion", sagt Truyol.

Heute zählt Mallorca wieder sechzig Kinosäle. Die meisten davon befinden sich am Rande von Palma in Vergnügungszentren. Kleine Stadtkinos sind kaum noch konkurrenzfähig. "Wenn ein Kino schließt, wird die Stadt ärmer", meint Biel Thomàs. In Palma bestehen nur noch zwei Traditions-Filmhäuser, Augusta aus dem Jahr 1948 und Rivoli, eröffnet 1959.

Und es gibt Cineciutat, das von einer Bürgeriniative gerettete Programmkino im alten Schlachthof S'Escorxador. In vier Sälen werden hier künstlerisch anspruchsvolle Filme in Originalversion gezeigt. Cineciutat finanziert sich durch Mitglieder, die auch die Filme aussuchen. "Wir haben über Tausend Mitglieder und regen Kinobesuch", freut sich der Vereinsvorsitzende Pedro Barbadillo. Ein deutsches Film-Festival sei auch in diesem Jahr geplant. Die Geschichte des Kinos auf Mallorca geht weiter.

(Aus MM 7/2014)