Jeden Werktag sitzt Gerhard Schulz in seinem von der Garage
abgeteilten, kleinen Arbeitszimmer. Auf vier Computerbildschirmen
verfolgt er die Aktienkurse an der New Yorker Börse, denn mit dem
Online-Handel der Anteilsscheine verdient er sein Geld. Er gehört
also zur Avantgarde der vielgepriesenen modernen Telearbeiter, die
auf Mallorca die Sonne genießen und mit Hilfe des Internets ihrer
Arbeit nachgehen.
Doch so rosig diese Zukunftsvision sein mag: Für den von einer
Pinie etwas verstellten Blick aufs Meer hat Schulze bei dem
stressigen Job ohnehin selten Muße, und in den letzten Wochen ist
er schier verzweifelt an den modernen Zeiten. Grund: ,,Die
langsamen Leitungen im Internet machen mich wahnsinnig.” Während es
,,normale” Surfer nur nervt, dass sie vor Langweile fast eingehen,
wenn Bit für Bit einzeln durch die Leitung kommt, geht es bei dem
53-jährigen Heidelberger um richtiges Geld. ,,Als ich einen Freitag
ganz massive Leitungsprobleme hatte, sind einige Orders zum
Verkaufen nicht durchgegangen. Resultat: Sie wurden, da durch die
etwa 15-minütige Zeitverzögerung die Preise nicht mehr stimmten,
einfach zurückgewiesen.” Verlust: Satte 5000 US-Dollar (mehr als
10.000 Mark). ,,Mein eigener, schwarzer Freitag'”, so Schulze mit
Galgenhumor.
Die Klagen des früher hauptberuflich als Software-Spezialist
arbeitenden Deutschen sind auf Mallorca beileibe kein Einzelfall.
Ralf Apfel, Techniker von Toms Computer Checkpoint in C'an
Pastilla, erklärt, dass ,,alles, was über Infovía geht”, momentan
sehr langsam bis gar nicht funktioniert. Infovía ist ein
Internet-Ableger des Telefonriesen Telefónica.
,,Ich bin sicher, das liegt an den massiven Sonderangeboten und
den günstigen Pauschaltarifen, die seit einigen Monaten auf den
Markt gedrückt werden”, so Schulz. Eine Tendenz, die auch in
Deutschland bei T-Online festzustellen ist: Der große Provider
lockt Kunden mit günstigen Tarifen, die Leute beißen in großen
Zahlen an – und verstopfen die Leitungen. Das bestätigt
Internet-Spezialist und MM-Kolumnist Jörn Kocken: ,,Aber auf
Mallorca sind die Probleme noch ein bisschen gravierender.” Schulz
hat schon alles versucht. Nach dem Einstieg mit analogem Modem
stieg er auf das schnellere ISDN um, das ,,leidlich funktionierte”.
Um schneller zu werden, wollte er das noch relativ neu auf dem
Markt befindliche ADSC. Dabei werden die Daten, die auf den
Computer des Nutzers übertragen werden, durch eine viel größere
Leitung geschickt als die, die von dessen Computer weg gehen.
Doch in der Praxis funktioniert es nicht. Dabei zahlt Schulze
gutes Geld für den untauglichen Dienst, nämlich 16.000 Pesetas pro
Monat, bald 32.000. Dazu musste er sich eine Anschlussdose kaufen.
,,Jetzt hat man mir erklärt, dass ich von ADSC nichts habe, weil
ich quasi auf einer achtspurigen Auffahrt auf die zweispurige
Datenautobahn fahre.” Ralf Apfel wundert das Desaster nicht: ,,Neue
Techniken funktionieren anfangs nicht so gut.” Für den gebeutelten
Schulz kein Trost: ,,Mallorca als High-Tech-Insel, auf der die
Menschen in modernen Berufen online arbeiten – kompletter
Blödsinn.”
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