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Unter der Prominenten des "Dritten Reichs", die sich bereits vor dem Zweiten Weltkrieg auf Mallorca aufgehalten haben, ist vor allem Leni Riefenstahl (1902-2003) zu nennen. Hitlers Lieblingsregisseurin war im Sommer 1934 auf die Insel gekommen, nicht um zu urlauben, sondern um zu arbeiten. Über ihre damalige Reise gibt Riefenstahl in ihren Memoiren in wenigen Zeilen Auskunft. In der 1987 erschienenen Autobiografie ist zu lesen:

Um keine Zeit zu verlieren, wollten wir trotz unserer prekären Lage sofort nach Mallorca, um dort die Windmühlenmotive zu fotografieren. Um das Fahrgeld für die Überfahrt zu sparen, versteckten wir uns auf dem Dampfer und liefen glücklicherweise unentdeckt als blinde Passagiere in Mallorca ein. Wir fanden unsere Windmühlen, was wir aber nach unserer Rückkehr in Barcelona nicht fanden, war weder eine Nachricht noch eine Überweisung.

Worum ging es? Riefenstahl war von der Berliner Produktionsfirma Terra beauftragt worden, den Film "Tiefland" zu drehen. Das ist jener Streifen, der als der umstrittenste ihrer Arbeiten gilt, weil in dem Werk - in einer späteren Drehphase von 1940 bis 1944 - Angehörige der Sinti und Roma als Statisten zum Einsatz kamen. Die Menschen sollten in dem Werk - angetan mit folkloristischen Kostümen - für südländisches beziehungsweise spanisches Flair sorgen. Die bis zu 168 Statisten waren aus zwei Konzentrationslagern herbeigeschafft worden. Nach dem Abschluss der Dreharbeiten wurden viele von ihnen später in Auschwitz ermordet.

In den 1980er Jahren konfrontierte die WDR-Dokumentarfilmerin Nina Gladitz Riefenstahl mit dem Vorwurf, die "Reichsfilmregisseurin" habe den zwangsverpflichteten Komparsen versprochen, sich für sie zu verwenden, danach aber die Menschen ihrem Schicksal überlassen. Riefenstahl verklagte daraufhin Gladitz. Wie auf Wikipedia zu lesen ist, gewann die Dokumentarfilmerin das Verfahren in drei von vier Anklagepunkten. Lediglich in einem Punkt, nämlich dass Riefenstahl nicht gewusst habe, was mit den Statisten nach den Dreharbeiten passieren würde, wurde der Regisseurin recht gegeben, da man das Gegenteil nicht nachweisen konnte.

Doch was hat "Tiefland" mit Mallorca zu tun? Fakt ist, dass die in den Pyrenäen spielende Handlung ursprünglich in Spanien gedreht werden sollte. Riefenstahl war mit dem Projekt beauftragt worden, noch bevor Hitler die Regisseurin für die Verfilmung seiner Reichsparteitage engagierte. Riefenstahl fasste den Inhalt des geplanten Melodrams in ihren Memoiren auf diese Weise in Worte:

Die Oper "Tiefland" von Eugen d'Albert geht auf ein altes spanisches Volksstück von Angel Guimera zurück. Der Inhalt ist einfach. Die Handlung spielt in Spanien, in der Zeit Goyas. Die Bergwelt mit dem Hirten Pedro verkörpert das Gute, das Tiefland mit Don Sebastian das Böse. Zwischen diesen Männern geht der Kampf um Martha.

Die Rolle der Martha als Flamenco-tanzende Schönheit hatte Riefenstahl für sich vorbehalten.

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Doch was machte die Filmregisseurin 1934 auf Mallorca? Riefenstahl war zu jenem Zeitpunkt längst ein Star. Die junge Frau hatte sich als Schauspielerin in diversen Berg- und Schneefilmen einen Namen gemacht. Darüber hinaus war ihr zu jenem Zeitpunkt mit dem Film "Das blaue Licht" auch als Regisseurin und Produzentin der internationale Durchbruch gelungen. Das Debütwerk wurde nach seiner Premiere im März 1932 in Berlin bei der Biennale in Venedig mit der Silbermedaille ausgezeichnet. Anschließend reiste Riefenstahl mit ihrer Arbeit nach London, wo "Das blaue Licht" ebenfalls begeistert aufgenommen wurde.

So verwundert es nicht, dass auf Mallorca ausgerechnet die englischsprachige "Majorca Sun" auf den prominenten Inselgast aufmerksam wurde und im Juni 1934 berichtete:

Mit Unterkunft in der Pension Hiller verbrachte Leni Riefenstahl, der berühmte Filmstar, der sich in Ski-Filmen einen Namen gemacht hat, hier das Pfingstwochenende. Diverse Szenen in Miss Riefenstahls neuem Film Tiefland werden in Kürze auf Mallorca gedreht, manche von ihnen auf "Son Torrella", dem herrlichen Anwesen des britischen Vize-Konsuls und seiner Frau Mrs. Hillgarth.

Der britische Diplomat hatte das traumverloren im Vorland des Tramuntana-Gebirges liegende Anwesen bei Santa Maria erst zwei Jahre zuvor erworben. Die "Majorca Sun" berichtete gelegentlich über rauschende Empfänge auf dem historischen Landsitz, der letztlich auch seine Pforten für Riefenstahl und ihr Kamerateam öffnete. Auch sonst nahmen die Filmkreativen die Insel eifrig ins Visier. So berichtete das Blatt im Juli, die Regisseurin habe weitere Schauplätze der Insel für Außenaufnahmen besucht, etwa die Bergtäler Torrent de Pareis und Gorg Blau, Letzteres damals noch eine wild-romantische Schlucht, die 1971 dem Bau des gleichnamigen Stausees zum Opfer fiel.

Der Rest ist Filmgeschichte: Das "Tiefland"-Projekt in Spanien scheiterte an der Pleite der Terra-Filmgesellschaft, der zweite Anlauf für das Pyrenäen-Epos wurde in den Kriegsjahren und begleitet von diversen Unterbrechungen in den Alpen realisiert. Riefenstahl rettete die Aufnahmen über die Niederlage des Nazi-Reichs hinweg und schnitt sie nach und nach zusammen. Seine Premiere erlebte "Tiefland" 1954 in Stuttgart, 20 Jahre nach seiner Erstkonzeption auf Mallorca.

Wie sehr die Inselkulisse die nachträglichen Aufnahmen inspiriert zu haben scheint, wird deutlich, wenn der denkmalgeschützte Innenhof der Finca Son Torrella verglichen wird mit der späteren Filmkulisse, wie sie in den Aufnahmestudios nachgebaut wurde: Der mit Flusskieseln gepflasterte Steinfußboden, das ihn gliedernde Steinbandmuster, die Säulen und Bögen im Hintergrund, der steinerne Brunnen im Winkel des Patio - all diese Elemente des Films sind auf der Finca in natura vorhanden. Auch heute noch. Einen Tag der offenen Tür in Son Torrella sollte man sich nicht entgehen lassen.

(aus MM 39/2017)