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Gut möglich, dass der Seemannsspruch auch in Palma de Mallorca zu Ohren kam, denn selbst in jenen Jahren des Bürgerkrieges fanden sich dort Lokale und Läden, in denen deutsche Inhaber ihren Kunden und Matrosen auf Landgang zu Diensten waren, so etwa die "Konditorei Rup" oder das Studio "Foto Balear". Der Kurzvers der Seeleute lautete in diesem Fall:

Und wenn man Euch fragt: "Wo kommt ihr her?" Dann antwortet stolz: "Vom Schweren Kreuzer Admiral Scheer!"

Das war eines der bekanntesten Kriegsschiffe der deutschen Marine. Auf seinen Feindfahrten während des Zweiten Weltkriegs stieß es bis zu den Seychellen im Indischen Ozean vor. Der "Admiral Scheer", eines der wenigen Schiffe, die sprachlich den männlichen Artikel führten, überstand anders als die baugleichen Schwesterschiffe der "Deutschland-Klasse" den Krieg fast bis zum Ende. Erst am 9. April 1945 - keine vier Wochen vor der Kapitulation, rissen britische Fliegerbomben den Stahlkoloss auf. Er sank im Werftbecken in Kiel, der Rumpf ist dort noch heute unter Bauschutt begraben.

Das 187 Meter lange Panzerschiff war noch in der späten Weimarer Republik in Auftrag gegeben worden. Als es nach zwei Jahren Bauzeit auf der Marinewerft in Wilhelmshaven am 1. April 1933 vom Stapel lief, hatten sich die Machtverhältnisse in Deutschland radikal geändert. Zwei Monate zuvor war Hitler die Kanzlerschaft angetragen worden, im März hatte der Reichstag gebrannt, am 1. April, dem Tag des Stapellaufs, organisierten SA-Trupps in der sich immer deutlicher abzeichnenden NS-Diktatur landesweit die erste international aufsehenerregende Repressalie: "Kauft nicht bei Juden". Die Ladeninhaber wurden drangsaliert, teils verprügelt, die Fensterscheiben mit Davidsternen beschmiert oder zertrümmert. Der Rest ist Historie.

Doch was hat das alles mit Mallorca zu tun? Den Gründern und Betreibern der Facebookseite "Fotos Antiguas de Mallorca" ist es gelungen, ein weitgehend unbekanntes Dokument der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Foto aus einem ehemaligen Privatalbum zeigt die Matrosen des "Admiral Scheer" beim Landgang in Palma. Bislang war allenfalls wenigen Marinehistorikern bekannt gewesen, dass das Kriegsschiff im Rahmen seiner Einsätze während des Spanischen Bürgerkrieges auch einen Stopp unterhalb der Kathedrale eingelegt hatte. Der Kreuzer hatte nicht im Hafen selbst festgemacht, sonderen ankerte weiter draußen auf See. Um von oder an Bord zu gelangen, mussten kleine Hafenbarkassen benutzt werden.

Mit dem 2014 aufgetauchten Foto nimmt der Besuch der Matrosen in Palma erstmals visuell Form an. Sie strömten in Uniform in die Stadt, besuchten wie Touristen die Sehenswürdigkeiten und Lokale. Die Abbildung zeigt bis zu 25 Männer, wie sie in ihren weißen Matrosenanzügen auf der Anlegestelle im Hafen von Porto Pi stehen und darauf warten, in die Barkasse einsteigen zu können. Das Boot der Hafenmeisterei ist weitgehend besetzt mit Männern, die offenbar zum Einborden zurück auf ihr Kriegsschiff gebracht werden sollen. Der unbekannte Fotograf hatte mit seiner Kamera offenbar den Abschluss des Landgangs festgehalten. Einige Kameraden rechts im Bild wenden sich ihm direkt zu.

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Was machte der "Admiral Scheer" in Palma? Es handelte sich um die vierte von insgesamt fünf Fahrten, die das Kriegsschiff in jenen Jahren in spanischen Gewässern absolvierte. Jener Einsatz inklusive An- und Rückreise nach Deutschland dauerte vom 9. Mai bis 1. Juli 1937. In Spanien war ein knappes Jahr zuvor der Bürgerkrieg ausgebrochen. Die europäischen Mächte, allen voran England, Frankreich, Deutschland und Italien, hatten sich auf die Gründung eines Nichtinterventionskomitees geeinigt. Offizielles Ziel war es, Waffenlieferungen aus dem Ausland an die beiden kriegsführenden Parteien in Spanien zu unterbinden. Die Kriegsschiffe der Nationen patrouillierten zur "Ausübung der Internationalen Seekontrolle" an den Küsten, um solche Hilfslieferungen zu verhindern.

Allerdings war das Abkommen der Nichteinmischung das Papier nicht wert, auf dem es stand. Insbesondere im Schutz ihrer Kriegsschiffe konnten Deutschland und Italien den nationalistischen Franquisten massiv Militärhilfe leisten. Wurden Verstöße gegen das Abkommen festgestellt, sprach die Kommission Mahnungen aus. Doch sie blieben folgenlos. England und Frankreich waren nicht bereit, wegen Spanien in einen Krieg mit Deutschland und Italien zu geraten. Der Nazi-Diktator und sein faschistischer Kollege in Italien konnten somit in Spanien weitgehend ungehindert ihre Stellvertreterkriege führen gegen die linksgerichtete spanische Republik und den vermeintlichen iberischen "Bolschewismus".

Mallorca befand sich zu jener Zeit fest im Griff der Franquisten. Hier lag der "Admiral Scheer" für einen Tag, am 26. Mai, auf Reede. Am 27. Mai hielt sich das Kriegsschiff für einige wenige Stunden vor Ibiza auf, bevor es zur Patrouille nach Süden in Richtung Cartagena aufbrach.

Es war somit Zufall oder Glück, dass der "Admiral Scheer" der Bombardierung entging, wie sie am 29. Mai vor Ibiza dem Schwesterschiff "Deutschland" zuteil wurde. 31 Matrosen starben. Den Angriff hatten zwei republikanische Flugzeuge russischer Bauart geflogen. Die Attacke auf das Kriegsschiff war formal widerrechtlich, aber das Ankern der "Deutschland" innerhalb der Zehn-Meilen-Zone vor Ibiza war es nicht minder.

Hitlers Rache ließ nicht auf sich warten: Am frühen Morgen des 31. Mai nahm der "Admiral Scheer" den Hafen der ostandalusischen Stadt Almería unter Feuer. Bei dem Beschuss aus den schweren Geschützen des Kreuzers kamen 40 Einwohner ums Leben.

Jene Matrosen, die auf dem Foto in Palma zu sehen sind, wurden damals auch zu Zeugen des Angriffs auf Almería. Im Internet ist ein Foto zu finden, wie eine schwarze Rauchsäule über der brennenden Hafenstadt steht. An der Reling ihres Kriegsschiffes stehen drei Seeleute und betrachten das Schauspiel. Womöglich stammt das Foto von demselben Matrosen, der seinerzeit den Landgang seiner Kameraden in Palma festgehalten hatte.

(aus MM 42/2017)