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Ihre langen Fühler nach links und rechts ausschlagend, krabbelt die Languste auf die Kundin am Fischstand zu. Schnell hebt der Fischhändler den Ausreißer an seinem Panzer hoch und stellt ihn an seinen Platz zurück. Dann drückt er mit zwei Fingern leicht auf die Stelle zwischen den Augen der Meeresfrucht. "Das beruhigt sie", erklärt er. Sie müssten lebendig verkauft werden, weil ihr Fleisch schnell verderbe, murmelt er und ruft mit lauter Stimme: "Nur 39,50 Euro das Kilo Languste. Ihr Fleisch ist das beste überhaupt."

Auf Mallorca ist Langustenzeit. Am Fischmarkt von S'Olivar preisen die Händler die prächtigen Krustentiere an. Aber die Zeiten sind schlecht. "Bis vor zehn Jahren waren sie die Haupteinkommensquelle für Mallorcas Kleinfischer", sagt der Leiter der Fischereiabteilung im balearischen Umweltministerium, Toni Grau. Auf Menorca sei das heute noch so, aber hier habe sich der Preis für die Fischer von 60 Euro auf 25 bis 30 Euro pro Kilo halbiert. Die Nachfrage ist gefallen. Warum weiß keiner.

Früher ist auf der Insel reichlich Languste verzehrt worden. "Für die Menschen an der Küste war sie einmal Alltagsessen", erzählt der Meeresbiologe David Díaz vom Ozeanografischen Zentrum der Balearen. Vor 100 Jahren noch habe es im balearischen Meer so viele von ihnen gegeben, dass man sie mit der Hand in geringer Wassertiefe fangen konnte. Gleichzeitig sei sie mit Netzen gefischt und zu stolzen Preisen exportiert worden: "1900 wurden Langusten in Paris zehn- bis zwölfmal so teuer verkauft wie auf der Insel."

Im 20. Jahrhundert kam eine neue Fangmethode auf, bei der große Käfige mit Fischködern auf den Meeresboden gelassen wurden, 30, 40, 100 Stück, bis zu 60 Meter tief. Der 78-jährige Fischer Toni Remes aus Port d'Andratx erinnert sich noch daran: "Der Langustenfang war aufwendig, aber einträglich. Manchmal hatten wir nicht genug Fisch als Köder. Dann nahmen wir Teile einer geschlachteten Ziege." Doch der Bestand ging zurück. Immer mehr Käfige blieben leer. In den 1980er Jahren wurden sie ausrangiert.

Heute wird die Meeresfrucht mit Schleppnetzen in 60 bis 80 Meter Tiefe gefangen. Zur Sicherung der Population ist das allerdings nur von April bis August erlaubt und die Tiere müssen obendrein eine Mindestgröße von 24 Zentimetern haben. Insgesamt sind sie heute kleiner als früher, "aber nur, weil man sie nicht auswachsen lässt", betont David Díaz. Für den Meeresbiologen reichen die Fischereiregeln zum Schutz nicht aus: "Wenn wir den Fang nicht den biologischen Zyklen der Languste anpassen, haben wir bald keine Langusten mehr." Pro Saison deklarieren Mallorcas Fischer 30 bis 40 Tonnen. Aber in Wirklichkeit fischten sie bestimmt 100 Tonnen, gibt Toni Grau von der Fischereibehörde zu.

Der gesamte Fang wird vor Ort verkauft oder nach Menorca "exportiert", denn dort stellt der Krebs mit den langen Antennen das kulinarische Highlight in den Restaurants dar. Einige Dörfer lebten ganz davon, sagt David Díaz. Das Stargericht, die Caldereta de Langosta, soll übrigens von zwei Fischern aus Pollença erfunden worden sein. Um eine beschädigte Languste, die sie nicht mehr verkaufen konnten, zu verwerten, sollen die Brüder Pérez sie kurzerhand in den Kochtopf geworfen haben zusammen mit allem, was sie so auf dem Fischerkahn hatten: Tomaten, rote und grüne Paprika, Zwiebeln und Knoblauch. Durch den Tourismus wurde das ArmeLeute-Essen ab Mitte der 1950er Jahre populär und immer weiter verfeinert.

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Die hohe Nachfrage auf Menorca ist nicht mit Langusten aus balearischen Gewässern zu decken. Die Hälfte werde importiert, sagt Toni Grau. Oft sei es nicht einmal die hiesige Sorte Palinurus elephas, sondern eine andere: "Aber einmal gekocht, merkt nur der Fachmann den Unterschied." Fischhändler Jaume vom Olivar-Markt widerspricht: "Keine Languste der Welt ist so köstlich wie unsere rote!" Seine Kundin, eine alte Dame aus Palma, stimmt ihm zu und kauft ein 800 Gramm schweres Exemplar. "Ist es auch ein Weibchen?", vergewissert sie sich: "Die schmecken nämlich am besten."

INFO

Die Languste gehört zu den Zehnfußkrebsen. Sie ist mit dem Hummer verwandt, hat aber im Gegensatz zu ihm keine Scheren. Auffälligstes Merkmal der Languste sind die besonders langen Antennen, mit denen sie sich orientiert und Feinde verscheucht. An ihren zehn Laufbeinen stecken kräftige Klauen zum Ergreifen der Beute.

Die Tiere werden bis zu 50 Zentimeter lang, durchaus 30 Jahre alt und bis zu acht Kilogramm schwer. Sie leben auf Felsböden in fünf bis 160 Meter Tiefe und ernähren sich unter anderem von Algen, Seeigeln und Muscheln. Tintenfische und Zackenbarsche sind ihre Hauptfeinde.

Im Meer rund um Mallorca kommt die europäische oder rote Languste Palinurus elephas vor. Man erkennt sie vornehmlich an ihrem rot- oder violettbraunen Panzer, der meist weiße Tupfen hat.

(aus MM 33/2015)