Deutsche kommen häufig auch deshalb nach Mallorca, weil hier
nicht alles so streng und stur geregelt ist wie in Alemania. Das
südländische Laisser-faire lässt Freiraum für Phantasie und
Kreativität, auch im Straßenverkehr.
Das Mehr an Lockerheit im Umgang mit Gesetzen kann freilich auch
Nachteile haben: Die Grenzen zur Behörden-Willkür sind fließend.
Davon können nicht nur motorisierte Residenten, sondern auch
Touristen ein Lied singen.
In krassen Fällen kann das so aussehen: Eine Familie hat sich in
ihrem Urlaub ein Auto gemietet und ist auf dem Weg ins Gebirge. Bei
einer routinemäßigen Polizeikontrolle wird der Vater aufgefordert,
seinen Führerschein zu zeigen. Als der Autolenker die deutsche
EU-Lizenz zückt, lächelt der Beamte nur müde und kontert mit dem
Strafzettelblock: 15.000 Pesetas (175 Mark).
Als Begründung – die von den Insassen mangels
Spanisch-Kenntnissen nur halb verstanden wird – führt der eifrige
Polizist an: ,,Ein Fahrzeug mit spanischem Kennzeichen darf in
Spanien nur mit spanischem Führerschein gefahren werden.” Geht das
mit rechten Dingen zu? Nachfragen bei der Verkehrsbehörde Tráfico
in Palma ergeben mal ,,ja”, mal ,,nein”, mal ,,schwer zu sagen”, je
nachdem welchen Fachmann man am Telefon erwischt. Laisser-faire
eben.
Weniger lustig ist der Fall für die Betroffenen. Neben dem Loch
in der Urlaubskasse bleibt die Verunsicherung. Da solche Fälle
immer wieder berichtet wurden, hatte Dieter Freitag, deutscher
Autofachmann auf Mallorca, 1997 eine schriftliche Anfrage an
Tráfico gerichtet. Damals wurde ihm innerhalb von zwei Wochen
bestätigt, dass EU-Ausländer, die nicht in Spanien wohnen, sehr
wohl mit ihrem EU-Führerschein Autos mit spanischem Kennzeichen
fahren dürfen.
So weit die Theorie. Übereifrige und uninformierte Polizisten
kassieren bei ahnungslosen Touristen dennoch weiter ab. Es gab auch
in den vergangenen Monaten immer wieder Beschwerden, unter anderem
beim Reiseveranstalter TUI und beim deutschen Konsulat. Nicht
zuletzt in deren Namen stellte Dieter Freitag, der in Campos seit
über zehn Jahren die ,,Auto-Station” betreibt und dort alle
Probleme rund ums Auto regelt, Anfang August eine erneute
Anfrage.
Freitag, der durch zahllose Autoummeldungen bestens geübt ist im
Umgang mit mallorquinischen Behörden, sagt: ,,Ich habe den Brief
extra ins Mallorquin übersetzen lassen, auf dem Amt persönlich
abgegeben und mir das bestätigen lassen.” Sonst, so der Experte,
könne eine unliebsame Anfrage leicht in den mallorquinischen
Amtsstuben verschütt gehen. Seit zwei Monaten wartet Freitag auf
eine Antwort. Laisser-faire eben.
Eine andere Art von zweifelhaftem Behördenverhalten kommt die
ausländischen EU-Residenten auf der Ferieninsel teuer. Wer nach
Mallorca zieht und sein Auto mitbringt, muss ein kompliziertes
Anmeldeverfahren überstehen und als Krönung sieben Prozent – für
Autos unter 1600 ccm – oder zwölf Prozent – für Autos über 1600 ccm
– Anmeldesteuer auf den Zeitwert des Wagens berappen. Bei einem
neueren Auto summiert sich das schnell auf 2000 bis 3000 Mark.
Gegen die Zulassungssteuer ist nichts einzuwenden, da sie von
Spaniern genauso bezahlt werden muss. Außerdem wird sie von nahezu
allen EU-Ländern – in unterschiedlicher Höhe – erhoben. Dass es von
dieser Regelung in Spanien jedoch eine wichtige Ausnahme gibt, ist
weitgehend unbekannt.
Wer sein Auto als ,,Umzugsgut” mit auf die Insel bringt und es
innerhalb von einem Monat nach Wohnsitznahme auf der Insel
ummeldet, muss die Steuer nicht bezahlen. Voraussetzung: Der
Antragsteller muss zuvor mindestes ein Jahr im EU-Ausland gewohnt
haben und das Fahrzuge muss dort mindestens sechs Monate zugelassen
gewesen sein.
Wer bei den spanischen Behörden nach dieser Ausnahmeregelung
fragt, trifft auf ein Kartell des Schweigens. Die Experten auf der
Verkehrsbehörde Tráfico wissen im ungünstigsten Fall gar nichts von
der Ausnahme, im günstigsten Fall verweisen sie auf das in dieser
Sache zuständige Finanzamt. Dort wiederum kann man nicht genau
angeben, welche Dokumente vorzulegen sind, um die Steuer erlassen
zu bekommen.
Auch hier hat Dieter Freitag schon einiges erlebt: ,,Je nachdem,
auf welchen Sachbearbeiter man trifft, reicht mal die Bestätigung
des Meldeamts in Deutschland, mal sind weitere Nachweise
notwendig.” Eines hat der Fachmann gelernt: Sich auf keinen Fall
abschrecken lassen. Freitag: ,,Was heute bei einem Beamten nicht
funktioniert, kann morgen bei einem anderen locker über den Tisch
gehen.”
Dieter Freitag hat mehrere Jahre Erfahrung. Wer als
Mallorca-Neubürger frisch auf die Insel kommt, hat im Kampf gegen
die mallorquinischen Behörden einen weitaus schwereren Stand – und
zahlt deshalb häufig mehrere hundert Mark Steuern, die er
eigentlich nicht bezahlen müsste. Laisser-faire eben.
Wenig von Laisser-faire halten die Insel-Behörden dagegen, wenn
es um die übrigen Formalitäten und Gebühren bei der Ummeldung eines
ausländischen Wagens geht. Wer die vorgeschriebenen Genehmigungen,
Bescheinigungen, Kopien und Stempel nicht exakt beibringt, bekommt
das spanische Nummernschild nicht. Notwendig sind Gänge zur
Verkehrsbehörde, zum zuständigen Rathaus, zum spanischen TÜV (ITV),
der zumindest zweimal aufgesucht werden muss, und zu einem
technischen Ingenieur.
Sämtliche Gebühren und Steuern belaufen sich je nach Automodell
schnell auf über 1000 Mark. Die Ummeldung eines neun Jahre alten
Renault 5 kostete zum Beispiel knapp 100.000 Pesetas (1200 Mark).
Ganz zu schweigen von der investierten Zeit. Wer die Behördengänge
selbst erledigen möchte, sollte neben den Kosten auch gleich noch
zwei Monate Urlaub einplanen, das erfordern nämlich die
Wartezeiten, Bearbeitungsfristen und Wiederholungsgänge aufs
Amt.
Statt dessen kann auch eine auf Kfz-Ummeldungen spezialisierte
,,Gestoría” beauftragt werden. Dafür sind weitere 25.000 bis 30.000
Pesetas (300 bis 350 Mark) fällig. Verblüffend: Auch diese
Spezialisten sagen ihren Kunden in der Regel nichts von ihrem Recht
auf Umgehung der Zulassungssteuer.
Nachdem die neuen spanischen Kennzeichen endlich am Wagen
montiert sind, könnte sich der Fahrzeughalter eigentlich beruhigt
zurücklehnen – wenn da nicht noch die Sache mit dem Führerschein
wäre. Der muss bei Residenten nämlich auch umgeschrieben werden,
auf der Verkehrsbehörde Tráfico. Wie das bei den drei
unterschiedlichen Arten von deutschen Führerscheinen zu geschehen
hat, ist auf der Behörde nicht eindeutig geklärt. Laisser-faire
eben. Dieter Freitag hat auch in dieser Sache eine schriftliche
Anfrage laufen.
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