In den verschiedenen Gebäuden werden auch Führungen angeboten. | Archiv

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Es ist eine dieser schmalen Gassen in Palmas Altstadt, die lange Zeit düster und heruntergekommen dalagen, in denen es immer etwas muffig roch und kein Windstoß die feuchte Luft bewegte. Bauarbeiter machen sich nun hinter einer frisch gestrichenen Fassade zu schaffen, wie an dem Maschinenlärm zu hören ist, der aus dem Neubau hervordringt. Noch sind die Sozialwohnungen, die das balearische Wohnungsamt hier baut, nicht ganz fertig. Dennoch mutet die Gegend schon ganz anders an, auch, wenn sich bereits ein Schmierfink mit einem Graffiti an der Hauswand verewigt hat. Der Sozialbau wird wie etwa 80 andere Gebäude im Rahmen des Architektur-Festivals Open House, das am Samstag und Sonntag, 6. und 7. November, in Palma stattfindet, für Besucher geöffnet sein.

„Die Stadt hat eine wirklich erstaunliche architektonische Vielfalt”, sagt Eduardo Yuste, Architekt und Direktor des Festivals. Die Bandbreite reiche von Überresten aus der Römerzeit, von Gotik und Barock bis zu Rationalismus und moderner Architektur des 21. Jahrhunderts. „Viele Gebäude sind ziemlich unbekannt, vor allem außerhalb des Zentrums gelegene”, sagt Yuste. Viele Bewohner der Insel seien sich dieses Reichtums gar nicht bewusst, pflichtet ihm Daniel Gallego bei, Kulturmanager und ebenfalls Direktor des Festivals. „Architektonisch gesehen hat Palma eine sehr gut erhaltene Altstadt und eine weitgehend unbekannte Neustadt.”

Der Sitz des Inselrats am Rathausplatz in Palma.

Deshalb haben sich die beiden entschlossen, das Festival in Palma auf die Beine zu stellen. „Wir wollen, dass die Einwohner ihre Stadt wieder neu entdecken”, sagt Yuste. „Wir sind hier alle so daran gewöhnt, dass alles auf den Tourismus ausgerichtet ist, dass wir dabei manchmal vergessen, unsere Stadt selbst besser kennenzulernen.” Open House Palma ist dabei Teil von Open House Worldwide. Das Konzept ersann einst die Architektin Victoria Thornton, das erste Festival fand 1992 in London statt. Seitdem sind weltweit mehr als 40 Städte hinzugekommen, darunter Essen, Zürich und Basel, aber auch Buenos Aires, Santiago de Chile und Lagos. Auch in Barcelona findet das Festival seit einigen Jahren statt. Dort lernte Yuste das Konzept denn auch kennen.

Und so werden nun also Dutzende Freiwillige am ersten Novemberwochenende Interessierte durch die Gebäude in Palma führen, die großteils sonst nicht zugänglich sind und eine enorme Bandbreite abdecken: So ist einerseits das barocke Herrenhaus Can Balaguer zu besichtigen, aber auch die Kläranlage in S’Aranjassa. In der Regel ist keine vorherige Anmeldung nötig, bis auf einige Ausnahmen, wie etwa besagte Kläranlage, die Trinkwasseraufbereitungsanlage der Stadtwerke, sowie die meisten der Sozialbauten, die an diesem Tag für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Anmeldungen sind über die Internetseite openhousepalma.org möglich. Die Besuchszeiten in allen Gebäuden variieren, liegen jedoch allesamt in folgenden vier Zeitfenstern: An beiden Tagen jeweils von 10 bis 14 Uhr und von 16 bis 19 Uhr. Genaue Daten und auch die exakte Lage der einzelnen Objekte gibt es ebenfalls im Internet.

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In jedem Fall anmelden muss man sich zu den Veranstaltungen des Rahmenprogramms, das ebenfalls zum Festival gehört. Dazu gehören Gesprächsrunden, geführte Stadtrundgänge, ein Workshop für Kinder sowie ein Fotowettbewerb. Katalanisch- oder zumindest Kastilisch-Kenntnisse sind dafür allerdings nötig. Auch die Freiwilligen, die durch die Gebäude führen, sind nicht allesamt des Englischen mächtig, so die Organisatoren.

Die Vorbereitungen für das Festival haben sich über mehrere Jahre hingezogen. 2019 begannen Yuste und Gallego mit den Planungen. Ursprünglich hatten die beiden noch viel ehrgeizigere Ziele: Etwa 300 Gebäude hätten sie am Anfang auf der Liste gehabt. Allerdings stellte sich dann rasch heraus, dass sich vieles nicht realisieren ließ. So war es etwa unmöglich, den Energieversorger Endesa dazu zu bewegen, das Gesa-Gebäude zugänglich zu machen. Auch die Sommerresidenz der spanischen Königsfamilie, Marivent in Cala Major, bleibt für Normalsterbliche verschlossen. Die Corona-Pandemie erschwerte den Organisatoren ebenfalls die Arbeit. So sollte das Festival ursprünglich schon im vergangenen Jahr stattfinden und viele Privatleute, die sich eigentlich schon zum Mitmachen bereiterklärt hatten, machten dann angesichts von Hygieneregeln und aus Angst vor Infektionen einen Rückzieher.

Nicht so das balearische Wohnungsamt, das gleich eine ganze Reihe von aktuellen Bauprojekten zugänglich macht. Und so erfährt man nun also in dem schicken Neubau in Palmas Altstadt, wie Sozialwohnungen auf Mallorca heute aussehen. Im Mittelpunkt steht die Nachhaltigkeit, erklärt Yuste. Dicke Mauern sollen für möglichst konstante Innentemperaturen sorgen, verbaut wurden vor allem lokale Materialien, unter anderem reichlich Kiefernholz. Der eine oder andere wird sich bei diesem Anblick sagen: „Da möchte man doch geradezu einziehen!”

(aus MM 44/2021)