Ladeninhaber Miquel Angel Sancho (r.) mit Geschäftspartner Antoni Vives und Tochter Ana Sancho. | J. Morey

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Noch vor wenigen Jahrzehnten gab es 22 Plattenläden in Palma. Übrig geblieben ist nach der Digitalisierung der Musikindustrie nur ein einziger: Der Espai Xocolat hat es mit einer Kombination aus musikalischen Klassikern und Kuriositäten, einem gemütlichen Café und kleinen, aber feinen Kulturevents geschafft, sich eine funktionierende Nische zu schaffen.

Nur fünf Minuten Fußweg entfernt von der Plaça d‘Espanya liegt der 1980 von Miquel Angel Sancho gegründete Laden. Mit aktuellen Hitcharts hat der passionierte Musikliebhaber wenig am Hut. In den Schaufenstern liegen die Filmmusik zu „Das Boot“ als Vinyl-Pressung, CDs mit Rockklassikern von den Stones genauso wie Jazziges von Nina Simone. Drinnen stehen mehrere Boxen, prall gefüllt mit den Songs heimischer Künstler, ob von Mallorca, von den Balearen oder dem Rest Spaniens. Daneben Regale mit Rock& Pop der 60er bis 80er Jahre von Elvis, den Beatles bis hin zu Bruce Springstreen, Jazz-Klassiker von Dave Brubeck oder Miles Davis und viel Südamerikanisches von Salsa bis hin zu Songwritern.

Vieles davon hat Sancho Privatpersonen abgekauft, die ihre alten Plattensammlungen, manchmal aus mehreren Tausend Stück bestehend, loswerden wollten. Teilweise sind echte Kuriositäten und historische Schätze dabei. „In der Franco-Zeit wurden gewagte Plattencover zensiert, sie sind heute bei Sammlern sehr begehrt“, erklärt Sancho. Mehrere Hundert Euro müssen Kunden auch für alte Ausgaben der Beatles oder Stones hinblättern. Die meisten gebrauchten Schallplatten haben aber in erster Linie emotionalen Wert und kosten nur wenige Euro. „Die Leute erinnern sich durch die Musik an ihre Jugend, als sie zu einem bestimmten Lied in der Disco getanzt haben“, erzählt Sancho. Ein Grund, warum auch viele Jugendliche auf der Suche nach einem Geschenk für Eltern oder Großeltern in den Laden kommen.

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Die meisten seiner Kunden sind allerdings treue Fans oder Sammler, die gezielt nach bestimmten Stücken eines Sängers oder einer Band fragen. „Geld für eine Platte auszugeben, ist für sie ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Künstler“, meint Sancho. Diese Achtung ist seiner Ansicht nach durch Online-Anbieter wie Spotify und Amazon geschwunden. „Heute wird viel Musik konsumiert, aber auf schlechte Weise“, meint er. Auch wenn er sich für den kleinen Musiksnack zwischendurch selbst digitale Hitlisten zusammengestellt hat, kommt für ihn zu Hause nur Musik aus dem CD- und Plattenspieler in die Ohren. „Die Qualität ist nicht vergleichbar, weil die Daten nicht komprimiert sind“, erklärt er.

Nach Raubkopien und Musik-Tauschbörsen im Internet hat der Espai Xocolat bislang auch die Digitalisierung dank der Kreativität von Sancho und seinem Partner Antoni Vives recht gut überstanden. Mit Kompetenz und persönlichem Service sichern sie sich Stammkunden. Zum anderen haben sie sich seit 2012 mit kostenlosen Kulturevents eine Fangemeinde geschaffen. „Wir ehren zum Beispiel alte mallorquinische Kultbands wie ,Los 5 del Este’ mit kleinen Konzerten. Da geraten die Älteren aus dem Häuschen“, sagt Sancho und strahlt dabei selbst übers ganze Gesicht.

(aus MM 17/2018)