Die einen reden von den ,,kostbarsten Wochen des Jahres”. Die
anderen von ,,Schönen Ferien”, die wir uns angeblich verdient
haben. Und wir alle unternehmen ungeahnte Anstrengungen, um
möglichst viel, möglichst weit, möglichst aufregend – oder erholsam
– zu reisen. Nicht alle sind der Meinung, dass reisen an sich schon
schön sei. Besonders nicht die Schriftsteller.
Fontane schrieb: ,,Jetzt reist jeder und jede. Kanzlistenfrauen
besuchen einen klimatischen Kurort am Fuße des Kyffhäuser, behäbige
Budiker werden in einem Lehnstuhl die Koppe hinaufgetragen, und
Mitlieder einer kleinstädtischen Schützengilde lesen bewundernd im
Schlosse zu Reinhardsbrunn, dass Herzog Ernst in 25 Jahren 50.157
Stück Wild getötet habe. Sie notieren sich die imposante Zahl ins
Taschentuch und freuen sich auf den Tag, wo sie in Muße werden
ausrechnen können, wie viel Stück auf den Tag kommen.”
,,Mögen die reisen, die dumm genug sind”, spottete Alfred
Döblin. Egon Friedell reiste kaum, weil er wusste: ,,Wenn ich zu
Hause bleibe, habe ich drei Dinge, die mir keine Reise bieten kann:
vollständige Ruhe und Ungestörtheit, meinen Lehnstuhl, der sich
meinen Formen bereits liebevoll angepasst hat, und meine
Phantasie.” Und Karl Kraus bekannte: ,,Ich war gereist, um noch
unbekannte Quellen der Enttäuschung kennenzulernen und kehre
befriedigt heim.” Dazu Hans Christoph Buch: ,,Das Reisen (ebenso
wie das Essen, Trinken, Lesen, Lieben) beruht auf der Illusion,
dass das nächste Land, das nächste Beefsteak, der nächste Drink,
der nächste Roman oder die nächste Frau anders sein wird als alle
vorhergegangenen.”
Alles nur Illusion? ,,Wenn ich daran denke, wie ich durch
Beschreibungen von Reisen im Orient beschwindelt worden bin, könnte
ich rasend werden”, schreibt Mark Twain. Und Friedrich Torberg in
,,Die Tante Jolesch”: ,,Am Land kann man nicht schlafen”, lautete
eine von ihr geprägte Sentenz, die mit ,Land' ungefähr alles
meinte, was nicht ,Stadt' war , und wo es zufolge zurückgebliebener
Wohnkultur keine Nächtigungsmöglichkeiten gab.” Allerdings musste
auch die Tante Jolesch zugeben: ,,Alle Städte sind gleich, nur
Venedig is e bissele anders.” Um dorthin zu reisen, verabschiede
ich mich für eine Weile. Danach halte ich es wieder mit André
Heller: ,,Die wahren Abenteuer sind im Kopf, in meinen Kopf, und
sind sie nicht in meinen Kopf, dann sind sie nirgendwo.”
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