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Einmal pro Jahr, rund um das Fronleichnamfest, zeigt die Stadt Palma ihre wahren Kleinode: Dann sind für knapp zwei Wochen die Innenhöfe des historischen Altstadtkerns für die Öffentlichkeit zugängig. In diesem Jahr sind es 53. Die meisten von ihnen liegen im Viertel hinter der Kathedrale, einige andere ,,links vom Borne”, wie man diesen Teil der Altstadt im Volksmund nennt.

Innenhöfe gibt es im gesamten Mittelmeerraum, von Marokko bis Ägypten, von Griechenland bis Südspanien. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass Patios immer nur in den Stadtpalästen des wohlhabenden Adels gebaut wurden. Auch Häuser von Bürgern und Handwerkern verfügen oft sehr wohl über einen Innenhof. Doch wie bei allen Bauprojekten gilt auch hier: Wer mehr hat, kann sich mehr leisten. Was im Klartext bedeutet: Die Innenhöfe der Reichen waren selbstverständlich prächtiger und aufwendiger ausgestattet als diejenigen der Bürger mit kleinerem Geldbeutel.

Der Patio ist einerseits ein römisches Erbe, wie aus den traditionellen römischen Häusern klar ersichtlich ist. Andererseits ist der Innenhof vor allem im spanischen Raum auch ein Relikt aus arabischer Zeit, wenn auch die ersten Patios, so wie wir heute noch einige vorfinden, auf Mallorca erst nach der Rückeroberung der Insel durch die christlichen Truppen aus Aragón gebaut wurden. In der ersten Zeit engagierte man noch italienische Baumeister, später entstanden die ersten Bauhütten unter mallorquinischer oder katalanischer Führung, was nicht ohne Einfluss auf Stil und Anlage blieb.

Die Straßenführung im Altstadtkern von Palma allerdings stammt noch aus der Zeit der Araber: Die Gassen sind schmal, um Passanten und Lasttiere vor der Sonne zu schützen. Was allerdings angesichts des zumindest für viele Monate im Jahr sehr gemäßigten Klimas der Insel nur bedingt einen Sinn ergibt. Aber Tradition bleibt Tradition; und nichts ist so schwer auszurotten wie althergebrachte Gewohnheiten.

Der Patio, der Innenhof, war eindeutig das Zentrum des Hauses. Um diesen meist viereckigen, offenen Raum gruppieren sich die einzelnen Bauteile des Anwesens. Zur Galerie imersten Stock führt eine Treppe, deren Form und Größe sich im Laufe der Jahrhunderte veränderte. War zunächst nur ein Absatz im Zwischenstock üblich, gab es später breit geschwungene Freitreppen, die sich oft nach zwei Seiten verzweigten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Casal Solleric am Borne, dessen Treppe von bemerkenswerter Schönheit ist. Hier kann man auch schmiedeeiserne Treppengeländer bewundern. In früheren Zeiten, im 13. bis 15. Jahrhundert, waren die Geländer meist aus Stein, oft mit schönem Maßwerk verziert, wie z.B. in Can Oleo im Carrer de l'Almudaina. In einigen wenigen Fällen führten getrennte Treppen in den Zwischenstock und in die ,,Planta Noble”. Dort wohnte traditionsgemäß die Besitzerfamilie. Im Stockwerk darüber meist das Gesinde und Gefolge.

Einige der Stadthäuser haben nach italienischem Muster darüber noch einmal einen Halbstock, der als Lagerraum diente.
Im Zwischenstock wohnten übrigens oft die unverheirateten, erwachsenen Söhne der Familie, die nicht selten Wert auf einen eigenen Eingang legten.
Die Größe eines Patios ergab sich aus dem Reichtum der Bauherren. Es gab aber auch die Forderung, dass mindestens 25 Reiter samt ihren Pferden bequem Platz haben mussten – ein Erbe aus ritterlichem Zeitgeist, das sich im Laufe der Jahrhunderte erübrigte. Später konnten dadurch auch die Laternen niedriger und damit praktischer an den Säulen angebracht werden. Niemand musste mehr darunter einher reiten können.

Mallorca war lange eine vornehmlich landwirtschaftlich strukturierte Insel. Das wirkte auch auf den Bau der Stadthäuser ein, die fast immer über einen kleinen Gemüsegarten verfügten. Meist im Patio. Je älter die Stadthäuser sind, je weniger sie im Laufe der Jahrhunderte renoviert und damit oft grundlegend verändert wurden, umso häufiger findet man den Garten. Erst ab dem 17. und 18. Jahrhundert begannen die Bürger, ihre Patios mit Pflanzen zu schmücken und auf den Anbau von Bohnen und Tomaten zu verzichten.

Heute sind Clivia und Aspiditra die sogenannten ,,Klassiker” unter den Patio-Pflanzen.
Unverzichtbar blieb der Brunnen in fast jedem Innenhof, der allen Bewohnern zugängig sein musste. Viele der Patios hatten Ein– bzw. Ausgänge zu zwei verschiedenen Straßenseiten. Dadurch wurden die Innenhöfe auch zu Durchgängen, die die Bewohner des Stadtteils, nicht nur die Bewohner des Hauses, nutzten, um Wege abzukürzen. Der Patio war auch dadurch immer ein Kommunikationszentrum.

Auffallend in den Innenhöfen sind die ,,mallorquinischen” Halb– oder Korbbögen: Eine Stilbesonderheit, die sich zunächst aus dem verwendeten Material ergab. Der Sandstein von Santanyí, dem auch die Kathedrale viel von ihrer Schönheit zu verdanken hat, ließ sich weder zu gotischen noch zu Renaissance-Bögen zwingen, sondern nur zu in der Höhe abgeflachten Bögen verarbeiten. Im 17. und 18. Jahrhundert behielt man diese Stilbesonderheit allerdings auch dann bei, wenn Marmor verwendet wurde. Marmor war in jener Zeit auch das meist verwendete Material für die Säulen, deren Höhe sich logischerweise nach den Bögen richtete und damit meist gering war.

Die Fassaden der Stadthäuser, gleichgültig ob es sich um reiche oder weniger reiche Besitzer handelte, waren durchweg schlicht, gelegentlich durch eine Loggia wie beim Consulat del Mar oder beim Casal Solleric versehen. Schmuck gab es lediglich bei den Fensterleibungen im Renaissance–Stil. Schlicht sind auch die schweren Holzportale, die metallene, manchmal vergoldete Türklopfer aufweisen. Deren Formen wurden zwar aus Italien importiert. Das arabische Wort ,,aldaba” – Türklopfer – weist allerdings daraufhin, dass diese Art von ,,Klingelknopf” schon bei den Arabern Sitte war. l
Die Patios sind noch bis zum 25. Juni geöffnet. Begleitete Führungen – in Spanisch – gibt es am Montag, den 19., Mittwoch, den 21., und Freitag, den 23. Juni, jeweils um 11 und 18 Uhr. Treffpunkt: eine halbe Stunde vor Beginn im Vorraum des Rathauses an der Plaça Cort. Dauer: 90 Minuten. Die Gruppe Circulo Europa offeriert am Samstag, den 24., um 10 Uhr einen geführten Rundgang. Treffpunkt: Das Steinschleuderer-Denkmal unterhalb der Kathedrale. Anmeldung erbeten unter 971 71 17 72.