Gabriela Canseco, die Witwe von Paco de Lucía, will keines der Flamenco-Konzerte in Palma verpassen. | P. Bota

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Madrid, 18. Februar 1975. Im Teatro Real gab ein 18-jähriger Gitarrist sein Debüt. Sein Name: Paco de Lucía. Es war das erste Mal überhaupt, dass in diesen ehrwürdigen Hallen Flamenco gespielt wurde. Bisher hatte ihn der Klassik-Betrieb abschätzig als Kleinkunst betrachtet. Am bemerkenswertesten war aber Paco de Lucías Haltung beim Spielen. Er schlug beim Sitzen leger das rechte über das linke Bein und hielt die Gitarre waagrecht anstatt mit dem Hals schräg nach oben – was ihm den Vorwurf der Schamlosigkeit einbrachte. Heute ist diese Haltung weit verbreitet.

Später wurde De Lucía weit über die Grenzen des Flamenco hinaus geschätzt. Jazz-Gitarrist John McLaughlin beispielsweise nannte ihn in einem Atemzug mit Miles Davis und Igor Strawinski als einen der großen Künstler des 20. Jahrhunderts, und Rolling Stone Keith Richards meinte demütig: „Es gibt nur zwei oder drei Gitarristen, die man als Legenden bezeichnen kann. Und über ihnen allen steht Paco de Lucía.”

Die Anekdote vom Debüt im Teatro Real sagt freilich viel darüber aus, wie der 2014 verstorbene Großmeister der Gitarre den Flamenco geprägt, erneuert und um Elemente aus Jazz und Klassik erweitert hat. „Paco sagte: ,Eine Hand in der Tradition und eine Hand in der Innovation.’ Er wollte den Flamenco lebendig halten und ihn nicht zu einem Museumsstück werden lassen”, so seine Witwe Gabriela Canseco im Gespräch mit MM. Dieser Einstellung trägt auch das Festival Paco de Lucía Rechnung, dessen zweite Ausgabe am Mittwoch mit einem Konzert der Flamenco-Ikone Estrella Morente in Palmas Teatre Principal begonnen hat.

Bis Sonntag, 5. März, wird es weitere hochkarätige Events im Teatre Municipal Xesc Forteza geben. An diesem Freitag wird die Tänzerin Rocío Molina von den Gitarristen Yerai Cortés und Eduardo Trassierra begleitet. Am Samstag, 4. März, präsentieren die Sängerin Rocío Márquez und der Elektronik-Produzent Bronquio eine Flamenco-Version des 21. Jahrhunderts, und am Sonntag, 5. März, setzt der Cantaor Rancapino Chico den Schlusspunkt des Festivals. Karten und Informationen gibt es bei festivalpacode-
luciamallorca.com.

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Ins Leben gerufen wurde das Festival von der Organisatorin Soledad Bescós, die mit ihrer Idee bei der Witwe des Musikers offene Türen einrannte. „Es macht mich stolz, dass es auf Mallorca stattfindet, weil sich Paco ganz bewusst auf der Insel niederließ. Er kam 2005 nach Mallorca und sagte: ,Hier bleibe ich für immer’.” Fragt man Canseco, was den Gitarren-Großmeister, der im andalusischen Algeciras geboren wurde, an der Insel begeisterte, antwortet sie: „Die Natur spielte eine sehr große Rolle, vor allem das Meer, das war für ihn vital. Und der respektvolle Umgang der Mallorquiner mit anderen. Deshalb konnte Paco auf Mallorca ein ruhiges Leben führen.”

Auf der Insel hatte er sich den Traum eines eigenen Studios erfüllt, in dem er in seinem eigenen Rhythmus arbeiten konnte. Arbeiten groß geschrieben. De Lucía selbst charakterisierte seine schöpferische Tätigkeit mit „zehn Prozent Inspiration und 90 Prozent Transpiration”. „Er war ein großer Perfektionist und litt sehr beim Komponieren. Da tat ihm das anschließende Spazierengehen gut, um abschalten zu können. Die Zeit danach verbrachte er mit der Familie”, schildert Canseco den durchorganisierten Tagesablauf ihres Mannes.

Hinterlassen hat der Künstler ein umfangreiches Erbe: Kompositionen, Bild- und Tonaufnahmen, auch Interviews und Medienberichte von Auftritten im In- und Ausland – all dies verwaltet die noch junge Fundación Paco de Lucia, die im vergangenen Jahr mit dem Aufbau eines Archivs begonnen hat. Weitere Projekte sind der Verbreitung des Werks von Paco de Lucía und des Flamencos gewidmet, ebenso der Unterstützung von Talenten, die sich normalerweise ein Studium nicht leisten könnten. Im Stiftungsrat führt Canseco den Vorsitz, vertreten sind auch die Kinder des Gitarristen und, als Ehrenmitglied, dessen Bruder Pepe. Außerdem findet man dort Namen illustrer Persönlichkeiten wie Rockstar Alejandro Sanz, Tänzerin und Choreografin Sara Baras und Narcís Rebollo, Chef von Universal Music Iberia.

Bisher finanziert sich die Fundación durch Tantiemen und Privatvermögen sowie durch die Einnahmen der ersten beiden Ausgaben des Festivals Paco de Lucía in Palma, Gelder aus der EU fließen zudem in ein Informationszentrum in Algeciras. Doch der Nachlass des Musikers ist enorm und entsprechend auch der Finanzierungsbedarf. „Wir suchen weiter öffentliche und private Mittel”, erklärt Canseco und verweist auf die Website der Stiftung (fundacionpacodelucia.com), auf der sich förderwillige Personen informieren können.

Die Fundación hat ihren Sitz vorerst in Madrid. „Ich mag Zentralismus gar nicht, aber leider sind dort die wichtigen Leute”, räumt Canseco ein. „Wir arbeiten zwar von Madrid aus, aber die physischen Orte müssen nicht dort sein, und ich will die Stiftung auch auf Andalusien und Mallorca ausweiten.” Die Stiftung ist einer der Gründe, warum die Witwe des Gitarristen im vergangenen Jahr von Mallorca in die spanische Hauptstadt gezogen ist. Für das Festival wird sie allerdings auf die Insel zurückkehren und versichert: „Ich werde kein Konzert verpassen.”