Fluggäste kämpfen sich mit schweren Koffern und Gepäckwagen die ausgefallenen Rolltreppen hoch.

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Nach der spektakulären Stromhavarie in Palmas Flughafen Son Sant Joan am vergangenen Samstag wird der stundenlange Komplett-Ausfall zunehmend zum Politikum zwischen Madrid und den Balearen. Politiker des Archipels forderten, die Leitung des Airports in die Verantwortung der Insel-Behörden zu übertragen.

Was keiner der zuständigen Direktoren, Techniker und Politiker je für möglich gehalten hatte, war eingetreten: Ein Kurzschluss im Verteilerwerk des Flughafens setzte die Stromversorgung außer Betrieb und richtete nach den Worten eines Angestellten ,,das größtmögliche Chaos” an.

Nach dem ,,schwärzesten Tag in der Geschichte des Flughafen” ist die Fehlersuche angelaufen. Auch wenn die eigentliche Ursache für den Stromausfall noch unbekannt ist, schloss Flughafen-Chef Mariano Menor einen möglichen Konstruktionsfehler in der Elektrizitätszentrale des Airports nicht mehr aus.

Ein wie auch immer entstandener Kurzschluss legte die 15.000 Volt führende Verteileranlage lahm. Der Stromschlag war so stark, dass das Gerät in seiner Verankerung erschüttert wurde und enorme Hitze entstand. Dadurch sei auch das direkt daneben liegende Notfall-System so stark beschädigt worden, dass es ausfiel. Obgleich die Flughafen-eigenen Generatoren Notstrom produzierten, konnte er wegen des defekten Verteilers nicht zum Terminal gelangen. Solange die Ursache ungeklärt sei, schloss der oberste Chef der spanischen Flughafen– und Luftfahrtsbehörde AENA, Pedro Argüelles, eine Wiederholung des Debakels auf anderen Flughäfen nicht aus.

Infolge des Defekts lag einer der modernsten Airports der Welt ausgerechnet an einem Tag mit einem Spitzenaufkommen von rund 100.000 Passagieren über sechs Stunden komplett lahm. Über 700 Flüge mussten mit erheblichen Verzögerungen abgefertigt werden. Dadurch gerieten in ganz Europa die Flugpläne durcheinander. Das Chaos hätte noch weitaus schlimmer ausfallen können. Denn vom Stromausfall waren ,,nur” das Parkhaus und der vor drei Jahren eröffnete Abfertigungsterminal betroffen. Flugleitung und Tower verfügten weiterhin über Strom.

Der durch die Verspätungen verursachte Schaden wird nach Angaben des ,,Diario de Mallorca” auf mindestens 550 Millionen Pesetas (6'5 Millionen Mark) geschätzt. Die Flughafenleitung übernahm die Verantwortung und entschuldigte sich. AENA-Präsident Argüelles empfahl den Reisenden, ihre Schäden über ihre Fluggesellschaften zu reklamieren.

Am Hauptreisetag der Woche versank der Flughafen um 5.45 Uhr in frühmorgendlicher Dunkelheit. In den nahezu fensterlosen Schalterhallen sprang noch nicht einmal die Notbeleuchtung ein. Rolltreppen und Fahrstühle blieben stehen, Transportbänder für das Gepäck und die Röntgen-Kontrollgeräte der Sicherheitsleute versagten den Dienst. An den Abfertigungsschaltern fielen Computer-Bildschirme, Anzeigetafel und Gepäck-Waagen aus, Lautsprecherdurchsagen waren nicht mehr möglich. Die Kommunikation brach vollständig zusammen, nachdem auch Handys sich nicht aufladen ließen. ,,Niemand hatte Infos. Alle rannten sich die Hacken ab”, sagte eine Angestellte.

Bis der Strom um 12.45 Uhr wieder zu fließen begann, spielten sich schier unglaubliche Szenen im Terminal ab. Mit Taschenlampen und Campingleuchten versuchten Mitarbeiter an den Schaltern zumindest die Hand vor Augen zu sehen. Bis zu 20.000 Fluggäste kampierten in den hoffnungslos überfüllten Hallen auf ihrem Gepäck, kauerten zwischen den Schaltern am Boden, in der Hoffnung, irgendwann einmal ihr Flugzeug besteigen zu können. Wurde doch einmal ein Flieger abgefertigt, mussten Rentner ihre Koffer durch kilometerlange Gänge bis fast in die Maschine schleppen. Sicherheitskontrollen fanden kaum statt, das Einchecken erfolgte ohne Computer per Papier und Kugelschreiber. Ankommende Fluggäste hatten es kaum besser. Da alle Förderbänder ruhten, mussten sie ihre Koffer unter tausenden auf einem freigeräumten Parkplatz suchen.

Chaos herrschte auch in den Läden und Cafeterias des Airport. Etliche schlossen, weil Kassen und Küchengeräte streikten. Andere verkauften Getränkedosen, solange der Vorrat reichte. Unbeschreibliche Zustände auch in den stockfinsteren Toiletten: ,,Es war alles zugeschissen”, so ein Mitarbeiter.

Auch mit Strom dauerte es bis zum Abend, bis die die Lage sich halbwegs normalisierte. Etliche Reisende verpassten ihre Anschlussflüge, mussten für viel Geld neue Tickets kaufen. Kein Problem für AENA, das Chaos des Tages rundzurechnen: ,,Die Verspätung pro ankommender Maschine betrug im Schnitt zwei Stunden und 20 Minuten, bei Abflügen waren es drei Stunden.”