Das Kronos Quartet mit seinem Gründer David Harrington (r.): Für das preisgekrönte Ensemble wurden mehr als 850 Werke komponiert oder arrangiert. | Jay Blakesberg

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Was muss ein neuer Komponist bringen? Einen neuen Klang, sagt David Harrington. Die Antwort könnte aus berufenerem Mund nicht kommen. Denn Harrington ist Gründer und Violinist des Kronos Quartets. Das Streichquartett aus San Francisco, das als berühmtestes Ensemble für zeitgenössische Musik gilt, ist am Samstag, 20. August, zu Gast beim Festival von Pollença.

Die Geschichte des Kronos Quartets begann 1973 in Seattle. Die USA befanden sich mitten im Vietnamkrieg, der Pazifist Harrington, der mit Streichquartetten aufgewachsen war, suchte wie viele andere Altersgenossen nach einer Möglichkeit, seiner Betroffenheit Ausdruck zu verleihen. Musikalisch stand er irgendwo zwischen Beethoven und Jimi Hendrix. Und hörte eines Tages ein Werk des heute 86-jährigen Avantgarde-Komponisten George Crumb, das so ganz anders war als alles, was er bis dahin gehört hatte: "Black Angels" für elektrisches Streichquartett.

Harrington war selbst wie elektrisiert. Mit einem Mal war ihm klar: Er hatte seine Stimme gefunden. Seither erzählte er unzählige Male: Er habe gar nicht anders können, als dieses Stück zu spielen, und eben darum das Kronos Quartet gegründet.

Bis heute wurden mehr als 850 Stücke für das Ensemble geschrieben und arrangiert. Das Quartett hat mit Komponisten vom Rang eines Steve Reich, Philip Glass, Tim Riley, Arvo Pärt und Hendryk Górecki zusammengearbeitet, zahlreiche Werke bei jungen Komponisten in Auftrag gegeben, mit Musikern wie Astor Piazzolla, David Bowie, Tom Waits, Björk, David Matthews und DJ Spooky gespielt.

Entsprechend weit reicht die Bandbreite des Repertoires, das von Arrangements alter Musik bis zu Baba O'Riley des Who-Gitarristen Pete Townshend reicht, das als Titelmelodie der TV-Serie "CSI New York" auch einem nicht rock-affinen Publikum bekannt wurde und in Pollença auf dem Programm steht.

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Auch mit Musikern und Werken aus anderen Kul-turkreisen tritt das Quartett auf. Und spielt nicht immer nur Geige, Bratsche und Cello, wie es für ein Streichquartett üblich ist. So wird im Claustre de Sant Domingo bei einem Werk der indischen klassischen Musik die Shrutibox zum Einsatz kommen, wie das indische Handharmonium heißt. Und das Stück "Death to Kosmische", das die Kanadierin Nicole Lizée für das Ensemble geschrieben hat, wird neben Streichinstrumenten auch mit einem Stylophone aufgeführt, einem Miniatur-Keyboard, das mit Eingabestift gespielt wird.

Das klingt ziemlich abgefahren und für ein kleines Nischenpublikum. Tatsächlich spielt das Kronos Quartet jedoch oft vor ausverkauften Häusern. Und wie das Publikum, so die Kritiker: Kaum ein Ensemble wurde so mit Preisen überhäuft wie das Kronos Quartet. Darunter befinden sich Preise wie der Grammy, der ECHO Klassik, der Preis der Deutschen Schallplattenkritik, der Diapason d'Or, mehrfach der Edison-Preis und der Kammermusikpreis der American Society of Composers, Authors, and Publishers (ASCAP).

Erwartet hat dies Harrington zu Beginn bestimmt nicht. Er habe gehofft, dass das Ensemble wenigstens eine Woche überlebe, erzählte er einmal. Heute ist es immer noch Mittel des Ausdrucks für den Musiker, der auch nach 43 Jahren noch überzeugter Kriegsgegner ist. Und das formuliert er so: Die Musik, die Menschen vor Kugeln schütze, habe er zwar noch nicht gefunden, aber man könne wenigstens versuchen, die Dinge mehr in Richtung Verständnis, Friedfertigkeit und Offenherzigkeit zu bewegen. Dem fühle er sich verpflichtet.

(aus MM 34/2016)

Nähere Informationen zum Internationalen Musikfestival in Pollença finden sie in unserem Veranstaltungskalender.