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Es ist ein Geräusch, dass einen während dieser heißen Sommertage immer wieder aus einer gewissen Lethargie aufschrecken lässt. Im Bus, im Kinoeingang oder im Café. Das fast feierlich zelebrierte blitzschnelle Herausnehmen eines Fächers aus einem Täschchen und das ebenso blitzschnelle anschließende Auffächern ist eine verinnerlichte, man könnte fast sagen rassige Verhaltensweise spanischer Frauen.

Auch Maribel Moyá ist eine Virtuosin in der Handhabung von Fächern. Wenn die Mit-Betreiberin von „Paraguas”, einem schon mehr als 100 Jahre alten urigen Fachgeschäft im Zentrum von Palma (Carrer Jaime II., 22), fingerfertig mit einem dieser bunten Utensilien hantiert, treten dem MM-Beobachter vor Erstaunen fast die Augen aus den Höhlen. „Nach einigen Jahren Zurückhaltung wird der Fächer hierzulande wieder stetig populärer”, weiß die Geschäftsfrau, die auch Regenschirme und Gehstöcke unter die Leute bringt. Neben ihr steht eine weißhaarige Frau, die ebenfalls Maribel heißt und sich als Familienmitglied vorstellt.

Die Geschmäcker sind in der Welt der Fächer je nach Nationalität verschieden: „Deutsche Frauen mögen einfarbige und eher dunkle Fächer, Italienerinnen wollen in der Regel etwas Buntes”, sagt Maribel Moyá. „Meist sind diese nicht für den Eigengebrauch, sondern als Geschenke gedacht, wobei immer mehr Ausländerinnen Fächer tatsächlich auch nutzen.” Spanierinnen dagegen besitzen laut der Fachfrau in der Regel ohnehin mehrere Fächer und kommen in das Geschäft, um ihr Sortiment zu erweitern. Blumige benutzen sie für zünftige „Fiestas”, schwarze bei Beerdigungen oder gewagtere mit bunten künstlerischen Motiven wie stilisierten Katzen, Fahrrädern oder abstrakten Formen beispielsweise bei Ausstellungsbesuchen.

Kommunizieren wie früher tun sie damit in der Regel nicht. Im 18. und 19. Jahrhundert war jedoch in Spanien eine regelrechte Fächersprache en vogue, mit der sich Frauen vor allem bei Festen und vor allem mit Männern verständigten, wenn nicht unbedingt jeder etwas davon mitbekommen sollte. So bedeutete etwa ein betont hastiges Zumachen des handlichen Artefakts: „Ich bin eifersüchtig.” Warf sich eine Frau ihren Fächer unübersehbar von einem in die andere Hand, hatte das folgende Botschaft: „Ich weiß, dass du eine andere Frau im Auge hast.” Sich betont langsam Luft zuzufächeln, bedeutete: „Du interessierst mich nicht.” Und den Kopf hinter dem Utensil zu verstecken, war noch negativer: „Du bist so hässlich”, wollte die Dame damit ausdrücken. Vergangene Zeiten... Heute will man sich lediglich auf praktische Weise, aber mit einer gewissen Stilsicherheit Luft zufächeln, um inmitten der Sommerhitze nicht ganz zu verzweifeln.

Verkauft werden die aus Holz sowie Baumwoll- oder Seidenstoffen bestehenden Luftverwirbler in der Regel in speziellen Behältern, die Preisspanne liegt zwischen 1,90 Euro für Kitschware und Hunderten Euro. Wie so viele spanische Produkte kommen fast alle aus Manufakturen, die sich in einem einzigen Ort oder in einer einzigen Gegend befinden. Bekanntlich ist Jijona der Turrón-Ort des Landes, Alicante die Schuh-Stadt per definitionem und Aldaya bei Valencia der Fächer-Ort. Dort gibt es etwa die 1920 gegründete Firma „Abanicos García”, die auch Maribel Moyá mit Fächern beliefert. Aus Aldaya kommt auch etwas, von dem manch einer glauben mag, dass es nie existierte: Männerfächer. „Die gab es immer, sie sind dunkel und kleiner”, sagt Maribel Moyá und entfaltet ein Exemplar mit der üblichen Virtuosität. „Und heute benutzen immer mehr Männer auch größere Fächer.”