Eine ganz bedeutende Arbeit Schaffners steht am Fußweg nach Es Pontás in Cala Santanyí. Sie ist jetzt der Ausgangspunkt eines internationalen Jugendtreffens gewesen. Nicht in Santanyí, sondern in Trondheim in Norwegen. Der Zusammenhang? Die 1995 errichtete Stele markiert den südlichsten Punkt eines Kreuzes, das ganz Europa überspannt. Die anderen meterhohen Steinskulpturen in Bensberg bei Köln und in Trondheim in Norwegen bilden mit ihr die Längsachse, zwei weitere Stelen in Cork in Irland und Wolgograd in Russland die Querverbindung - Schaffner sah in ihnen Meridiane des Friedens und des verantwortungsvollen Umgangs mit der Natur und nannte das Kunstwerk "Equilibrio" (Gleichgewicht).
Das Werk Schaffners ist dank seiner langjährigen Mentorin Nora Braun stets in der Öffentlichkeit präsent. Als sie im vergangenen Jahr mit der Gemeinde eine Ausstellung zu 50 Jahren Schaffner-Skulpturen in Santanyí veranstaltete, lud sie auch Gäste aus den Gemeinden ein, in denen die anderen Stelen von "Equilibrio" stehen. Damals schlug der Vertreter von Trondheim ein Treffen von Jugendlichen aus den per "Equilibrio" verbundenen Gemeinden vor.
Gesagt, getan: Die Zusammenkunft fand vom 28. August bis zum 1. September in Trondheim statt. Aus jeder Stadt, ausgenommen Cork, kamen fünf Jugendliche, darunter auch zwei Enkel von Rolf Schaffner. Außerdem mit dabei: Rafael Batle vom Tourismusamt Santanyí sowie Schaffners Sohn Joan und dessen Frau Romi.
Die Begleiter waren von den Youngstern nicht schlecht erstaunt: "Normalerweise bleiben bei solchen Veranstaltungen die einzelnen Gruppen unter sich. Deshalb war ich überrascht, dass die Jugendlichen sofort untereinander Kontakt hatten", erzählt Rafael Batle. Ohne Voraussetzung funktionierte dies allerdings nicht. Gemeinsame Sprache der Teilnehmer war Englisch. Die Jugendlichen aus Santanyí mussten deshalb erst per Prüfung ausreichende Sprachkenntnisse nachweisen.
In Trondheim nahmen die Teilnehmer neben der Einführung in Equilibrio auch an Workshops über Demokratie und Toleranz teil. Genauso lehrreich waren die Erlebnisse außerhalb des offiziellen Programms: die sauberen Straßen und die gastfreundlichen Einwohner, die den suchenden Ausländern nicht nur den Weg erklärten, sondern sie zu ihrem Ziel führten. Ebenso die Tatsache, dass es in Trondheim einen Stadtrat der Jugendlichen gibt, dem auch die norwegischen Teilnehmer angehörten. Und die nach wie vor tief sitzende Wunde, die der Rechtsradikale Anders Behring Breivik hinterlassen hat, der 2011 bei seinen Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen ermordete.
Auch so alltägliche Dinge, dass es schon um 4.30 Uhr hell wurde, um 17 Uhr Abendessen gab, eine Cola umgerechnet 5 Euro, eine Pizza 25 Euro kostete. Dass die Raucher einen Behälter mit verschließbarem Deckel erhielten, in dem sie den gesamten Aufenthalt über ihre Kippen entsorgen mussten. Dass sie ihre Wasserflaschen mit Trinkwasser aus dem Wasserhahn auffüllen konnten.
Für den Bauunternehmer Joan Schaffner war der Aufenthalt ein ganz besonderes Ereignis. 39 Jahre war er alt, als er vor 14 Jahren seinen Vater nach Norwegen begleitete, um auf einer Bunkeranlage der deutschen Wehrmacht die Stele zu errichteten: "Mir war damals gar nicht klar, was da eigentlich passierte, aber jetzt hatte ich den Eindruck, dass diese fünf Skulpturen tatsächlich miteinander verbunden sind."
Beeindruckt war Schaffner auch von den Jugendlichen. "Ohne Streit und Missverständnisse tauschten sie sich einvernehmlich über Themen wie Frieden und Ökologie aus. Was sie in wenigen Stunden erreichten, dazu hätten wir Älteren mit unseren Ängsten und Vorbehalten Wochen gebraucht."
Schaffner geht noch weiter. In einer Zeit, in der das Wort "Demokratie" abgenutzt und auf die politischen Parteien reduziert sei, hänge viel von der jüngeren Generation ab: "Ließe man sie über ihre Zukunft selbst entscheiden, kämen sie viel leichter zu friedlichen Einigungen. Die gefährliche Generation sind doch wir, die wir jetzt an der Regierung sind. Wir provozieren die Kriege, in die wir dann die Jungen schicken, die gar keinen Krieg wollten." Eine starke Aussage, gerade angesichts des Konflikts in der Ukraine, hinter der ein scheinbar ungezügeltes Machtspiel zwischen Russland und der Nato steht.
Und dass Gleichgewicht nicht etwas Statisches ist, hat Schaffner sogar körperlich gespürt, als er die Stele seines Vaters umarmte: Sie schien sich zu wiegen. "Um in Frieden und einem ökologischen Gleichgewicht zusammenzuleben, müssen wir uns bewegen, anstatt fest in einem Sockel stehen." Und damit das Gleichgewicht in Bewegung bleibt, soll das nächste Treffen der Jugendlichen in Santanyí stattfinden.
(aus MM 37/2014)
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